Diese Woche von Bern via Reichenbach und Schüpberg nach Schüpfen BE
Wir besammeln uns in der Unterführung im Bahnhof Bern, wie immer zieht es grässlich. Doch das ist noch gar nichts. Draussen bläst die Bise.
Vom Bahnhof geht es das Bollwerk hinab zur Lorrainebrücke. Vor der Brücke steht rechts in der Ecke verschupft ein Wanderwegweiser. Wir finden einen steilen Pfad die Halde zur Aare hinab. Unten der Blutturm, uff, was für ein Name! Hexenturm hiess er auch und war Teil der Stadtbefestigung.
Entlang des herzhaft grünen Flusses geht es stadtauswärts, zuerst unter der Eisenbahnbrücke, später unter der Autobahnbrücke hindurch. Wir teilen uns die schöne Passage am Fluss mit Velölern und Joggern. Dann verlassen wir das Wasser zeitweilig und steigen auf zur Station Tiefenau und weiter, einem Kirchturm entgegen.
Viel zu kurze Fährfahrt
Die Matthäuskirche ist noch jung und besteht aus einem Dreieck, der Kirche selber, und einem hohen Rechteck, dem Turm. Daneben ein Kreis im Gras. Es handelt sich um ein spätantikes Amphitheater. Triumph der Geometrie, wie das alles harmoniert.
Wir halten vollends hinein in die grosse Aareschleife nördlich von Bern. Der Reichenbachwald schützt gegen den Giftwind; immer wieder mal lesen wir ein Schild des Archäologiepfades. Die Engehalbinsel ist durchsetzt mit gallorömischen Relikten, mit Wällen zum Beispiel. Sie ist eine Bastion der Natur, nachgerüstet mit den Mitteln des Menschen.
Bei der Reichenbachfähre klingeln wir, die Fährfrau kommt, zwei Franken kostet die Fahrt pro Person und ist leider viel zu kurz. Die Fähre entstand, nachdem sich zur Mitte des 18. Jahrhunderts ein britischer Gesandter auf Schloss Reichenbach einquartiert hatte. Der hohe Herr mochte es nicht, zu seinen diplomatischen Geschäften in Bern stets einen Umweg nehmen zu müssen. Heute ist die Fähre Teil des öffentlichen Verkehrs mit festen Betriebszeiten.
Auf der anderen Seite sehen wir ein Gartenrestaurant; leider ist es zu früh für Fisch. Schloss Reichenbach zur Linken enttäuscht uns, es ist sozusagen mit einer gewaltigen Brauerei zusammengewachsen. Wir halten den Stutz hinauf, biegen oben links ab, sind nun eingespurt Richtung Kirchlindach. Herrlich das offene Land und die weiten Felder. Unherrlich, dass wir auch auf diesem Abschnitt zeitweise auf Asphalt gehen.
Roland, der Geh-Twitterer
Im Weiler Niederlindach steht ein menschenhohes Sudoku. Die Zahlen würden zweimal pro Monat ausgewechselt, sagt das Schild daneben. Kirchlindach queren wir später speditiv, denn wir haben Hunger. Noch etwas mehr Höhe ist zu gewinnen, noch etwas mehr Sicht erlangen wir damit. Dann der Schüpberg, ein Bauernweiler. Sein Restaurant, das Schüpbärg-Beizli, ist weitum bekannt.
Gut, haben wir reserviert! Auf unserem Tisch ein Schiefertäfelchen, darauf steht: «Herzlich willkommen! Widmer». An den Wänden Riesenfotos des Kochs beim Bereiten spektakulärer Häppchen – gastronomischer Personenkult. Das Essen ist aber sehr gut, meine Bauernbratwurst eine Riesenkurve und die Rösti knusprig, wie sie sein soll.
Es folgt der Schlussakt: Abstieg nach Schüpfen, wo Alt-Bundesrat Rudolf Minger seinen Hof hatte. Unsere Wanderung endet am Bahnhof, und man ist sich einig, dass sie toll war. Auch wenn die Bise blies. Und dem Asphalt zum Trotz. Ein zusätzliches Happy End: Roland hat sein Handy verloren und es nach kurzer Suche wiedergefunden. Gut so, er braucht es heftig. Manchmal twittert er sogar im Gehen.
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Route: Bern Bahnhof - Brückenkopf Lorrainebrücke mit Wanderwegweiser rechts in der Ecke vor der Brücke - Blutturm an der Aare - Aaregg - Tiefenau - Matthäuskirche mit Amphitheater - Reichenbachwald - Reichenbach-Fähre - Schloss Reichenbach - Riederenwald, Abzweiger beim Büsselimoos - Niederlindach - Kirchlindach - Chuerain - Kalewart - Schüpberg - Lindenwald - Schüpfen Bahnhof.
Wanderzeit: 41/4 Stunden, davon 3/4 Stunden nach dem Essen auf dem Schüpberg.
Höhendifferenz: 290 Meter aufwärts, 310 abwärts.
Wanderkarte: 243 T Bern und 233 T Solothurn, 1:50 000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Direkt mit der S 3 von Schüpfen nach Bern.
Charakter: Äusserst abwechslungsreiche Tour mittlerer Länge. Viel Archäologie und Geschichte im ersten Drittel. Danach Bauernland. Längere Abschnitte auf Hartbelag.
Höhepunkte: Der finstere Blutturm gleich nach dem Start. Das Amphitheater aus der Spätantike. Die Fährfahrt. Der Zmittag auf dem Schüpberg.
Kinder: Gut, weil abwechslungsreich. Vorsicht am Aareufer, kein Geländer, reissender Fluss!
Hund: Gut.
Einkehr: Mehrere Möglichkeiten. Schüpbärg-Beizli: Di, Mi Ruhetag. Betriebsferien 2015: 7. Juli bis 23. Juli und 22. September bis 30. September.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
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