Quantcast
Channel: Thomas Widmer – Outdoor
Viewing all 250 articles
Browse latest View live

Das Glarnerland ist immer gut

$
0
0

Diese Woche von der Richisau via Längeneggpass und Obersee nach Näfels GL

Prachtwetter im Glarnerland, die Fahrt zum Klöntalersee hinauf und entlang desselben war ein Traum. 250 Meter höher die Richisau, Endstation. Wir stiegen aus, setzten uns auf die Terrasse des Gasthauses, entspannten uns – durchatmen vor der Bergstrapaze. Im Vorgängerbau, der längst abgebrochen ist, kehrten einst C. F. Meyer ein, Arnold Böcklin, Richard Wagner. Wir tranken unseren Kaffee also sozusagen in langer Tradition.

Auf der Strasse gingen wir etwas retour, bogen links in den Hang, gerieten bald in die Sonne, begannen zu schwitzen. Die ersten Biker ratterten uns entgegen, diese Seite des Längeneggpasses ist durchgehend befahrbar, Asphalt, Schotter, Kies. Von weiter oben sahen wir am Glärnischmassiv gegenüber das Vrenelisgärtli. Peider, der Alpinist im Grüpplein, zeigte mir den Schwander Grat, ebenfalls Glärnisch, und erzählte von seinen Erlebnissen dort oben. Dann schauten wir wieder. Eine Folge schwarzer Pünktchen im Schnee stellte sich als Bergsteigerkolonne heraus. Wacker Betrieb da oben.

Die Schönheit ist ein wenig brutal

Auf dem Längeneggpass, der tiefsten Einkerbung des Lachengrats, erreichten wir den höchsten Punkt unseres Tages. Wir warfen uns ins Gras, genossen das Panorama, das sich auf einen Schlag verdoppelt hatte, assen getrocknete Früchte, Schoggiriegel und dergleichen leichte Ware. Nun hatten wir auch das Programm der nächsten Stunden vor uns, das Oberseetal, eine unendlich lange Rille zwischen den herrlichsten Bergen. Während wir noch über die Bergkulisse fachsimpelten, erhob sich Roland. Er ging mal kurz den Lachengrat erkunden.

Via die obere und die untere Lachenalp ging es abwärts, der Boden war zwischenzeitlich moorig. Beim Nassberg wanderten wir kurz im Bett des Sulzbaches, Wahnsinn, dieses Geschiebe; in den Alpen ist die Schönheit stets ein wenig brutal. Weiter unten passierten wir eine Ballung von Ferienhäuschen, den Sulzboden. Drei junge Frauen überholten uns. Deutsche. Wir tauschten Eindrücke aus, schwärmten von der Gegend, Wandern verbindet die Völker.

Wir erreichten das Plateau des Obersees. Er ist ein perfekter Spiegel, der die umstehenden Gipfel wie den Brünnelistock reflektiert, sodass man nie den Kopf zu heben braucht, um Berge zu sehen. Im Restaurant über dem östlichen Seeende war viel Volk, die Terrasse praktisch voll. Dank Roland, dem Vorauseiler, der einen Tisch besetzt hatte, wurde uns doch Platz zuteil; Roland hatte sich allerdings mit dem Service angelegt, indem er die beschuhten Füsse auf den Stuhl nahm und zusammengekauert sass wie ein Kind. Die Situation hatte sich inzwischen wieder entspannt. Wir bestellten Mineral, Bier, Salat, Schnitzelteller und Poulet im Chörbli.

Abstieg als Challenge

Als wir wieder aufbrachen, war es später Nachmittag. Die Idee, den Obersee-Rufbus zu ordern, verwarfen wir, der Tag war so strahlend gewesen, dass keiner schnell heim wollte. Und also setzten wir zu Fuss fort, kamen in den Wald, passierten die Anhöhe über dem Haslenseeli, erreichten das Brandhüttli. Der alte Saumweg die steile Flanke hinab nach Näfels war die letzte Herausforderung des Tages, der Stein feucht und rutschig. Dann waren wir unten, verschwitzt und sehr zufrieden. Das Glarnerland ist immer für eine tolle Route gut.

++

Route: Richisau (direkter Bus vom Bahnhof Glarus) – Ralli – Ratlis – Chängel – Ober Längenegg – Längeneggpass – Ober Lachenalp – Unter Lachenalp – Sulz – Obertal – Sulzboden – Chaltenbrünnen – Oberseestafel – Obersee, südseitiger Weg – Obersee, Restaurant – Restaurant Aeschen – Brandhüttli – Näfels, Dorf – Bahnhof Näfels-Mollis.

Wanderzeit: 6 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: 760 Meter auf-, 1425 abwärts.

Wanderkarte: 237 T Walenstadt, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Zug vom Bahnhof Näfels nach Ziegelbrücke. Allenfalls kann man vom Dorf Näfels auch den Bus nach Ziegelbrücke nehmen.

Kürzer: Am Obersee aufhören und mit dem Obersee-Taxi (Rufbus, privates Unternehmen) hinab nach Näfels. So spart man 1 1/2 Stunden Gehzeit und 550 Höhenmeter abwärts.

Charakter: Technisch einfache, aber lange Wanderung mit herrlichen Bergblicken. Keine ausgesetzten Stellen.

Höhepunkte: Die Anfahrt entlang des Klöntalersees. Der Blick auf das Vrenelisgärtli vom Längeneggpass. Der Spiegel des Obersees. Der schön gemachte Steilpfad hinab nach Näfels.

Kinder: Lang, aber keine besonderen Probleme. Vorsicht im Abstieg nach Näfels, steile Bergflanke.

Hund: Keine Probleme. Dafür Freuden wie das Bad im Obersee.

Einkehr: Die Richisau am Anfang, täglich geöffnet. Restaurant Obersee, bis 23. August täglich geöffnet, dann bis 25. Oktober (Saisonende) am Montag geschlossen. Restaurant Aeschen gut eine halbe Stunde nach dem Obersee, bis 9. August Mi/Do Ruhetag, dann Mi.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Das Glarnerland ist immer gut erschien zuerst auf Outdoor.


Verschossen in zwei Wasserfälle

$
0
0

Diese Woche vom Lauenensee zur Geltenhütte (BE)
Caspar Wolf, 1735 bis 1783, Schreinersohn aus dem aargauischen Muri, Pionier der Hochgebirgsmalerei. Ich musste an ihn denken, als das Postauto von Gstaad zum Lauenensee die Haltestelle «Under Tungel» passierte. Plötzlich sah ich nicht nur den Tungelschuss, sondern weiter rechts auch den Geltenschuss – Wolfs berühmtes Sujet, das er mal in hellen Farben, mal als düsteres Schauspiel verewigte.

Für Nichtkenner der Gegend: Tungelschuss und Geltenschuss sind zwei Wasserfälle.

Endstation, das Postauto wendete, eine Handvoll Wanderer stieg aus. Zwei welsche Frauen schauten sich verwirrt um, wo war denn nun der berühmte Lauenensee? Knappe zehn Gehminuten entfernt, wusste ich von der Karte.

