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Channel: Thomas Widmer – Outdoor
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E Potzio Pomfrid ond en blätsch Schoof

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Diese Woche zum Forstseeli (AI).

Das Forstseeli scheint sich vor dem Tourismus zu verstecken, der im Talkessel von Appenzell und im Alpstein überhand nehmen will. Es duckt sich in den Wald unterhalb des Fänerenspitzes auf dessen Rheintaler Seite, hält sich still, wahrt den Abstand zu Menschenströmen und riesigen Autoparkplätzen. Nur knapp zählt das Forstseeli überhaupt zum Appenzellerland, der Hang unterhalb ist schon St. Gallen.

Nun ist die perfekte Forstseeli-Zeit gekommen, der Herbst dient dem Rätsel des Gewässers zu. Wir starteten bei Steinegg, einer Bahnhaltestelle zwischen Appenzell und Wasserauen. Der Weg führte, in Gehrichtung gesprochen, rechterhand des Pöppelbaches aufwärts, und natürlich gefiel uns dieser Name, den wir nicht verstanden. Pöppel?

Unbewirtet in den Wald hinein

Dann das «Eggli». Es hatte zu, Dienstag Ruhetag. Schade. Man muss im «Eggli» einkehren, nur schon wegen der Aussicht Richtung Säntis. Das satte grüne Bauernhügelland liegt dem Gast auf dieser Geländeterrasse zu Füssen, als sei er ein König; dahinter erhebt sich grauweiss das Kalkgebirge. Lustig klingen die Speisekarte und die Homepage der Wirtschaft, zu der blökendes, grunzendes und gackerndes Getier gehört. Alles ist in Innerrhödlerisch gehalten. Die Rede ist vom «Flääsch vo de äägne Hochlandrendli» oder auch von einer «Potzio Pomfrid», und draussen weidet auf der Wiese «en blätsch Schoof». Verstanden? Das feixende Lesen, Mutmassen und Übersetzen ist Teil des «Eggli»-Vergnügens wie das gute Essen.

Wir aber mussten unbewirtet von dannen ziehen. Schmollend gingen wir weiter, hatten nun direkt vor uns den Fänerenspitz, den der Wanderweg auf der Linken weit unterhalb des Gipfels umrundet. Und dann ging es irgendwann abwärts und in den Wald. Steil war dieses Stück und feucht; jetzt im Herbst sind Stöcke nützlich. Und natürlich tun gute Schuhe not.

Das «verträumte» Waldseeli

Zum Forstseeli passt kein Adjektiv besser als «verträumt». Es ist von Nadelbäumen dicht umstanden, schützt sich mit Schilf vor Gummibooten und menschlichen Flossenfüsslern ziemlich wirksam; es ist überhaupt nur an wenigen Orten zugänglich. Bei der Schutzhütte, in der auch Holz bereit lag, war eine Familie am Grillen. Wir setzten uns auf eine Bank, schauten, genossen das Summen der Libellen, die als Kleinhelikopter des Tierreiches in den Lichtfäden über dem Wasser schwebten.

Endlich der Wiederaufstieg in die Sonne. Wir strebten dem Resspass zu. «Pass» klingt nach harter Bergwanderung, doch in 20 Minuten waren wir oben auf dem Sättelchen. Wir sahen nun wieder den berühmten Teil des Appenzellerlandes. Schön das Auswandern hinab nach Brülisau; zuerst marschierten wir kurz auf Asphalt, dann lange auf Gras, schliesslich auf Waldboden durch ein kleines Tobel. A propos Asphalt: Geschätzt ein Sechstel der Unternehmung, schätze ich, verlief auf Hartbelag.

Unten in Brülisau trafen wir wieder auf den grossen Fremdenverkehr. Menschenscharen entquollen gerade der Gondel, die vom Hohen Kasten herab angeschwebt war. Die Sicht vom «Chaschte», wie die Einheimischen sagen, zum Alpstein und den Bergen Österreichs, Liechtensteins und Graubündens ist grandios. Wir freilich hatten an unserem Tag etwas anderes gesehen: einen kleinen, feinen Waldsee, der uns irgendwie an Schweden erinnerte.

***

Route: Steinegg (Haltestelle der Appenzeller Bahnen zwischen Appenzell und Wasserauen) - Befig - Eggli - Heieren - Forstseeli - Resspass - Chluserenweidli - Brülisau.

Gehzeit: 3 1/2 Stunden.

Höhendifferenz: 650 Meter auf-, 520 abwärts.

Wanderkarte: 227 T «Appenzell», 1: 50'000.

Charakter: Leicht. Bloss vor dem Forstseeli ist der Abstieg im Waldhang etwas rutschig, Stöcke helfen. Schöne Sicht vom Egglihang Richtung Alpstein. Verträumte Stimmung am Forstseeli, einem idealen Grillort.

Höhepunkte: Die Einkehr im «Eggli». Das stille Forstseeli. Der Wiederanblick des Alpsteins beim Resspass.

Kinder: eine klassische Familienwanderung.

Hund: keine Probleme.

Einkehr: «Eggli», Di geschlossen; ab November auch am Mo geschlossen. www. eggli-appenzell.ch. Am Schluss in Brülisau kann man auch einkehren.

Passender Buchtipp (Neuerscheinung): Heinz Storrer, «Stille Orte der Schweiz. Malerische Seen, verwunschene Landschaften» (Band 2). Werd Verlag. 69 Franken.

Heimreise: Bis und mit 3. November fährt ein Bus nach Fahrplan von Brülisau hinab zum Weissbad (Bahn). Nachher verkehrt der Publicar, den man 24 Stunden vorher reservieren muss.
http://www.postauto.ch/pag-startseite/pag-taeglich-unterwegs/pag-fahrplan-und-linienverkehr/pag-publicar-angebot/pag-publicar-appenzell.htm

Alternative: In 40 Minuten von Brülisau auf einem schönen Weg dem Brüelbach entlang hinab nach Weissbad laufen.

Wanderblog: widmerwandertweiter.blogspot.com


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