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Ein Kamel, ein Storch und ein Stubenküken

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Diese Woche aus dem Laufental via Flüh nach Basel (BL/SO/BS)

Wir fuhren mit dem Zug ins Laufental, stiegen in Zwingen aus, das Wetter war mild. Der Bahnhof lag etwas abseits, wir hielten in den Ort hinein, musterten das Schloss und querten die Birs. So begann der Wandertag.

Eine erste Steilstufe auf das Plateau über Zwingen durch den zaghaft ergrünenden Wald; das Braun alten Laubes dominierte noch. Bald erreichten wir das Dorf Blauen. Dahinter die zweite Herausforderung des Tages, wesentlich härter als die erste: der Ost-West-Riegel des Höhenzuges Blauen.

Dessertekstase

Auf dem Blauenpass waren wir ausser Atem. Ein schmaler Weg führte nun wieder talwärts, der Kalkstein war von der Morgenfeuchte glitschig. Als wir aus dem Wald kamen, hatten wir vor uns das Ausflugsrestaurant Bergmatten. Es bietet eine grosse Aussicht, weit hinten zeigte sich Basel. Vor allem sein neuer Roche-Turm. Der 178-Meter-Zacken bindet den Blick, sodass man für den Rest der Stadt keine Augen hat.

In der Nähe weidete ein Pferd. Und daneben ein ausgewachsenes Kamel. Schmuddelig und sehr zufrieden sah es aus, es hatte sich eben im Dreck gewälzt. Der Wirt der Bergmatten, den wir auf das Tier ansprachen, erklärte uns, dass man hier oben schon seit 20 Jahren Kamele halte, eine Mutter und ihr Junges seien es momentan. Und nein, frieren würden die Tiere im Winter nicht. Dies seien mongolische Kamele, sie seien Kälte gewohnt.

Gleich danach eine neue Überraschung, der Chälengraben: Ein liebevoll durch Treppenstufen, Geländer, Stege gebändigter Geländeschlitz. Bei einer Feuerstelle unter überhängender Wand sass ein junger Typ, neben sich eine Drohne mit montierter Kamera. Er erklärte uns das Ding, sagte, er habe fotografiert, jetzt sei der Akku leer. In der Freizeit pilotiere er Helikopter. Richtige, grosse.

Rasch querten wir Hofstetten, stiegen hernach schon wieder auf, zum Chöpfli diesmal. Vom vordersten, ungesicherten Teil der Kalkfluh, markiert durch ein grosses Kreuz, sahen wir direkt hinab auf Flüh, freuten uns auf unser Mittagessen im Restaurant Martin. Auf dem Felszacken vis-à-vis eine Ruine wie ein alter, brüchiger Weisheitszahn: die Festung Landskron, die bereits auf französischem Gebiet steht.

Im Martin fühlten wir uns wohl und assen hervorragend: Ich hatte ein sagenhaft zartes Stubenküken und geriet vollends in Ekstase über die Friandises, die Süssigkeiten zum Kaffee. Da war ein Gelee-Ding, Passionsfrucht, wunderbar frisch. Der Chef kam aus der Küche, freute sich über meine Freude und spendiert gleich ein paar mehr von den Wahnsinnswürfeln.

Die Royals sind easy

Wir kamen ins Gespräch mit Manfred Möller und seiner Frau Claudia. Er erzählte vom renommierten Walserhof in Klosters, wo er einst kochte, und von den englischen Royals, die einfache und angenehme Gäste seien. Und wir erfuhren, dass Möller auch ein paar Jahre im luxuriösen Direktionsrestaurant der Novartis gekocht hatte.

Wir zogen weiter, die Möllers winkten von der Tür aus zum Abschied. Via Bättwil eroberten wir uns die Egg, einen langgezogenen Kamm, die Promenade und Joggingstrecke der Leute aus den Dörfern rundum. Die Wanderung wurde nun noch einmal richtig einsam. Hart an der Landesgrenze hielten wir vorwärts durch Wald und Wiesen, extraschnell, um Kalorien zu verbrennen. Die letzte Begegnung, bevor wir im Bahnhof Basel einliefen: ein Storchennest am Rand des Zoos Basel. Und darin ein Storch, der uns flügellos durchs Leben füsselnde Menschlein indigniert musterte.

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Route: Zwingen, Bahnhof - Zwingen, Birsbrücke - Blauen (Dorf) - Blauenpass - Bergmatten - Chälengraben - Hofstetten - Chöpfli - Flüh - Bättwil - Egg - Benken - Biel - Oberchems - Hof - Herzogenmatten - Dorenbach - Zoo Basel - Basel SBB.

Wanderzeit: 6 Stunden.

Höhendifferenz: 690 Meter auf-, 760 abwärts.

Wanderkarte: 223 T Delémont (für die ersten 500 Meter) und 213 T Basel, 1:50'000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Kürzer: Dank der Dörfer am Weg kann man die Wanderung beliebig kürzen.

Charakter: Aparter Jura hart an der Landesgrenze. Viel Aussicht von den Höhen auf die Stadt Basel, die Festung Landskron, das Sundgau.

Höhepunkte: Das Kamel von der Bergmatten und gleich anschliessend der Chälengraben. Die Aussicht und der jähe Tiefblick vom Chöpfli über Flüh und etwas später der Zmittag im Restaurant Martin in Flüh.

Kinder: Auf dem Chöpfli muss man auf Kinder aufpassen, der Aussichtspunkt ist nicht gesichert.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Bergmatten, Mo, Di geschlossen. Restaurant Martin in Flüh, So, Mo geschlossen. Reservierung an beiden Orten empfohlen!

Rückkehr zum Ausgangspunkt: Mit dem Zug von Basel direkt nach Zwingen.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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