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Channel: Thomas Widmer – Outdoor
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Im Grenzgebiet

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Diese Woche von Engen nach Aach (Baden-Württemberg)

Auch Wochen danach bin ich Christine dankbar für den Tipp und die Begleitung. Dank ihr kann ich heute mit einem Superlativ aufwarten. Der Aachtopf, Wanderziel dieser Kolumne, ist die stärkste Quelle Deutschlands. 24’000 Liter Wasser gibt der Topf in Spitzenmomenten pro Sekunde her.

Christine hatte ich im Sommer kennen gelernt, im Zürcher Weinland. Sie erzählte mir damals, dass sie in Diessenhofen wohne. Dass sie lange Jahre von Winterthur aus Wanderungen geleitet habe. Und dass der Hegau, das Land nördlich von Schaffhausen, eine tolle Wandergegend sei. Wir machten ab, dort mal zu wandern.

Vorbei am McDonald’s

Und dann ist es so weit. Wir starten in Engen; allerleichtestens gelangt man dorthin per Bahn ab Schaffhausen. Vor dem Bahnhof eine Überraschung, mitten in Baden-Württemberg ein Schweizer Wanderwegweiser. Er ist allerdings leicht modifiziert und zeigt statt der Gehzeiten Wegkilometer an. Aber die gelbe Farbe heimelt doch an. Aach ist ebenso aufgeführt wie unser Zwischenziel, der Petersfels.

Wir passieren das Bildungszentrum Engen. Und den McDonald’s. Eine Autobahnunterführung – danach wird es idyllisch. Wir gelangen in das enge, bachlose Brudertal. Zur Rechten zeigt sich als unterhöhlte Minifluh im Grashang der Petersfels, benannt nach einem pensionierten Postfunktionär, der ihn vor bald 100 Jahren erforschte. In der späten Eiszeit hauste in der Felshöhle Jägervolk. Es betrieb im Tal, das nur eine Öffnung hat, Treibjagd, indem es das Wild einkesselte. Heute ist um den uralten Lagerplatz der sogenannte Eiszeitpark eingerichtet. Ein Infoschild zeigt ein Tanzfest der Prähistorie, barbrüstige, mit roten Farbstreifen geschmückte junge Frauen tanzen im Kreis.

Wir kommen zu einem schilfumstandenen Flachweiher, halten hinter dem Schmiedsberg weiter nach Osten, steigen auf den Hügel Eggen. Am Punkt Homberg biegen wir ab nach Auderle, wählen dort die Variante Buchenbühl, steigen vom Buchenbühl auf zur Altstadt von Aach. Zu ihr sind drei Dinge zu sagen. Erstens ist sie winzig, Aach hat nur 2000 Einwohner, von denen ein Bruchteil im alten Kern lebt. Zweitens ist dieser Kern von Neubauten verschandelt. Und drittens kompensieren dies die herrliche Kirche, Teile der Stadtmauer, die Stadttore. Und vor allem die Terrasse, von der aus wir den halben Hegau mit seinen Vulkankegelchen sehen. Schade, ist es dunstig, der Alpenkranz ist nicht auszumachen.

Schoggi-Explosion

Wir verlassen die Altstadt und streben dem Kriegerdenkmal zu, das der Gefallenen zweier Weltkriege gedenkt. Zehn Minuten später langen wir beim Aachtopf an. Ein kleiner Steg überbrückt die Stelle, wo die Radolfzeller Aach entspringt. Im Untergrund machten wir dunkle Stellen aus, eine Art Kalkschlitze. Das im Aachtopf ans Licht kommende Wasser versickert 12 Kilometer entfernt im Boden, es handelt sich um Donauwasser.

Wir haben nun Hunger. Die Jägermühle, das anliegende Ausflugsrestaurant, entpuppt sich als Kuchenparadies, herrlich, so eine Zucker-Rahm-Schoggi-Explosion im Bauch. Zwanzig Meter entfernt nehmen wir einige Zeit später den Bus retour nach Engen. Dort besichtigen wir die Altstadt. Sie ist ein Bijou, das sich mit Schweizer Orten wie Sursee, Burgdorf, Orbe jederzeit messen kann, man muss sie gesehen haben. Bei dieser Wanderung hat einfach alles gestimmt. Und daher, eben, bin ich Christine dankbar.

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Route: Bahnhof Engen, Wanderwegweiser vor dem Bahnhof – Bildungszentrum Engen – McDonald’s – Autobahn-Fussgängerunterführung – Brudertal – Petersfels – Homberg (Punkt mit Wanderwegweiser auf dem Hügel Eggen) – Auderle – Buchenbühl – Aach, Altstadt – Aach, Kriegerdenkmal beim Schulhaus – Jägermühle (Restaurant) – Aachtopf – Jägermühle.

Wanderzeit: 2 1/2 Stunden.

Höhendifferenz: Circa 150 Meter aufwärts und 170 abwärts (Schätzung).

Wanderkarte: 405 T Schaffhausen/Stein am Rhein, 1:50’000. Die Route liegt am oberen rechten Kartenrand, ein kleines Stück (Petersfels) ist nicht mehr abgebildet; dennoch kann man sich mit der Karte genügend orientieren. Ab Eggen/Homberg weicht unsere Route von der rot eingezeichneten Kartenroute ab, die die Altstadt Aach ignoriert und direkt zum Aachtopf steuert.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Bus. Die Haltestelle befindet sich direkt vor der Jägermühle. Es gibt Busse nach Engen und Singen. Viele Kurse. Man beachte auf dem Fahrplan die Signaturen S (Schulzeit) und F (Ferien).

Charakter: Zuerst Stadt, dann ein ruhiges Tal, dann das Naturwunder Aachtopf. Kurz und sehr abwechslungsreich.

Höhepunkte: Der Petersfels im Brudertal. Die erhöhte Mini-Altstadt von Aach, bei gutem Wetter sieht man die Vulkankegel des Hegaus und den Alpenkranz. Der Aachtopf und gleich danach die Einkehr in der freundlichen Jägermühle.

Tipp: Unbedingt sollte man sich vor oder nach der Wanderung Zeit für die Besichtigung der grossartigen Altstadt von Engen nehmen.

Kinder: Bestens geeignet.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: In Engen und in Aach. Perfekt gelegen ist die Jägermühle (einfache Küche) direkt beim Aachtopf und bei der Bushaltestelle. Jeweils ab 11 Uhr geöffnet, Di Ruhetag.

Hegau: Der Hegau ist ein Wanderparadies. Ideen und Information gibt es hier.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Beitrag Im Grenzgebiet erschien zuerst auf Outdoor.


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