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Gesprächstherapie an der Bahnkasse

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Diese Woche vom Stoos via Wannentritt nach Riemenstalden und Sisikon (SZ/UR)

Talstation der Stoosbahn, noch fünf Minuten bis zur Abfahrt, eine Schlange vor der Kasse. Vor uns zwei jüngere Frauen, die weder eine Ahnung von der Gegend haben noch eine Karte. Sie konsultieren die Kassenfrau und beraten sich untereinander und kommen nicht zu einem Entschluss, was für ein Billett sie brauchen, «wir könnten aber auch zuerst auf den Klingenstock und dann erst… murmel, murmel».

«He, macht ihr da vorne eine Gesprächstherapie?», rufe ich.

Blenden wir den folgenden Wortwechsel aus und machen wir einen Zeitsprung fünf Minuten nach vorn. Wir haben es knapp auf die Bahn geschafft, die zwei Frauen auch. Während es aufwärtsgeht, plaudere ich mit Josephine von meinem Grüppli über die Bahn, die nächstes Jahr die jetzige ersetzen soll. Das neue Modell wird, sagen die Betreiber, mit einer Steigung von bis zu 110 Prozent die steilste Standseilbahn der Welt sein.

Ausgesetzt ist hier gar nichts

Stoos, das Schwyzer Feriendorf auf 1300 Metern: immer gut für einen Ausflug. Wir starten, halten unserem ersten Ziel zu, dem Wannentritt. Warme Luft umschmeichelt uns, zur Linken haben wir den Grossen Mythen, zur Rechten ganz nah den Klingenstock, den wir quasi umrunden wollen. Bis Geissbützen sind zwei Routen möglich, wir nehmen die untere.

Beim Laubgarten ein Aussichtspunkt, wir setzen uns, trinken, schauen. Bald danach der Wannentritt. Meist sind Punkte, die Tritt heissen, Halsbrecherpassagen. Dieser Tritt ist nett. Auf der Südseite meistern breite, per Holzzaun gesicherte Kehren den kurzen Steilabschnitt. Gute Nachricht an alle Schwindelgeplagten: Ausgesetzt ist hier gar nichts. Eine neue Bergkette, die mit dem Kaiserstock, wird uns an dieser Stelle zuteil. Und ein neues Tal, das von Riemenstalden.

Wenig später eine Überraschung. Bei der Höchi wird gewirtet von der Familie, die die Alp Goldplangg bebauert. Wir setzen uns, Kaffeehalt. Josephine hat Knieweh, sie hinkt, als wir weiterwandern. Mal auf Kies, mal auf Gras, mal durch den Wald geht es hinab nach Riemenstalden. Links am Weg präsentieren sich Kalkschratten, die länglichen Rillen wirken, als habe ein Riese sie mit einem Messer eingeschnitten.

Vor der Talstation der Lidernen-Seilbahn eine gewaltige Menge Autos, ich werde schon wieder hässig. Nur zwei öffentliche Buskurse pro Tag, beide reservationspflichtig, erschliessen das Tal und die Talstation der Bahn, einer morgens, einer am Nachmittag. Das ist jämmerlich. Warum schaffen es die hier nicht, einen anständigen öffentlichen Zubringer auf die Beine zu stellen, haben die lieber Autogekarre von früh bis spät?

Fulminantes Schlussbouquet

Immerhin, Josephine profitiert, sie macht Autostopp. Wir anderen wandern weiter talauswärts und kommen ins Dörflein von Riemenstalden. Eine tolle Beiz haben die! Das Restaurant Kaiserstock ist weitum bekannt für eine feine Küche. Wir finden, halleluja, Platz, zwar nicht draussen, aber immerhin drinnen.

Mit glücklichem Bauch laufen wir auf der Strasse abwärts, verfluchen jeden Offroader einzeln, folgen später dem Riemenstaldner Bach, erreichen Rietberg, sind plötzlich im Kanton Uri. Der beschert uns zum Schluss einen fulminant schmalen und abschüssigen Tobelsteig. Unten in Sisikon sind wir alle geschafft und verschwitzt, die einen gehen zum See, um sich abzukühlen, die anderen setzen auf die Biermethode.

Ich wähle die Gartenbeiz und muss wieder an die zwei Frauen vom Morgen denken: Wo die wohl durch sind?

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Route: Stoos, Bergstation – Nühusweidli – Rinderchruteren – Laubgarten – Wannentritt – Höchi – Stafel – Chäppeliberg – Riemenstalden, Kirche – Riedberg – Sisikon, Bahnhof.

Wanderzeit: 5 Stunden.

Höhendifferenz: 415 Meter auf-, 1240 abwärts.

Wanderkarte: 246 T Klausenpass, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Kürzer: Es gibt einen einzigen, reservationspflichtigen Nachmittags-Buskurs von Riemenstalden, Chäppeliberg nach Sisikon. Die Wanderung wird, wenn man den Bus nimmt, zwei Stunden kürzer.

Charakter: Berge rundum. Die Strapaze aufwärts hält sich in Grenzen. Abwechslungsreich. Grandiose Route!

Höhepunkte: Die Bergfahrt von «Schwyz, Stoosbahn» (so der Fahrplanname der Talstation an der Buslinie Schwyz, Bahnhof–Muotathal) auf den Stoos. Das schöne Stoos-Plateau mit den Mythen zur Linken. Der wegtechnisch perfekt gemeisterte Wannentritt. Die Einkehr auf der Höchi. Das kleine, aber feine Dörfli von Riemenstalden. Die Abenteuerpassage nach Riedberg.

Kinder: Vor allem nach Riedberg muss man sie beaufsichtigen. Steile Abwärtspassage im Wald.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Stoos. Höchi, Alp Goldplangg, Öffnungszeiten je nach Witterung. Restaurant Kaiserstock in Riemenstalden, sehr gute, weitum bekannte Küche, Ruhetage Mo, Di. Sisikon.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Beitrag Gesprächstherapie an der Bahnkasse erschien zuerst auf Outdoor.


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