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Channel: Thomas Widmer – Outdoor
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Hoch über der Schlucht

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Diese Woche von Vallorbe die Orbe hinab nach Orbe (VD)

Wir fahren früh los, um acht gibt es einen Direktbus von Yverdon nach Vallorbe. Unser Zug kommt, leicht verspätet, um zwei vor acht in Yverdon an. Die Busperrons vor dem Bahnhof wimmeln von Schülern, wir müssen uns durchwühlen, knapp schaffen wir es auf den Bus, uff!

Vallorbe ist charmant verschlafen. Vom Bahnhof ziehen wir hinab ins Dorf und treffen auf die verschlickte Orbe, den Hauptfluss der Gegend. Beim Eisen- und Eisenbahnmuseum gefällt uns eine Serie nostalgisierender Wasserräder. Als wir aus dem Ort sind, sehen wir weit vorn eine Bahnbrücke; der Viaduc du Day ist aus Stein und ersetzte 1870 als Teil der stolzen Linie Lausanne–Vallorbe–Paris ein Metallmodell, das schwerere Loks nicht tragen konnte.

Der Fischer klönt

Nach dem Viadukt – den wir nicht überqueren! – steigen wir ab in die rutschige Welt der Orbe. Nach dem Stauwerk wird die Sache kurz abenteuerlich: steile Stufen, ein schmales Weglein, riesige Felsbrocken und hohe Flühe, Steinschlaggefahr. Zur Rechten hat der Fluss Schwemmholz angehäuft, weiter unten stürzt er über eine Rampe, den Saut du Day.

Später wandern wir geradeaus an einem Kanal, den scherzeshalber ein Strassenschild als Rue des Pêcheurs bezeichnet, «Strasse der Fischer». Beim Steg der Usine de l’Ile treffe ich einen solchen Fischer. Er klönt: Man zahle dem Staat Pacht fürs Fischen, was ungerecht sei, da man extrem viel Gratisarbeit für den Unterhalt der Wege und Anlagen leiste. Ich nicke teilnehmend und gehe weiter.

Gleich nach dem Steg eine Überraschung. Ein Schild warnt vor Einsturzgefahr, gemeint sind wohl die Befestigungen des folgenden Wegabschnittes. Wanderer müssen eine Umleitung nehmen, die auf einer Karte sauber erklärt ist. Anstrengend geht es im Hang aufwärts, parallel zum Uferweg vorwärts, wieder abwärts zum angestammten Weg.

Vor Les Clées gefallen uns die Eisengeländer und kleinen Tunnel. Dann das Örtchen. Winziger kann ein Dorf gar nicht sein, es hat 162 Einwohner. Von einer grossen Vergangenheit kündet der Bergfried auf der Kuppe. Wir kehren ein im Restaurant de la Croix Blanche, werden nett empfangen, ärgern uns, dass wir so früh dran sind: Die Essenskarte sieht toll aus. Man wird wiederkommen müssen.

Die zweite Hälfte der Wanderung beginnt öd mit einem Forststrässchen. Anschliessend aber laufen wir auf einem Hangweg hoch über der Orbe-Schlucht. Der Fluss ist uns entrückt und strömt in einem schummrigen Schlitz, ab und zu erhaschen wir ein Stück von ihm. Grossartig die Wegführung mit gesicherten Stücken, schwindelerregend ist das nicht, aber atemberaubend.

Wo sind die Höhlen?

Das viereckige Staubecken von Montcherand kommt in Sicht. Einen Wegweiser zu den nahen Grotten zur Rechten, die auf der Karte eingezeichnet sind, entdecken wir nicht. Haben wir ihn übersehen? Kein Problem. Wir gehen zu der gesicherten Geländekante, ein Weglein führt etwas hinab zu einer Art unterer Terrasse, und wir finden zwei Höhlen. Die grosse ist mit Betonpfeilern befestigt wie eine Tiefgarage.

Entlang der Druckrohre des Staubeckens wandern wir vorwärts, langen bei einem Elektrizitätswerk an. Der Rest ist leicht, und nach gut viereinhalb Stunden sind wir in Orbe. Das Mittelalterstädtchen mit seiner Festung will erkundet sein, wir spazieren ausgiebig und sind uns wieder einmal einig: Wir Deutschschweizer müssen mehr in die Romandie. Gerade das Waadtland birgt enormen Reichtum; arm, wer es nicht kennt.

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Route: Vallorbe, Bahnhof – Vallorbe, Dorf – Bahnviadukt (wir bleiben auf der rechten Seite der Orbe, nehmen also nicht den Weg über den Viadukt) – Barrage du Day – Saut du Day – Usine de l’Ile – Umleitung höher im Hang – Chemin Neuf – Les Clées – Vieille Morte – Staubecken Montcherand – (Abstecher zu den Grotten, fünf Minuten hin und zurück) – Le Chalet – Orbe, Post und Bahnhof.

Wanderzeit: 4 3/4 Stunden.

Höhendifferenz: 312 Meter auf-, 648 abwärts.

Wanderkarte: 251 T La Sarraz, 1:50 000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Eine gute Herbstwanderung, freilich können Teile des Weges feucht und rutschig sein, gute Schuhe tun not, ein Stock hilft. Abwechslungsreich mit atemberaubenden Tiefblicken in die Schlucht der Orbe, anderswo kommt man dem Fluss ganz nah. Zum Schluss eine historische Stadt, die man erkunden muss.

Höhepunkte: Vallorbe, wo die Zeit so langsam fliesst wie die Orbe. Der Wasserfall Saut du Day. Die Ankunft im winzigen Dorf Les Clées. Die Passage danach hoch über der Orbeschlucht.

Sicherheit: An manchen Orten auf dem Wanderweg muss man mit Steinschlag rechnen.

Kinder: Gut machbar, aber man muss sie manchenorts beaufsichtigen.

Hund: Eine tolle Vier-Pfoten-Route.

Einkehr: In Vallorbe und Orbe. Sowie in der Mitte der Wanderung in Les Clées, Restaurant de la Croix Blanche. Besonders gemütliches Lokal, nette Leute. Mo Ruhetag. Reservieren! 024 441 91 71.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Beitrag Hoch über der Schlucht erschien zuerst auf Outdoor.


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