Diese Woche von Eglisau auf den Irchel und nach Dättlikon ZH
Man sagt, es gebe kein schlechtes Wetter, es gebe bloss schlechte Kleidung. Der Spruch fiel mir am Schluss unserer Irchel-Wanderung ein, als ich tropfnass war und Wasser in den Schuhen hatte – ich fragte mich, ob er nicht Blödsinn ist. Jedenfalls gibt es eine Art Regen, vor dem die beste und teuerste Outdoorware kapituliert.
Das war schon speziell. Wir fuhren nach Eglisau und zogen los, es regnete vorerst sanft. Durchaus ein guter Start also. Via den Ortsteil Tössriederen gingen wir Richtung Tössegg, mochten das Gelände und die Art, wie uns der Wanderweg hoch über dem Rhein führte, den wir zur Linken durch die Bäume und Büsche der steilen Uferhalde erblickten.
Die Wirtin hatte Mitleid
Die Tössegg: Ein beliebtes Ausflugsziel, sie ist der Ort, wo die Töss in den Rhein mündet, was man je nach Laune und Gemüt als Paarung oder Selbstaufgabe empfinden kann. Wir hielten uns nicht länger über die Frage auf, denn es regnete jetzt stark. Froh waren wir, dass das Gasthaus uns aufnahm. Eigentlich hatte es um diese Vormittagszeit knapp noch nicht offen, aber die Wirtin hatte wohl Mitleid – sehr nett.
Nach dem Kaffeehalt stiegen wir auf nach Teufen, das Dorf ist schmuck, Riegelbauten sind eine geniale Erfindung – aus ästhetischer Sicht. Und wir stiegen weiter auf zum Irchel. Über diesen Berg habe ich in den letzten Jahren sicher hundert Mal gedacht: typisch Jura. Bloss sieht der Irchel, dieser langgezogene Kamm, nur nach Jura aus. In Wahrheit ist er aus Molasse gebaut und also punkto Geologie Teil des Schweizer Mittellandes.
Steil der letzte Teil vor der Irchel-Hochwacht: Stufen, ein Geländer. Dann waren wir oben, traten an die Kante und sahen gar nichts ausser Nebel. Schwarz vor Nässe die Bänke und Tische, von den Bäumen plitschten fette Tropfen auf uns. Es war der Moment, die Erinnerungsmaschine einzuschalten. Ich war schon zwei Mal an diesem Punkt, die Sicht ist grandios: Erhaben steht man über dem Rhein, an dessen anderem Ufer das Schaffhauser Höhendorf Buchberg auch ein grosses Wanderziel wäre. Und in der Ferne zieht sich in Eglisau der Eisenbahnviadukt über den Fluss.
Eine majestätische Sache, dieser Irchel. Die alten Römer erkannten sein Potenzial als Sperrriegel, bauten eine Wachtstation und integrierten ihn in ihren rheinischen Limes-Abwehrriegel gegen die Germanen. Die Legionäre, die aus Rom nach Helvetien kamen, blieben in der Regel nach der Ausmusterung in der Gegend; sie pflanzten die aus dem Süden mitgebrachten Reben und stifteten so den Weinbau im Weinland.
Lechzend in der Beiz
So sinnierte ich, während meine Wanderschuhe durch den Waldmatsch pflotschten. Und nun bitte ich den Leser und die Leserin, mir zu glauben, dass ich allerbester Laune war. Eben, die Aussicht vom Irchel kannte ich bereits, so dass in mir nicht das Gefühl aufkam, ich würde etwas verpassen. Und vor allem aber war da kein Mensch, wir hatten an diesem kühlen Feuchttag den Berg ganz für uns allein und verspürten Besitzerstolz.
Der Weg führte uns alsbald über den Irchelrücken nach Südosten, die Luft im dichten Wald war feucht zum Greifen – Amazonasfeeling. Auf den kurzen Abstecher zum Aussichtsturm beim Heerenbänkli verzichteten wir: eben, keine Sicht. Einige Zeit später sassen wir unten in Dättlikon in der Traube an der Wärme, tranken Rotwein und blätterten lechzend durch die Speisekarte. Der Herbst ist eine grossartige Jahreszeit durch den Kontrast von Entbehrung und Genuss.
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Route: Eglisau Bahnhof – Tössriederen – Waldheim – Tössegg – Teufel – Irchel, Hochwacht – Buechemer Irchel – Lochhalden – Tal – Dättlikon.
Wanderzeit: 4 1/4 Stunden.
Höhendifferenz: 455 Meter auf-, 412 Meter abwärts.
Wanderkarte: 215 T Baden, 1:50 000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Buslinie Dättlikon–Winterthur
Charakter: Zuerst dominieren zwei Flüsse, der Rhein und die Töss. Dann geht es, nicht allzu streng, auf einen Berg. Bei Nässe rutschige Wege. Bei gutem Wetter grandiose Aussicht vom Irchel; in diesem Fall lohnt sich auch, bevor man nach Dättlikon absteigt, der kurze Abstecher zum Irchel-Turm beim Heerenbänkli über Buch.
Höhepunkte: Die Tössegg, wo die Töss in den Rhein strömt. Der Blick von der Irchel-Hochwacht (bei gutem Wetter) auf den Rhein und hinüber zum Buchberg. Ankunft und Einkehr in Dättlikon.
Kinder: Keine Probleme, einzig bei der Irchel-Hochwacht ist Vorsicht geboten.
Hund: Gute Hunderoute.
Einkehr: In Eglisau und Teufen. Restaurant Tössegg: 7 Tage offen. Traube in Dättlikon: Mo/Di Ruhetag. So durchgehend warme Küche.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
Der Beitrag Ein Berg ganz für uns allein erschien zuerst auf Outdoor.