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Channel: Thomas Widmer – Outdoor
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Abenteuerrestaurant am Kanal

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Diese Woche von Meikirch nach Aarberg und Hagneck (BE).

Als ich vom Bahnhof Bern den Bus nach Meikirch nahm, fuhr ich in die Vergangenheit: Während meiner Studienjahre in Bern gab es einmal eine wilde Party in jenem Dorf. Wo genau sie stieg und wer sie einberief – das ist mir allerdings entschwunden. Bei der Käserei stieg ich aus und stellte fest, dass die Erinnerung auch vor Ort nicht auferstand. So war ich der Gegenwart ausgeliefert. Die war schön. Ich zog los Richtung Aarberg, war schnell in den Wiesen oberhalb des Dorfes, sah am Horizont den Alpenkranz.

Chasseral und Weissenstein als Augenschmaus

Im Wald eine Verzweigung, ich entschied mich für den Umweg via das Dorf Frienisberg. So hiess auch der Forst, den ich durchquerte. Auf den Holzstufen im Chieligraben musste ich aufpassen, nicht auszurutschen. Der Austritt aus dem Forst bescherte mir eine Überraschung: Chasseral und Weissenstein als Augenschmaus. Hernach erreichte ich bald Frienisberg. Es besteht zum Gutteil aus einem Wohn- und Pflegheim mit Aussenhäusern. Im Zentrum steht die einstige Zisterzienserabtei. Zu ihr gehören ein Teich mit Entchen, eine Kirche und ein dekorativ umflorter Kreuzgang.

Asphalt bis zum Baggwilgraben. Dann wieder Grün. Vor Lobsigen erblickte ich aus der Höhe das Lobsigenseelein. Ich kniff die Augen zu und versuchte mir dessen prähistorische Pfahlbauten vorzustellen. Es wollte mir nicht recht gelingen.

Unten in Lobsigen rannte ein Reh an mir vorbei; das war surreal. Eine dem Städtchen Aarberg vorgelagerte Fabrik faszinierte mich im Folgenden. Traktor um Traktor fuhr aufs Areal, die Ladewagen randvoll mit Zuckerrüben. Unglaublich, dass die zyklopische Rumpel- und Fauchanlage purer weisser Zucker gebiert.

Das mittelalterliche Aarberg und sein Marktplatz gefielen mir. Auf Facebook hatte ich mich zuvor erkundigt, wo man in Aarberg gut esse. Die «Krone» nannten die einen, das «Commerce» die anderen. Ich wählte das «Commerce», einfach so. Das Lokal fand ich etwas beengend, das Essen hervorragend: Rindsfilet mit Pommes Allumettes und Gemüse und ein Marronimousse.

Aus malariösem Sumpf entstand eine Gemüseebene

Vollen Bauches verliess ich das Städtchen auf der Holzbrücke über die alte Aare. Was für ein elendes Rinnsal! Den Grund sah ich anschliessend: den Hagneckkanal, zwischen 1875 und 1878 gebaut. Er ist Teil der Gewässerkorrektur, die die drei Seen der Gegend und ihr Zusammenspiel mit den Flüssen einigermassen harmonisierte. Wo ein malariöser Sumpf gelegen hatte, entstand eine Gemüseebene.

Der Hagneckkanal ist sozusagen ein Katheter, der einen Grossteil des Aarewassers dem Bielersee zuführt. Die nächsten acht Kilometer ging ich mal auf einem Kiesweg, mal auf dem Damm, mal nah am Wasser. Irritiert war ich über die vielen Bagger und die gewalzte Erdpiste gegen Wanderschluss. Ein Artikel des «Beobachter Natur», den ich rastend las, machte alles klar. 2005 entdeckte man Risse in den Kanaldämmen, jetzt wird für 40 Millionen Franken saniert.

Knapp vor der Einmündung des Kanals in den See kam ich zu einer Brücke. Rechts lag die Bahnstation von Hagneck. Links das Restaurant Brücke. Ich entschied mich für die Einkehr - nur schon, weil das Restaurant in dem erwähnten Artikel vorkam. Es liegt direkt am Kanal, wo die Bagger Material abtragen; seine Stabilität muss regelmässig kontrolliert werden. Ein kleines Gastroabenteuer beschloss also die Wanderung.

***

Route: Meikirch, Käserei (Bus ab Bahnhof Bern) – Chieligraben – Abzweiger Saurenhorn – Frienisberg – Baggwilgraben – Lobsigen – Grafenmoos – Aarberg Bahnhof – Aarberg, Städtchen – Hagneckkanal – Hagneck, Brücke – Hagneck, Station (Zug nach Biel).

Gehzeit: 4 3/4 Stunden.

Höhendifferenz: 210 Meter auf-, 410 abwärts.

Wanderkarte: 233 T «Solothurn» und 232 T «Vallon de St-Imier», 1: 50'000.

Kürzer: Nur bis Aarberg wandern. 3 Stunden. 210 Meter auf-, 410 abwärts.

Charakter: Allerhöchstens mittelstrenge Wanderung. 30 Minuten auf Asphalt. Schöne Abwechslung zwischen Waldstücken und Passagen mit Fernblick samt der Jurakette am Horizont.

Höhepunkte: Der Austritt aus dem Frienisbergwald mit dem Chasseral und dem Weissenstein am Horizont. Das zum Pflegheim umgewandelte Zisterzienserkloster Frienisberg, das sein Charisma behalten hat. Das Lobsigenseeli von der Anhöhe über Lobsigen. Das alte Städtchen Aarberg. Das Technikwunder Hagneckkanal.

Kinder: keine Probleme.

Hund: keine Probleme.

Einkehr: «Hirschen» Frienisberg, täglich offen, http://hirschen-frienisberg.ch/de. Viele Möglichkeiten in Aarberg. «Brücke» Hagneck, Mo/Di Ruhetag, www.gasthof-bruecke.ch

Wanderblog: widmerwandertweiter.blogspot.com


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