Das brüllende Tier

Der Weg zur Geltenhütte, meinem Tagesziel, wurde schnell stotzig, nachdem ich nass-feuchte Blackenfelder durchzogen hatte. Durch den Wald keuchte ich mich aufwärts und schätzte die Gepflegtheit des Weges, etwa die Querhölzer, die besonders abrupte Tritte befestigten. Vom nahen Tungelschuss sah ich nichts, hörte nur sein Brausen oder vielmehr Brüllen. Wasserfälle sind, wenn man nicht Distanz hält, weniger romantisch als unheimlich. Wilde Tiere sind sie.

Endlich die Alp Chüetungel: flacher Boden. Blumenwiesen. Durchatmen – aber nur kurz. Bald erreichte ich die Schlüsselstelle des Tages, die mit einem Trepplein begann. Ich geriet nun in die Flanke des Follhorns, die es 300 Meter über dem Talboden des Geltenbaches zu queren galt. Besonders ausgesetzt fand ich den Pfad nicht, war aber froh um das Seil zu meiner Linken und ging vorsichtig.

Hernach wurde mir leicht ums Herz. Ich sah so viel. Da war tief unten der Lauenensee, der aus einem kleinen und einem grossen Teil besteht. Das Dorf Lauenen, durch das ich mit dem Bus gekommen war. Der Geltenschuss. Und der Talabschluss zum Wallis hin, eine Kette von Gipfeln mit dem Wildhorn als König. Wieder dachte ich an Wolf, an die Mischung von Frohlocken und Beklemmung in seinen Gemälden ob der gewaltigen Gebirgsszenerien.

Bei der Alp Usseri Gelten bucklige, irgendwie schalkhafte Urviecher mit riesigen, perfekt gebogenen Hörnern. Yaks, wie ich eine halbe Stunde später in der Geltenhütte erfuhr. Schwer, nicht aus dem Schwärmen zu kommen in dieser Kolumne: Auch diese Geltenhütte war ein Anblick für Maler, wie sie geborgen in ihrer Senke lag mit zwei, drei Miniwasserfällen in der Nähe und Kiesflächen, über die Glitzerwasser strömte.

Die defekte Duschbrause

Ich kehrte ein, mochte das helle Holz des Raumes, ass eine Rösti mit Spiegelei. Sie gab mir Kraft für den folgenden Abstieg am Geltenbach entlang, der sich über die Kante ins Nichts warf, diesen Todesmut auf immer und ewig repetierend. Mein Zickzackweglein hatte ich schon von Usseri Gelten gesehen; immer wieder beeindruckend, wie Bergwege noch die abweisendsten Geländepartien in Eleganz meistern, als seien sie auf gute Stilnoten aus. An einer Stelle ging ich unter einem überhängenden Felsen, über den ein Bach stürzte. Es spritzte auf mich wie aus einer defekten Duschbrause.

Auf dem Boden des Unteren Feissenbergs, einige Zeit noch entfernt vom Lauenensee, wo die Wanderung schliessen würde, hielt ich an. Ich drehte mich um, der schroffen Felsbastion zu, die ich glücklich überstanden hatte. Nun hatte ich ihn unverstellt vor mir, den Geltenschuss, den die Schneeschmelze noch mächtiger machte. Sein Bild ist fortan Teil meines Lebens und wird es bis zum Ende bereichern.

++

Route: Lauenensee, Legerlibrügg (Endstation des Postautos von Gstaad) – Alp Chüetungel – Usseri Gelten – Geltenhütte – Unter Feissenberg – Lauenensee – Lauenensee, Legerlibrügg.

Wanderzeit: 3 3/4 Stunden.

Höhendifferenz: 705 Meter auf- und wieder abwärts.

Wanderkarte: 5025 T Saanenland-Simmental, 1:5000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Postauto retour von Lauenensee, Legerlibrügg retour nach Gstaad.

Charakter: Wanderung mittlerer Länge, relativ anstrengend wegen der ausgesprochen steilen Partien hinauf nach Chüetungel am Anfang und nach der Geltenhütte. Eine leicht ausgesetzte Partie zwischen Chüetungel und Usseri Gelten ist mit einem Seil gesichert. Bei Nässe meiden!

Höhepunkte: Die wässerigen drei: Lauenensee, Tungelschuss und vor allem Geltenschuss. Der wunderschöne Talabschluss hinter der Geltenalp. Die Einkehr in der Geltenhütte.

Kinder: Vorsicht in der ausgesetzten Passage.

Hund: Keine besonderen Probleme.

Einkehr: Restaurant am Lauenensee mit schönem Bergblick und Sicht auf den Tungelschuss. Derzeit durchgehend offen. Geltenhütte, derzeit durchgehend offen.

Lied zur Wanderung: Louenesee von der Gruppe Span.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Verschossen in zwei Wasserfälle erschien zuerst auf Outdoor.

Gesprächstherapie an der Bahnkasse

$
0
0

Diese Woche vom Stoos via Wannentritt nach Riemenstalden und Sisikon (SZ/UR)

Talstation der Stoosbahn, noch fünf Minuten bis zur Abfahrt, eine Schlange vor der Kasse. Vor uns zwei jüngere Frauen, die weder eine Ahnung von der Gegend haben noch eine Karte. Sie konsultieren die Kassenfrau und beraten sich untereinander und kommen nicht zu einem Entschluss, was für ein Billett sie brauchen, «wir könnten aber auch zuerst auf den Klingenstock und dann erst… murmel, murmel».

«He, macht ihr da vorne eine Gesprächstherapie?», rufe ich.

Blenden wir den folgenden Wortwechsel aus und machen wir einen Zeitsprung fünf Minuten nach vorn. Wir haben es knapp auf die Bahn geschafft, die zwei Frauen auch. Während es aufwärtsgeht, plaudere ich mit Josephine von meinem Grüppli über die Bahn, die nächstes Jahr die jetzige ersetzen soll. Das neue Modell wird, sagen die Betreiber, mit einer Steigung von bis zu 110 Prozent die steilste Standseilbahn der Welt sein.

Ausgesetzt ist hier gar nichts

Stoos, das Schwyzer Feriendorf auf 1300 Metern: immer gut für einen Ausflug. Wir starten, halten unserem ersten Ziel zu, dem Wannentritt. Warme Luft umschmeichelt uns, zur Linken haben wir den Grossen Mythen, zur Rechten ganz nah den Klingenstock, den wir quasi umrunden wollen. Bis Geissbützen sind zwei Routen möglich, wir nehmen die untere.

Beim Laubgarten ein Aussichtspunkt, wir setzen uns, trinken, schauen. Bald danach der Wannentritt. Meist sind Punkte, die Tritt heissen, Halsbrecherpassagen. Dieser Tritt ist nett. Auf der Südseite meistern breite, per Holzzaun gesicherte Kehren den kurzen Steilabschnitt. Gute Nachricht an alle Schwindelgeplagten: Ausgesetzt ist hier gar nichts. Eine neue Bergkette, die mit dem Kaiserstock, wird uns an dieser Stelle zuteil. Und ein neues Tal, das von Riemenstalden.

