Diese Woche von Niederrickenbach aufs Buochserhorn und hinab nach Buochs NW
Unterhalb des Buochserhorns war ich kürzlich sehr stolz. Als ausgewiesener Nichtbotaniker konnte ich die Bergflockenblume zweifelsfrei benennen. Ein paar Wochen zuvor hatte ich für sieben Franken den «Alpenblumen-Finder» auf mein iPhone heruntergeladen. Ein gutes Dutzend Blüemli und Pflänzli habe ich mir seither dank der Schweizer App angeeignet. Ich kenne jetzt den Zottigen Klappertopf. Den Schlangen-Knöterich. Den Gold-Pippau. Und den Blauen Eisenhut, Mitteleuropas giftigste Pflanze – nicht anrühren, die Hand wird sonst taub!
So mischen sich in der Natur Schönheit und Schrecken. Das gilt auch fürs Buochserhorn, 1807 Meter über Meer. Abrupte Grate und bösartige Flühe gehören zu ihm, doch kann man es auch gefahrlos und schwindelfrei über Wiesenhalden erreichen. Kürzlich erstieg ich den Berg, der lange auf meiner Wunschliste gestanden hatte.
Vom Ahornbaum zum Hochaltar
Der Tag würde heiss werden. Ich ging um 5.10 Uhr aus dem Haus, fuhr nach Luzern, stieg um auf den Zug nach Engelberg, wechselte in Niederrickenbach Station auf die Seilbahn. Sie füllte sich schnell, wir standen gedrängt, als sie losfuhr, tief unten sah ich Tobel, Felsen, einen Wildbach.
Niederrickenbach, im Volksmund «Maria-Rickenbach», ist ein Klosterdörfchen auf knapp 1200 Metern. Seit anderthalb Jahrhunderten gibt es hier Benediktinerinnen, sie beten, weben, unterhalten einen Kräutergarten und betreiben einen Laden. Der Hochaltar der Kirche steht, wo einst ein Ahornbaum eine Marienstatue beherbergte.
Ich zog los, querte den Bleikigraben, erreichte die Bleiki, kam zum Bleikigrat, einem Sattel; gut eine Stunde dauerte das und war ziemlich anstrengend. Tief unten erblickte ich den Vierwaldstättersee. Das Horn hatte ich direkt vor mir, fand alsbald die halbe Stunde des Schlussaufstiegs noch viel anstrengender und war dankbar für die frühmorgendliche Kühle.
Oben im umzäunten Geviert beim Signal sammelten sich die ersten Wanderer, dazu ein paar Biker. Die Würde des Berges machte alle still, wir schauten und schauten und schauten und konnten das Panorama samt Dutzenden berühmten Gipfeln wie Titlis, Mythen, Uri Rotstock nicht fassen. Man muss dieses Buochserhorn gemacht haben!
Endlich stieg ich ab, der Hitze entgegen. Über die Ochsenweid kam ich zum Arhölzli. An der Hausfassade waren Ereignisse aus der Alpgeschichte mit weisser Farbe oder Kreide handschriftlich notiert: «11. Juli 1993, ganze Alp überjagt mit Schnee.» Kurz sprach ich mit dem Bauern, der mir die Hand gab. «Heute wird es grausam heiss», sagte ich. «Ja, ja», sagte er, «jetzt ist Sommer.»
Heiss wie im Pizzaofen
Ich musste mich entscheiden: retour zur Seilbahn oder – eine Stunde länger – zu Fuss hinab nach Buochs. Ich entschied mich für Variante zwei. Herrlich fand ich einige Zeit später die Alpställe bei der Ligg und gleich danach einen unglaublich steilen Stufenpfad im Wald. Herrlich die Einsamkeit im Wald bis weit hinab. Und herrlich der Vierwaldstättersee, der so tiefblau war, als hätte ihn ein überkandidelter Maler nachkoloriert.
Schliesslich war ich unten. Auf dem Postplatz Buochs sengte die Luft wie in einem Pizzaofen. Im Spar holte ich eine Glace und hätte sie mir am liebsten ins Gesicht geschmiert. Sehnsüchtig blickte ich auf das Buochserhorn über mir und nahm mir vor, das nächste Mal länger oben zu verweilen und vielleicht die eine oder andere Blume mehr kennen zu lernen.
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Route: Niederrickenbach, Seilbahn-Bergstation (von Luzern mit der Engelbergbahn bis Niederrickenbach Station, Halt auf Verlangen, und in vier Gehminuten zur Talstation der Seilbahn) - Bleikigraben - Bleiki - Bleikigrat - Buochserhorn - Ober Ochsenweid - Unter Ochsenweid - Arhölzli - Ligg - Gross Lauwigraben - Buggenried - Buochs Post.
Wanderzeit: 4½ Stunden.
Höhendifferenz: 650 Meter aufwärts, 1365 Meter abwärts.
Wanderkarte: 245 T Stans, 1:50'000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Von Buochs mit dem Bus zum Bahnhof Stans.
Kürzere Variante/Rundtour: Aufs Buochserhorn und hinab zum Arhölzli wie oben. Von dort via Ober und Unter Müllerboden wieder zur Bergstation der Niederrickenbach-Seilbahn. 3½ Stunden. Je 680 Meter auf- und abwärts. GPX-Datei hier.
Charakter: Grossartige Bergwanderung mit 360-Grad-Panorama, Bergblumen sonder Zahl und einem komfortablen Gipfel zum Geniessen. Wo der Weg hart an der Kante verläuft, können Leute mit Höhenangst gut ein paar Meter ins Sichere ausweichen.
Höhepunkte: Die Seilbahnfahrt nach Niederrickenbach über einem wilden Tobel. Der Blick auf die Musenalp, die zuerst viel höher, dann aber tiefer liegt. Der Rundblick vom Horn, die Schönheit des irre verzweigten Vierwaldstättersees tief unten. Der schmale Bergpfad bei der Ligg.
Alpenblumen-Finder: Sehr schön gestaltete App fürs iPhone von der Schweizerin Renata Caviglia. Alpenblumen im Porträt mit schönen Fotos (3 bis 4 pro Blume), Suchfunktion und Quiz zum Lernen.
Kinder: Gut machbar. Der Weg ist an sich gefahrlos, führt aber zeitweilig am Grat entlang!
Hund: Gut machbar.
Einkehr: Bloss am Anfang im Pilgerhaus Niederrickenbach gleich bei der Seilbahn-Bergstation. Montag Ruhetag.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.