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Zuerst das AKW, dann ein Pfahlbauerdorf

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Diese Woche von Olten nach Aarau (SO/AG)

Wir hatten Glück, wieder einmal. Als wir in Schönenwerd St. Leodegar erreichten, die Kirche mit der grünen Turmhaube, die man immer vom Zug aus sieht, war der Mesmer grad da. Er liess uns ein. Was für eine Überraschung: die Pracht der gut tausendjährigen Kirche und des angegliederten Kreuzganges, beide Teil eines entschwundenen Klosters.

Wandern bereitet einem immer wieder diese Art Geschenk. Wer allerdings punkto St. Leodegar auf Nummer sicher gehen will, muss die christkatholische Kirchgemeinde Schönenwerd-Niedergösgen kontaktieren, auf dass man ihm öffne. Jederzeit geniessbar ist der Blick von der Terrasse vor der Kirche zur ersten Jurakette samt der Wasserflue über Aarau.

Ballys Geschenk

Unsere Route von Olten nach Aarau war auch sonst reich an Höhepunkten. Zum Auftakt taten wir nicht das Naheliegende; wir folgten vorerst nicht der Aare. Südseitig verliessen wir stattdessen den Bahnhof Olten. Dieses erste Stück durch den Hardwald bis zu einer namenlosen Bahnunterführung nördlich von Starrkirch war kein Wanderweg. Kein Problem, wer eine Karte mitnimmt, wird sich leicht zurechtfinden.

Dann die alte Aare und der Wanderweg. Wir hatten Freude an den unregelmässigen Ufern, den Sandbänken, dem vermoosten Totholz, dem wie wahnsinnig hämmernden Specht; in der Ferne sahen wir bereits die Dampffahne des AKW Gösgen. Zwei Brücken lenkten uns zum Kraftwerk. Die erste führte bei Sandacker in den Schachen, die zweite, ein Steg, wieder auf die andere Flussseite direkt an den Fuss des Kühlturmes.

Lieblich im Kontrast zu dem industriellen Koloss einige Zeit später der Bally-Park von Schönenwerd. Schuhfabrikant Carl Franz Bally liess den Park vor gut 150 Jahren anlegen und später erweitern, er wollte seinen Zeitgenossen, auch seinen Arbeitern, ein Bildungserlebnis bieten. Wir Heutigen dürfen uns immer noch freuen. Zum Beispiel an dem Pfahlbauerdörfchen. An dem mehr als 400 Jahre alten Speicher aus Gränichen, der im Park eine neue Heimat fand. An dem Kosthaus des Fabrikbetriebs, heute Bally-House genannt und eine Event-Location. Und an den gezielt gepflanzten Bäumen aller Art.

Im Storchen nahmen wir den Zmittag. Das Essen war gut, und was auch erwähnt gehört: Man war sehr nett zu uns, obwohl wir unterklassig daherkamen, die Hosen und Schuhe dreckig von den feuchten Uferpartien der alten Aare. Hernach, wie erwähnt, erfreute uns Schönenwerd ein zweites Mal durch St. Leodegar; die Kirche muss man gesehen haben.

Der doof-eitle Pfau

Alsbald wichen wir wieder vom Fluss ab. Wir erstiegen uns die Anhöhe südöstlich, gingen bald entlang einer abrupten, weitgehend ungesicherten Fluhkante und hatten Weitblick. Was wir leider versäumten: die Erkundung des bewaldeten Geländes Buechholz. Dort zieht sich über Hunderte Meter ein prähistorischer Wall, Teil einer Höhensiedlung.

Wir stiegen ab ins Seitental des Roggenhauserbaches. Schon wieder eine Trouvaille: der frei zugängliche Wildpark Roggenhausen. Wir grunzten den Wildsauen zu, lachten über den doof-eitlen Pfau und liebten die Hängebauchschweinchen. Es folgte ein wilder Pfad durch einen verkalkten Hang, dann waren wir in Aarau. Im Mr. Pickwick Pub in der Altstadt nahmen wir ein Bier und prosteten uns zufrieden zu – das war abwechslungsreich und toll!
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Route: Start in Olten, Bahnhof. Das erste Stück durch den Hardwald bis zur Bahnunterführung nördlich von Starrkirch ist nicht als Wanderweg beschildert, mit einer Karte findet man sich aber leicht zurecht; komfortable Waldwege. Wer lieber auf dem Wanderweg wandert, geht dieses erste Stück die Aare entlang. Bei der Bahnunterführung kommen beide Varianten wieder zusammen. Route ab dort: die alte Aare entlang südseitig flussabwärts – über die Brücke nach Sandacker – beim AKW wieder über den Steg auf die AKW-Seite – Bally-Park Schönenwerd – Schönenwerd, St. Leodegar – Stelli – Riedbrunnen – Buechholz – Wildpark Roggenhausen – Aarau, Bahnhof.

Wanderzeit: 4¼ Stunden.

Höhendifferenz: 275 Meter auf-, 289 abwärts.

Wanderkarte: 224 T Olten, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Sehr abwechslungsreich, erstaunlich viel Natur sowie eine grosse Portion Kultur und Geschichte.

Höhepunkte: Das AKW Gösgen mal von nah. Die tausendjährige Kirche St. Leodegar und ihr Kreuzgang (die Kirche und ihr Kreuzgang sind in der Regel geschlossen, für Besichtigungen wendet man sich ans christkatholische Pfarramt).

Kinder: Perfekte Strecke, weil viel passiert. Zwischen Schönenwerd und dem Wildpark Roggenhausen verläuft der Weg streckenweise an der ungesicherten Kante einer senkrechten Fluh; aufpassen!

Wildpark: Der Park ist immer offen.

Hund: Perfekt!

Einkehr: Diverse Möglichkeiten in den Orten. Storchen in Schönenwerd, kein Ruhetag. Auch im Wildpark Roggenhausen gibt es ein Restaurant. Ruhetage bis Ende März Mo/Di, nachher immer offen.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Beitrag Zuerst das AKW, dann ein Pfahlbauerdorf erschien zuerst auf Outdoor.


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