Wenig später eine Überraschung. Bei der Höchi wird gewirtet von der Familie, die die Alp Goldplangg bebauert. Wir setzen uns, Kaffeehalt. Josephine hat Knieweh, sie hinkt, als wir weiterwandern. Mal auf Kies, mal auf Gras, mal durch den Wald geht es hinab nach Riemenstalden. Links am Weg präsentieren sich Kalkschratten, die länglichen Rillen wirken, als habe ein Riese sie mit einem Messer eingeschnitten.

Vor der Talstation der Lidernen-Seilbahn eine gewaltige Menge Autos, ich werde schon wieder hässig. Nur zwei öffentliche Buskurse pro Tag, beide reservationspflichtig, erschliessen das Tal und die Talstation der Bahn, einer morgens, einer am Nachmittag. Das ist jämmerlich. Warum schaffen es die hier nicht, einen anständigen öffentlichen Zubringer auf die Beine zu stellen, haben die lieber Autogekarre von früh bis spät?

Fulminantes Schlussbouquet

Immerhin, Josephine profitiert, sie macht Autostopp. Wir anderen wandern weiter talauswärts und kommen ins Dörflein von Riemenstalden. Eine tolle Beiz haben die! Das Restaurant Kaiserstock ist weitum bekannt für eine feine Küche. Wir finden, halleluja, Platz, zwar nicht draussen, aber immerhin drinnen.

Mit glücklichem Bauch laufen wir auf der Strasse abwärts, verfluchen jeden Offroader einzeln, folgen später dem Riemenstaldner Bach, erreichen Rietberg, sind plötzlich im Kanton Uri. Der beschert uns zum Schluss einen fulminant schmalen und abschüssigen Tobelsteig. Unten in Sisikon sind wir alle geschafft und verschwitzt, die einen gehen zum See, um sich abzukühlen, die anderen setzen auf die Biermethode.

Ich wähle die Gartenbeiz und muss wieder an die zwei Frauen vom Morgen denken: Wo die wohl durch sind?

++
Route: Stoos, Bergstation – Nühusweidli – Rinderchruteren – Laubgarten – Wannentritt – Höchi – Stafel – Chäppeliberg – Riemenstalden, Kirche – Riedberg – Sisikon, Bahnhof.

Wanderzeit: 5 Stunden.

Höhendifferenz: 415 Meter auf-, 1240 abwärts.

Wanderkarte: 246 T Klausenpass, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Kürzer: Es gibt einen einzigen, reservationspflichtigen Nachmittags-Buskurs von Riemenstalden, Chäppeliberg nach Sisikon. Die Wanderung wird, wenn man den Bus nimmt, zwei Stunden kürzer.

Charakter: Berge rundum. Die Strapaze aufwärts hält sich in Grenzen. Abwechslungsreich. Grandiose Route!

Höhepunkte: Die Bergfahrt von «Schwyz, Stoosbahn» (so der Fahrplanname der Talstation an der Buslinie Schwyz, Bahnhof–Muotathal) auf den Stoos. Das schöne Stoos-Plateau mit den Mythen zur Linken. Der wegtechnisch perfekt gemeisterte Wannentritt. Die Einkehr auf der Höchi. Das kleine, aber feine Dörfli von Riemenstalden. Die Abenteuerpassage nach Riedberg.

Kinder: Vor allem nach Riedberg muss man sie beaufsichtigen. Steile Abwärtspassage im Wald.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Stoos. Höchi, Alp Goldplangg, Öffnungszeiten je nach Witterung. Restaurant Kaiserstock in Riemenstalden, sehr gute, weitum bekannte Küche, Ruhetage Mo, Di. Sisikon.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Gesprächstherapie an der Bahnkasse erschien zuerst auf Outdoor.

Die Violettwanderung

$
0
0

Diese Woche vom Flumserberg ins Weisstannental (SG)

Einer der besten Anfänge für Wanderer in diesem Land geht so: von Unterterzen am Walensee mit der ersten Gondel auf die Tannenbodenalp auffahren und mit der zweiten auf den Maschgenkamm fortsetzen und dort nach vorn an die Terrassenkante treten und gegen Süden schauen. Die Sicht ist umwerfend: der weite Kessel von Fursch mit Sumpfboden in allen Tönen von Dunkelgelb bis Hellgrün und darüber all die Berge mit dem Kegel des Spitzmeilen. Er kommt einem vor wie der König eines verwunschenen Landes in Violett – davon gleich mehr.

Im Rücken hat der Wanderer gleich noch einmal ein Panorama, dasjenige der Churfirsten und ihrer Fortsetzung bis zum Gonzen über Sargans.

Der Kubus im Märchenland

Der Beginn ist nun leicht. Es gilt den Kessel von Fursch vom Maschgenkamm auf einem angenehmen Weg via die Zigerfurgglen zu umrunden, wobei sich das auf und ab in Grenzen hält. Nach zwei Stunden erreicht man die Spitzmeilenhütte, einen Kubus aus noch neuem Holz, der wirklich etwas ganz und gar Märchenhaftes hat: Rund um die Hütte ist der Verrucanofels violett. Auch das hüttennahe Bächlein zieht sich violett durchs Gelände.

In der Spitzmeilenhütte – oder bei warmem Wetter vor ihr – ist gut essen und trinken. Danach geht es aufwärts in Richtung Schönbüelfurggel, das Gelände wird karg, zur Rechten hat man den Spitzmeilen; oft sieht man aus der Nähe Kletterer, die sich den Kalkturm hinaufarbeiten. Der Wanderer hat es mehr mit der Horizontalen als mit der Vertikalen, er zieht weiter vorwärts durch das Gelände, bis endlich der höchste Punkt des Tages erreicht ist, die Fansfurggla auf 2275 Metern.

Fertig ist hier gar nichts, vielmehr fängt die Anstrengung erst an; dies ist eine Wanderung des endlosen Absteigens. Ruppig sind die Pfade hinab zum Chammhüttli und noch weiter hinab zum Obersiezsäss in seinem Felsrund. Stöcke angeraten. Übrigens: Wer viel wandert, ist vielleicht schon auf Obersiez vorbeigekommen, unterwegs von Weisstannen zum Risetenpass und hinüber ins Glarnerland.

Aber das ist eine andere tagfüllende Unternehmung. Diejenige, um die es in dieser Kolumne geht, besänftigt sich nach Obersiez. Das folgende Stück hinab zur grossen Sennerei auf Vorsiez, auch Alp Siez genannt, spielt sich auf einem Strässchen ab. Wie oft, wenn man viel abruptes Gelände durchzogen hat, freut man sich fast ein wenig über den glatten Hartbelag.

Ostschweizer Zuckerhütchen

Dann Vorsiez. Meist ist hier viel Volk, manche Leute sind mit dem Auto gekommen, man kann einkehren und Käse kaufen. Danach dauert es immer noch eine saftige Stunde bis Weisstannen. Wer nicht mehr wandern mag, für den gibt es zwei Optionen. Erstens: Er ist an einem Sonntag unterwegs und kann die Schlussstrecke per Postauto absolvieren. Zweitens: Es ist nicht Sonntag, dann bleibt nur Autostopp. Aber Laufen ist viel schöner, und das Sprudeln der jungen Seez erfrischt. Riesig die Freude, wenn schliesslich das Dörfchen Weisstannen auftaucht.

Ein Schlussbier in der Gemse, dazu eventuell eine Forelle aus dem Restaurant-eigenen Weiher, so mag diese Wanderung enden. Immer wieder wird man in den nächsten Tagen und Wochen zurückdenken an das Violett um die Spitzmeilenhütte, das anmutet, als habe einer tonnenweise Farbe ausgegossen. Und ebenso stark als Bild im Gemüt eingebrannt der Spitzmeilen, unser Ostschweizer Zuckerhütchen.

++
Route: Maschgenkamm (Gondelbahn ab Unterterzen SBB mit Umsteigen auf der Tannenbodenalp) – Zigerfurgglen – Spitzmeilenhütte – Schönbüelfurggel – Fansfurggla – Chammhüttli – Obersiezsäss – Vorsiez (Alp Siez) – Weisstannen.

Wanderzeit: 7 Stunden.

Höhendifferenz: 590 Meter auf-, 1625 abwärts.

Wanderkarte: 237 T Walenstadt und 247 T Sardona, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Von Weisstannen mit dem Postauto zum Bahnhof Sargans.

Kürzer: Eine gute Stunde weniger braucht man, wenn man für die Strecke Vorsiez–Weisstannen das Postauto nimmt. Es fährt aber nur an Sonntagen.

Charakter: Von A bis Z wunderschön. Sehr anstrengend mit steilem Abstieg von der Fansfurggla bis Obersiez. Hernach Hartbelag bis Vorsiez.

Höhepunkte: Der Rundblick vom Maschgenkamm. Der Kegel des Spitzmeilen aus immer neuen Winkeln. Die Einkehr in der Spitzmeilenhütte. Die genial mit einem Weg versehene Passage von der Fansfurggla nach Obersiez. Die Ankunft in Weisstannen.

Kinder: Weit.

Hund: Weit.

Einkehr: Maschgenkamm. Spitzmeilenhütte, derzeit durchgehend offen. Vorsiez (Alp Siez), derzeit durchgehend offen. Weisstannen, Gemse, Di Ruhetag.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Die Violettwanderung erschien zuerst auf Outdoor.

Durchs Reich der Fürstbischöfe

$
0
0

Diese Woche von Delémont nach St-Ursanne (JU)

Auf drei stattliche Städte stützte sich die Herrschaft der Basler Fürstbischöfe im Jura: Pruntrut, Delémont und St-Ursanne. Die letztgenannten zwei wollen wir zu Fuss verbinden und fahren also nach Delémont.

Gar nicht so einfach loszuwandern: Markttag. Es wäre schön, nun grossflächig einzukaufen. Käse zum Beispiel. Und Wein. Und Kaffee zu trinken in irgendeiner alten Gasse; der Marktort mit seinen Renaissancebrunnen ist eine Attraktion in sich.

Der Wanderweg führt am Schloss vorbei, das den Herren Fürstbischöfen als Sommerresidenz diente. Dann sind wir draussen, gehen zuerst noch auf Asphalt, bald auf Kies und gestampfter Erde, passieren den Ort Algérie. Ob hier ein Emigrant oder Rückkehrer aus Algerien lebte?

Wer ist hier der Esel?

Beim Schloss Domont beäugen uns Esel, als seien wir die Esel. Durch den Wald halten wir Richtung Westen. Les Lavoirs stellt sich als Grossweiher oder Minisee heraus. Séprais streifen wir nur, der Wanderweg führt am oberen Dorfrand vorbei. Eine Hangpassage im Wald mit einem Brücklein lässt kurz Abenteurerfeeling aufkommen. Strapaziös der folgende Aufstieg.

La Caquerelle liegt aussichtsreich auf einem Hochplateau, es gibt eine Kapelle und ein Hotel, in dem ich schon schlief. Wir kehren ein. Am Nebentisch werden einem Paar in Töffmontur Entrecôtes mit Pommes frites serviert, und ich habe alle Mühe, Roland und Josephine davon abzuhalten, auch zuzuschlagen; wir haben vereinbart, dass wir am Schluss in St-Ursanne essen werden. Josephine bestellt einen Käseteller, der als Zwischenmahlzeit durchgehen kann. Und Roland mault.

Unterhalb der Strasse geht es nach Les Malettes. Dort schlägt Ronja eine Abkürzung vor. Statt wieder aufzusteigen und auf gut 940 Metern den Wanderweg nach Outremont zu nehmen, wählen wir die nicht signalisierte Variante 150 Meter tiefer zum selben Ziel. Wir gehen vom Wegpunkt Les Malettes ein paar Meter auf der Strasse westwärts, bis rechts ein Strässchen in den Hang zieht. Angenehm, wir wandern im Folgenden ziemlich genau auf der Höhenlinie auf einem gekiesten Strässchen, das ein paar Höfe erschliesst; danke, Ronja.

Zuerst Forelle, dann Kirche

Nach Outremont ein abrupter Abstieg, dann sind wir da. Durch das Paulstor betreten wir St-Ursanne, ein Wunder von Städtchen, in dem die Zeit gebremst zu fliessen scheint, träger noch als der etwas schlammige Doubs. Im Reich der Fürstbischöfe war St-Ursanne das geistliche und spirituelle Zentrum. Wir bedenken dies kurz und geben den Gedanken dann preis, wir haben Hunger.

Nach einer Forelle im Ours fühlen wir uns besser und erkunden doch noch kurz die Stiftskirche. Vor ihr spielen Kinder am Ursicinus-Brunnen; auf den irischen Wandermönch, der sich zu Anfang des 7. Jahrhunderts in das einsame Tal des Doubs zurückzog, geht der Ort zurück. Wer nicht viel Zeit zum Verweilen hat, schaue sich mindestens das Südportal der Stiftskirche an, späte Romanik. Im Giebelfeld thront Christus, und rechts haben wir Ursicinus.

Es ist Abend, wir müssen heim, und wieder einmal wurmt es mich, dass ich zwar oft in St-Ursanne war, aber nie lange. Dass ich nie übernachtete. Dies muss nachgeholt werden. Die Fortsetzung ist dann klar – am zweiten Tag muss man hinüber nach Pruntrut laufen. Damit hätte man dann die dritte Stadt der Fürstbischöfe erwandert, ihren Hauptstützpunkt im Jura.

++

Route: Delémont Bahnhof – Schloss – Algérie – Domont – Les Lavoirs – Cras des Fonnés – La Caquerelle – Les Malettes – Les Grangettes – Outremont – Derrière Le Château – St-Ursanne – St-Ursanne, Bahnhof.

Wanderzeit: 6 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: 777 Meter auf-, 699 abwärts.

Wanderkarte: 223 T Delémont und 222 Clos du Doubs, 1: 50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Zug von St-Ursanne nach Delémont.

Charakter: Wiese und Wald. Einige coupierte Passagen, ansonsten keine Probleme.

Höhepunkte: Das bischöfliche Schloss von Delémont. Der verwunschene Wald nach Les Lavoirs. Die Einkehr in La Caquerelle. St-Ursanne, St-Ursanne, St-Ursanne: der Doubs, die Stiftskirche, die Forelle auf dem Teller.

Kinder: Keine Probleme.

Hund: Easy.

Einkehr: In Delémont und St-Ursanne. Schloss Domont, Freitag bis Sonntag. In den Ferien zum Teil auch unter der Woche offen. La Caquerelle, Ruhetag Mittwoch. Hier kann man auch übernachten.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Durchs Reich der Fürstbischöfe erschien zuerst auf Outdoor.

Die haben dort einen schönen Vogel!

$
0
0

Diese Woche von Flims nach Tamins (GR)

Ich fuhr nach Flims, mein Ziel war ein ganz bestimmter Vogel, der Mauersegler. Neben der Post gab es ein Café, ich nahm noch kurz einen Kaffee und etwas Süsses und zog eine Viertelstunde später los. Der Wegweiser gab mir meine Destination sauber vor: Conn.

Auf dem Trottoir ging ich leicht abwärts entlang der Strasse, auf der ich eine halbe Stunde zuvor mit dem Bus gekommen war. Beim Feuerwehrstützpunkt mit den dramatischen roten Toren bog ich rechts ab und war den Autoverkehr los. Ich kam zur ARA, überquerte den Hausbach von Flims, den Flem, und fand mich bald im Wald.

Der 350-Meter-Tiefblick

Schön im Schatten, hohe, vermooste Felsbrocken überall, kam ich auf einem Waldsträsschen nach Conn – dies ist ein Flurname, nicht etwa ein Dorfname, da waren bloss ein paar wenige verstreut in die hügelige Landschaft eingebettete Ferienhäuschen und Ställe. Mein Vogel war nun auf dem Wegweiser aufgeführt: Il Spir. Zu Deutsch: der Mauersegler.

Fünf Minuten später war ich bei ihm. Il Spir ist der Name einer Aussichtsplattform hoch über der Ruinaulta-Schlucht des Vorderrheins. Steht man – wie ich an meinem Tag – vor dem Spir oder schaut man von tief unten zu ihm hoch, so scheint dieses Bauwerk wirklich nach Art des Mauerseglers schwirrbereit zu sein. Dazu passt, dass der Spir sich flugbereit in die Schlucht neigt; starke Zugseile sorgen für die Rückverankerung.

Ich stieg hoch zur Plattform, die vor bald zehn Jahren eingeweiht worden war. Was für ein Blick! 350 Meter unter mir die Schlucht, der Rhein milchblau sich windend, darüber am Gegenhang dunkelgrün der Wald. Und überall in den Steilhängen riesige staubweisse Erosionsnarben und Kalkkessel, darin kecke Pfeiler, wie man sie in gotischen Kirchen sieht. Ich gestehe, ich war ergriffen.

Als ich mich doch wieder löste, hätte ich bereits Hunger gehabt. Aber für eine Portion der berühmten Birnenravioli im Restaurant Conn zehn Minuten westwärts war es zu früh. Was tun? Ich hatte den Vogel besuchen wollen, weiter reichte meine Vision des Ausfluges nicht. Ich beschloss, nach Trin zu laufen, wanderte weiter und änderte den Plan gleich wieder ab; nein, Tamins sollte mein Schlussziel sein. Dort war ich nie gewesen, obwohl die kühne Kirchturmnadel schon immer mein Interesse erregt hatte beim Vorbeifahren.

Der Weg nach Tamins war leicht. Via Pintrun – vorbei an einem canyonartigen Seitental der Ruinaulta-Schlucht, vorbei an Panzersperren aus dem letzten Krieg – kam ich nach Digg, einen Ortsteil von Trin, das den Hang vor mir imperial besetzte. Hernach wurde der Pfad, der nun mehr oder minder parallel zur Strasse nach Flims verlief, kurz mal abenteuerlich: Schmal wurde er im steilen Hang. Ketten halfen mir; ausgesetzt war das nicht.

Diese Paarung endet nie

Endlich Tamins, das Dörfchen lag in der flirrenden Mittagsluft. Im Dorfladen holte ich mir eine Glace, Stracciatella am Stiel. Wunderbar kühl. Der nächste Bus würde in einer halben Stunde kommen, sah ich im Fahrplan. Perfekt. Ich stieg eilends hinauf zur Kirche auf ihrem Hügel und überblickte nun die ganze Gegend, in der der Vorderrhein und der Hinterrhein sich vereinen in einem nie endenden Paarungsakt.

Man verzeihe die gravierenden Worte, das leichte Pathos, die Erhabenheitsästhetik. Nicht ich bin es, der da spricht, sondern das magische, mythenschwere Graubünden.


Route: Flims Post – retour Richtung Chur bis zum Feuerwehrgebäude – ARA – Conn, Il Spir – Pintrun – Foppa – Digg (Ortsteil von Trin) – Lurez – Tamins, Dorf (Bushaltestelle).

Abstecher: In Tamins lohnt es sich, nach Schluss der eigentlichen Wanderung noch den Kirchhügel zu besteigen. Hin und zurück plus 20 Minuten.

Wanderzeit: 3 1/2 Stunden (ohne Abstecher).

Höhendifferenz: 180 Meter auf-, 590 abwärts (ohne Abstecher).

Wanderkarte: 247 T Flims, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Von Tamins mit dem Bus nach Chur.

Charakter: Leichtes Wandern. Nur gerade kurz nach Digg muss man im Waldhang ein bisschen aufpassen, der Weg ist dort schmal und mit Ketten gesichert, aber nicht ausgesetzt. Aussichtsreich.

Höhepunkte: Star des Tages ist die Plattform Il Spir mit dem Tiefblick in die Canyons der Ruinaulta-Schlucht. Besonders hübsch ist am Schluss der Route auch das Dorf Tamins. Der Blick vom Kirchturm ist grandios.

Kinder: Geht gut. Im Bereich der Ruinaulta-Kante und in der kurzen Hangpassage nach Digg gehören sie beaufsichtigt.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Am Anfang und am Ende. Sehr gut und entsprechend begehrt ist das Restaurant Conn 10 Minuten von der Aussichtsplattform Il Spir entfernt; sensationell sind die Birnenravioli. Reservieren! Das Lokal ist durchgehend geöffnet.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

Der Beitrag Die haben dort einen schönen Vogel! erschien zuerst auf Outdoor.

Die Punker vom Val Strem

$
0
0

Diese Woche von Sedrun über den Chrüzlipass nach Bristen (GR/UR)

Ich ging schon einmal über den Chrüzlipass, von Bristen im Maderanertal aus: fortgeschrittener Herbst, verlassene Alpen, Nebel über den Bergen, Schnee auf dem Pass. Ich wanderte damals allein und musste die ganze Zeit über an «Goldener Ring über Uri» denken, das legendäre Buch von 1941, dessen Autor Eduard Renner vom magischen Denken der Urner Bergler erzählt. Von einer gestaltlosen, lähmenden oder auch Panik bereitenden Kraft, dem «Es», das sich ausbreitet, wenn die Älpler abziehen. Mir war unheimlich.

Als ich zum zweiten Mal über den Chrüzlipass ging, ab Sedrun diesmal und mit meinem Grüpplein, war alles anders. Golden war der Tag und ganz diesseitig die Landschaft. Das Es hatte im strahlenden Licht keine Chance. Es schmollte wohl in irgendeiner der Kristallgrotten, für die vor allem das Etzlital auf der Urner Seite bekannt ist.

Sind wir in Island?

Kurz wanderten wir zu Beginn in Sedrun auf Hartbelag. Dann Gras, Steine, Geröll. Das Val Strem muss man erlebt haben in seiner Urtümlichkeit, uns war, als seien wir in Island. Der Strem mäandrierte als Glitzerband durch die rötlich-moorige Ebene. Die Stremhörner wiederum – nun, wären sie Menschen, so Jugendliche in der Pubertät. Trotzig, wild, frech, mit zackigen Punkerfrisuren.

Streng war der Aufstieg, der gleichzeitig ein Ausstieg war aus dem Val Strem auf schmalem, doch sicherem Pfad die steile Halde hinauf zum Pass. Oben war alles flach. Wir setzten uns, tranken, freuten uns über die neuen Berge im Westen hinter der Passlücke. Mir fiel ein, dass ich bei der früheren Überquerung hier oben im Schnee eine Gruppe Männer getroffen hatte. Der eine ging barfuss. Ob er nicht kalt habe, fragte ich. «So ist mir am wohlsten», sagte er.

Wir stiegen ab, sahen unser Zwischenziel, die Etzlihütte, die erhaben 70 Meter über der flachen Müllersmatt hockt. Die meiste Zeit freilich fixierten wir den Boden vor uns. Blockschutt, sehr beschwerlich. Dann waren wir unten auf der Müllersmatt. Kurz darauf die Hütte. Wir assen, meine Suppe war köstlich, ich fotografierte sie, wie ich das meist tue, wenn ich auf Wanderungen esse. Ein Bild machte ich auch vom hütteneigenen Whirlpool.

Gut, kommt der Bus noch nicht!

Ingeniös später unsere Wanderpiste zu Tale. Ein schmales, sauber definiertes Band aus Steinen, das durch den brüsken Hang kurvte, ein holpriges Trottoir im Gebirge; ich musste daran denken, dass der Chrüzlipass vom Maderanertal in die Surselva und umgekehrt jahrhundertelang ein wichtiger Saumweg gewesen war. Das Gelände vor uns, die endlose Talrinne des Etzli, lag im Schatten. Weiter unten gingen wir durch eine Halde voller Blacken, der Stein war feucht und glitschig. Irgendwann erreichten wir ein schmales Fahrsträsschen.

War es das? Nein! Beim Sagebrüggli radikalisierte sich der Weg ein letztes Mal. Wir bogen links ab in den Wald. Das folgende Stück war von einer Steilheit, als rebelliere das Gelände gegen die nahe Zivilisation. Ich war froh um meine Stöcke, spürte nun doch meine 52-jährigen Knie. Endlich Bristen. Gut, dass der Bus erst in 50 Minuten kommen würde. Auf der Terrasse des Alpenblicks hielten wir bei Bier und einem Pommes-frites-Teller Rückschau und waren uns einig: selten an einem Tag derart viel Schönheit gesehen!

++

Route: Sedrun Bahnhof – Bauns – Val Strem – Chrüzlipass – Müllersmatt – Etzlihütte – Müllersmatt – Etzliboden – Sagebrüggli – Steinmatt – Bristen.

Wanderzeit: 6 3/4 Stunden.

Höhendifferenz: 1050 Meter auf-, 1710 abwärts.

Wanderkarte: 256 T Disentis/Mustér, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Bus von Bristen nach Amsteg.

Kürzer: Abkürzungen gibt es nicht. Aber natürlich kann man die Wanderung auf zwei Tage verteilen und in der Etzlihütte übernachten. Reservieren!

Charakter: Klassische Passwanderung von grosser Schönheit. Steile Abschnitte, keine ausgesetzten Stellen. Aussichtsreich.

Höhepunkte: Die Kurven des Strem in seinem Tal. Die zackigen Berge über dem Val Strem. Der Blick nach dem Pass auf die Etzlihütte. Das endlos weite Etzlital.

Kinder: Weit, besser in zwei Tagen als in einem.

Hund: Keine besonderen Probleme.

Einkehr: Am Anfang und am Ende sowie natürlich in der Etzlihütte, die derzeit durchgehend offen ist.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Die Punker vom Val Strem erschien zuerst auf Outdoor.

Zwei Höllenritte und eine sanfte Wanderung

$
0
0

Diese Woche von den Fideriser Heubergen aufs Mattjisch Horn (GR)

Drei Abenteuer in einem Tag, nicht übel. Und als ich abends heimfuhr, war ich nicht einmal sonderlich müde. Die Hände spürte ich freilich, vom vielen Bremsen. Mehr davon später im Blog – und vorerst dies: Sie spielt im Prättigau. Strahlend war der Morgen, als ich in Fideris aus dem Postauto stieg, das mich von Schiers hinaufgetragen hatte.

Der Bus des Berghauses Arflina wartete schon, unterhalb des stillgelegten Restaurants Ritterhof stand er. Ich hatte reserviert, ein paar weitere Leute ebenfalls, wir machten es uns bequem.

Wer war Mattli?

Abenteuer eins war nun die Fahrt hinauf in die Fideriser Heuberge 1100 Meter höher: zwölf Kilometer auf einer dramatisch in die steilen Hänge gelegten Fahrpiste. Zu unserer Linken klaffte die Flanke des Malanser-Bach-Tobels wie ein Höllenschlund. Kurve um Kurve gewannen wir an Fernblick, St. Antönien am Gegenhang zeigte sich. Einmal passierten wir einen Prättigauer Scherenhag.

Eine halbe Stunde dauerte der Ritt, dann waren wir auf 2000 Metern. Was für ein Kontrast zu der Wildheit des Fahrerlebnisses: sanft und lieblich war der grüne Kessel. Die Fideriser Heuberge heissen nicht umsonst so, gern wüsste ich, wie viele Tonnen Heu sie pro Saison hergeben. Hinten begrenzte mein Tagesziel den Nahhorizont: das Mattjisch Horn. Schon wieder kam ich ins Grübeln: Wer war wohl der Matthias, Matthäus, Mathis, Matti, Mattli, dessen Name auf das Horn überging?

Ich zog gleich los, denn ich verspürte Gipfellust. Eine halbe Stunde später war ich bei der Arflinafurgga, dem Übergang ins Schanfigg; letztes Jahr waren wir von dort zur Furgga gegangen, von Peist aus. Das Mattjisch Horn hatten wir damals nicht erstiegen. Diesmal aber! Über den halb grasigen, halb kiesig-gerölligen breiten Gratrücken eroberte ich es schnell. Dem Namensteil «Horn» zum Trotz handelt es sich um einen sanften Wanderberg ohne besondere Gefahr. Einen Familiengipfel.

Oben fand ich einen kunstvoll gebauten Steinhaufen vor. Einen Wegweiser. Und ein 360-Grad-Panorama. Im Süden der Piz Ela, im Norden die Schesaplana, im Osten der Piz Buin, im Westen der Tödi und dazwischen Hunderte weiterer Berge in Grau und Weiss, die ich per Smartphone mit dem Peak-Finder zu benennen suchte.

Mit dem Bikeboard zu Tal

Schön der Abstieg nach der Rast; es sind in die Heuberge Tümpel und Seelein eingelagert, vor allem das Schottenseelein liebte ich, später auch den Unteren Cluner See. Drei Stunden später erreichte ich wieder das Berghaus Arflina, Ende von Abenteuer zwei. Wer weiss, vielleicht werde ich mich im Berghaus einmal einmieten und auch den Glattwang machen. Oder hinüber zum Weissfluhjoch halten.

Ich ass draussen, meine Rösti mit Spiegelei war sehr gut. Toll der eiskalte Waschlappen, den mir die Serviererin brachte. Nun hätte ich den Bus talwärts nehmen können. Trotz meiner 53 Jahre entschied ich mich für die juvenile Alternative. Abenteuer Nummer drei: das Bikeboard, das ich mietete. Ein dreirädriges, perfekt gefedertes Trottinett mit einer Surfbrett-artigen Stehfläche. Los ging es, ich sauste und brauste, natürlich war ich behelmt. Unten in Fideris, wie gesagt, hatte ich den Krampf in den Händen. Aber auch eine sehr gute Laune. Was für ein ereignisreicher Tag!

++

Route: Fideriser Heuberge, Berghaus Arflina – Arflinafurgga – Mattjisch Horn – Padels, Obersäss – Berghaus Arflina.

Wanderzeit: 3 Stunden.

Höhendifferenz: je 540 Meter auf- und abwärts.

Wanderkarte: 248 T Prättigau, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Hin und zurück: Der – private – Bus von Fideris Dorf zu den Heubergen fährt am Wochenende ab 9.30 Uhr jeweils zur halben Stunde, Talfahrt ist jeweils zur vollen Stunde bis und mit 16 Uhr. Unter der Woche ab sechs Personen auf Anmeldung. Die Busfahrt hin und retour kostet 13 Franken, für Kinder 10 Franken, für Familien 40 Franken.

Charakter: Leichte Wanderung, die bloss ein Minimum an Trittsicherheit verlangt. Familientauglich. Unglaublich aussichtsreich.

Höhepunkte: Die Fahrt im Bus von Fideris in die Heuberge. Der Rundblick vom Mattjischhorn. Das Fussbad im Schottenseeli ganz nah am Weg.

Kinder: gut machbar.

Hund: keine Probleme.

Einkehr: Berghaus Arflina, derzeit durchgehend offen.

Bikeboard: Statt den Bus zu nehmen, kann man die Talfahrt auch auf dem Bikeboard absolvieren, einem dreirädrigen Trottinett. Die Fahrt ist lang, circa 45 Minuten. Vorsicht, Gegenverkehr von unten! Mit dem Bikeboard mietet man auch den Helm, 19 Franken.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Zwei Höllenritte und eine sanfte Wanderung erschien zuerst auf Outdoor.


Das Spiel im Berg

$
0
0

Diese Woche von Baar via Höllgrotten und den Zugerberg nach Walchwil ZG


Ich war in meinem Wanderleben schon in vielen Höhlen; kürzlich zum Beispiel besuchte ich in Saint-Maurice im Wallis die Grotte aux Fées. Man geht unter Tage 500 Meter durch ein Tunnelsystem, das ein unterirdischer Fluss schuf. Dann eine Kaverne, ein Prasseln und Schiessen: ein 77 Meter hoher Wasserfall. Ich staunte.

Fertig mit dem Exkurs in die Romandie. Für diesmal geht es in den Kanton Zug, dessen Höllgrotten auch ziemlich beeindruckend sind. Wir starten am Bahnhof Baar, der Weg ist ausgeschildert und führt als Erstes zur Spinnerei an der Lorze, einem Industriemonument. Vor 150 Jahren war dies die grösste Spinnerei der Schweiz. Sie bot 500 Arbeiterinnen und Arbeitern ein Auskommen; in den Höllhäusern, einfachen Unterkünften, konnten sie ganz in der Nähe wohnen. Auch sie passieren wir.

Jacke mitnehmen!

Nun wird alles grün. Entlang der Lorze streben wir unseren Höhlen zu. Beim Restaurant Höllgrotten zuvor einzukehren, lohnt sich; es ist ein Oäschen der Gemütlichkeit und zieht sie alle an: die Biker, die Hündeler, die Schlenderpaare, die Wanderer. 15 Gehminuten dauert es hernach bis zu den Grotten. Am Kioskhäuschen kaufen wir ein Billett, steigen kurz im Hang auf, erreichen den Eingang, die Besichtigung der beiden Grotten vollzieht sich von oben nach unten. Und ja, Jacke mitnehmen! Im Innern beträgt die Temperatur zehn Grad.

Die Höllgrotten sind junge Höhlen, nur gerade 6000 Jahre alt. Aus Tuffstein bestehen sie, die Wände sind feucht, wir kommen an einem Seelein vorbei, an krötig-warzigen Gesteinsgebilden und -ausformungen, die zu deuten ein Spiel sein kann. Ein Rorschachtest unter Tage. Kinder lieben das. Wer hinter einer Familie geht, hört sie vorausrennen und dann rufen: «Mami, Mami, schau, ein Monster.»

Wenn wir wieder draussen sind im Hellen, beginnt die Wanderung erst richtig. Durchs schattig-kühle Tobel der Lorze halten wir aufwärts, bis der Punkt Schmittli kommt, an dem wir wieder das Licht erreichen, aber auch die viel befahrene Strasse zum Ägerisee. Wir queren sie, nehmen das Alpsträsschen hinauf zur Brunegg, alles wieder gut. Kaum sind wir ein wenig ins Keuchen geraten, kommt die gleichnamige Alpwirtschaft in Sicht. Auf ihrer Terrasse herrlich sitzen und hinab zum Ägerisee schauen. Es gibt rustikale Speisen wie Schüblig, Rösti, Käsekuchen.

Nun wird die Wanderung vollends zur Hügeltour. Wir ersteigen uns die Hochwacht; dieser windumtoste Punkt auf dem Zugerberg bietet viel Aussicht, zum Ägerisee gesellt sich der Zugersee.

Nizza liegt im Kanton Zug

Via Hochstock, Hünggigütsch und Fiselstuden wandern wir hinüber zum Buschenchäppeli, einem Kapellchen an einer Wegverzweigung. Die Wanderung dauert nun bloss noch eine gute Stunde. Doch uns entspannen, achtlos dahinschlendern können wir noch nicht. Es kommt das Früebüel, eine Forschungsstation der ETH mit Schwerpunkt landwirtschaftliche Nutztiere. Und es kommt der Hirschenhof, wo Leute biologisch bauern und ein paar Tipis sowie einen Totempfahl aufgestellt haben. Hernach gelangen wir zur Kante des Walchwilerbergs. Der folgende Abstieg hat es in sich: Sehr steil und rutschig ist der Waldpfad hinab nach Walchwil. Stöcke helfen.

Umso schöner, endlich das «Zuger Nizza», wie sich Walchwil nennt, zu erreichen. Hier gedeihen Palmen, Edelkastanien, Feigen. Und so endet die Wanderung sozusagen am Mittelmeer.
++
Route: Bahnhof Baar – Spinnerei an der Lorze – Höllhäuser – Höll – Höllgrotten – Lorzeweg bis Schmittli – Under Brunegg (Alpwirtschaft Brunegg) – Ober Brunegg – Hochwacht – Hochstock – Sätteli – Hünggigütsch – Fiselstuden – Buschenchäppeli – Früebüel – Süren/Hirschenhof – Allmigried – Bahnhof Walchwil.

Wanderzeit: 6 1/4 Stunden (ohne Visite der Höllgrotten).

Höhendifferenz: 791 Meter auf-, 786 abwärts.

Wanderkarte: 235 T Rotkreuz, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Zug von Walchwil Richtung Zug/Baar.

Kürzer: Von der Hochwacht auf dem Zugerberg kurzer Abstieg zur Zugerberg-Standseilbahn. Heimfahrt per Standseilbahn und Anschlussbus zum Bahnhof Zug. So dauert die Wanderung nur 3 3/4 Stunden (574 Meter aufwärts, 88 abwärts); auch diese Zeitangabe ohne Höllgrotten-Visite.

Charakter: Herrliche Abwechslung: Fluss, Höhle, Hügel mit viel Aussicht und zum Schluss ein fordernder Abstieg.

Höhepunkte: Die Höllhäuser, alte Arbeiterhäuser der Spinnerei an der Lorze. Die Höllgrotten. Der Blick von der Hochwacht auf zwei Seen. Das mediterrane Walchwil zum Schluss.

Kinder: Keine Probleme. Und die Höllgrotten als Spektakel.

Hund: Keine Probleme. In die Höllgrotten dürfen Hunde angeleint mit.

Einkehr: In Baar und Walchwil. Unterwegs: Restaurant Höllgrotten, 15 Minuten vor den Grotten am Wanderweg, Ruhetag Mo. Restaurant Schmidtli beim Schmittli, Neuägeri. Ruhetag Do/Sa, geschlossen auch am Mittwochnachmittag. Alpwirtschaft Brunegg, Mo/Di geschlossen, Saisonbetrieb bis 1. November. Besenbeizli, je nachdem mit Selbstbedienung, beim Hirschenhof, Süren. Hier kann man auch Hofprodukte kaufen.

Höllgrotten: Bis 31. Oktober täglich offen, 9 bis 17 Uhr. Kinderwagen/Buggys können nicht in die Grotten. Kioskhäuschen beim Eingang.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Das Spiel im Berg erschien zuerst auf Outdoor.

Kann denn so viel Schönheit wahr sein?

$
0
0

Diese Woche vom Brünig via Chäseren aufs Brienzer Rothorn (BE)


Die Wanderung aufs Brienzer Rothorn: eine der besten Touren meines Lebens. Die ganzen fünf Gehstunden lang bekämpften sich subtile Schauder und grosse Freude. Der Weg führt durch eine unglaublich steile Halde und ist eigentlich unmöglich; für sehr Schwindelanfällige ist er nichts. Und gleichzeitig liebte ich den Weitblick und Tiefblick auf all die Gipfel und den Brienzersee in seiner vom Gletscher ausgefrästen Mulde.

Das Übermass an Schönheit trug zum Gefühl bei, dass ich auf der Heimreise dachte: Das hast du nur geträumt, Widmer!

Gut, führte ich an jenem Tag meine Kamera mit. 192 Aufnahmen beweisen mir in Momenten des Zweifels, dass die Unternehmung stattgefunden hat. Sie begann bei strahlendem, vielleicht ein wenig heissem Wetter auf dem Brünig, wo ich aus dem Zug stieg, mein Ziel auf dem Wegweiser ausgeschrieben sah und gleich startete.

Alpogli klingt türkisch

Die stark befahrene Passstrasse wurde ich schnell los und mochte hernach das Einlaufen und Schnaufen im steilen, doch harmlosen Wald. Beim Totzweg stand eine Kuh, wetzte irgendwie die Klauen an einem Felsen und schloss sich mir an. Als der Zaun nahte und sie zurückbleiben musste, senkte sie traurig den Kopf – der Moment der Trennung.

Nach den Hütten des Wiler-Vorsess geriet ich in die wilde Flanke unterhalb des Wilerhorns und des Hörnlis. Bei Alpogli, was irgendwie türkisch klingt, passierte ich Lawinenverbauungen aus Holz. Dann Fluemeder, Salewang, Äbnet, der Pfad waagrecht durch die Flanke war schmal, war mal begrast, mal felsig, mal geröllig. Zur Linken ging es grauslig abwärts, an einer Stelle waren Ketten montiert.

Ich kam an Wegarbeitern vorbei. Zwei, drei Männer pickelten und bohrten, überall lagen Werkzeuge, ich dachte, dass dies eine harte Arbeit war, und fühlte Dankbarkeit. Weiter vorn waren zwei jüngere Typen ebenfalls am Ausbessern. Sie machten sich dazu einen Spass daraus, Steinbrocken mit viel Schwung in den Hang zu rollen; die Brocken kollerten talwärts, rissen andere Brocken mit, sprangen meterhoch, es knallte und donnerte durch Wiese und Wald. Das fand ich blöd und hoffte, dass unter uns keine Menschen waren. Auf meiner Karte waren unterhalb doch Wege eingezeichnet.

Bei der Alp Chäseren war das Gröbste ausgestanden. Weitgehend. Ich rastete, ass etwas Kleines. Der Lammbachgraben, ein Geröllkanal, war anschliessend noch einmal ein Gruselstück, man hätte sich auf den Hosenboden setzen und 1000 Höhenmeter nach Oberschwanden hinabrutschen können, einem Dorfweiler über Brienz. