Diese Woche eine Rundtour von Semsales auf den Niremont (FR)
Semsales, das ist ein kleines Dorf im Südteil des Kantons Freiburg. Sein Wahrzeichen ist der von der alten Kirche übriggebliebene, isoliert stehende Glockenturm. An einigen Hausfassaden hängen gemalte Alpaufzüge im naiven Stil.
Ich zog gleich los, nachdem die Anreise per Zug via Freiburg und Bulle doch gedauert hatte. Mein Ziel war der Niremont, ein mit 1514 Metern eher unhoher Berg, der schon lange auf meiner Wunschliste stand. Der Himmel war hell, die Sonne schien, doch war es für die Jahreszeit kühl, ich steigerte daher ein wenig das Tempo. Am oberen Ortsrand ein Verzweiger, zwei Wege auf den Berg standen zur Wahl. Ich nahm den rechten. Auf dem linken würde ich ein paar Stunden später glücklich und um viele Kalorien reicher wieder Semsales zustreben.
Die versteckte Kirche
Auf Asphalt, Kies, Schotter, Gras gewann ich Höhe, das war nicht besonders mühevoll. Die Kapelle von Notre Dame de Niremont war auf meiner Karte verzeichnet; als ich den gleichnamigen Wegweiserpunkt erreichte, sah ich sie aber nicht. Ich folgte dem Holzschnitzelweg linkerhand ins Gehölz – voilà, da war sie, grossartig gelegen auf ihrer Geländeterrasse. Ich setzte mich im Freien auf eine Bank, trank Mineralwasser, ass eine Banane, schaute ins wohlgeordnete Land.
Etwas später hatte ich den Niremont vor mir, einen langgezogenen Rücken. Und wieder etwas später stand ich bereits beim Gipfelkreuz. Respektive: Ich setzte mich, denn da waren freundlicherweise zwei Bänklein. Eine gute Sache: Noch eine Banane essen, noch mehr Wasser trinken und vor allem – noch mehr schauen. Der Niremont ist gleichzeitig eine harmlose Flysch-Erhebung und ein grandioser Balkon mit Sicht auf Bergklötze wie Teysachaux und Moléson; beide hatte ich direkt vor Augen.
Ich begann im Wind zu frösteln, erhob mich, ging weiter. Der Weg führte hinab zum Alpgebäude im nahen Sattel und durch eine morastige Senke. Und bald wurde mir eine äusserst angenehme Überraschung zuteil: La Goille au Cerf. Zu Deutsch heisst das «Hirschtränke», fand ich später in einem Onlinewörterbuch der Westschweizer Patois-Varianten. Es roch nach Rauch, die Alpwirtschaft war offen. Ich stieg die kurze Treppe hinauf, trat ein.
Weisswein von den Wallisern
Ein rustikales Lokal. Zwei Frauen rüsteten gewaltige Mengen Gemüse und Kartoffeln, ich setzte mich und beschloss, mich im Kanton Freiburg wie ein Freiburger zu benehmen. Ich orderte also ein Fondue Moitié-Moitié. Als es kam, war es essbares Glück: cremig und wärmespendend und magenbetörend, das Weissbrot am Feuer gewärmt und geröstet. Ein Glas Weisswein hatte ich auch, denn da waren am Nebentisch vier Männer, die mich einluden.
Eine gute Sache, diese Hirschtränke. Als ich wieder ins Freie trat, fühlte sich mein Bauch behaglich voll an. Den Weisswein spürte ich auch, denn die Herren Einlader hatten fleissig nachgeschenkt; es waren Walliser, übrigens. Ich ging vorsichtig im Abstieg nach Semsales, der stellenweise steil war. Und als ich wieder im Dorf war, diagnostizierte ich bei einem Kaffee an mir einen Zustand der totalen Zufriedenheit. Ich hoffe, dass ihn die Nachwanderer dieser Kolumne ebenfalls erreichen werden. Vielleicht lohnt es sich, auf einen ähnlich kühlen, also bisigen oder regnerischen Tag zu setzen. Auf einen Fondue-Tag.
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Route: Semsales Station - Notre Dame de Niremont (Kirchlein) - Les Prévondes - Niremont - Goille au Cerf (Alpwirtschaft) - Semsales Station.
Wanderzeit: 3 3/4 Stunden.
Höhendifferenz: Je 656 Meter auf- und abwärts.
Wanderkarte: 262 T Rochers de Naye, 1: 50'000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Anreise: Semsales liegt an der Bahnlinie Bulle–Châtel-St-Denis.
Charakter: Technisch einfache Wanderung mittlerer Anstrengung. Gute Wege. Viel Aussicht vom Niremont.
Höhepunkte: Das herzige Dorf Semsales. Der flache, weiche Rücken des Niremont. Der Rundblick vom Gipfel auf Berge wie Moléson und Teysachaux.
Kinder: Keine Probleme.
Hund: Keine Probleme.
Einkehr: Goille au Cerf, sehr schöne Alpwirtschaft. Bis 1. Oktober geöffnet. Ruhetag Montag.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.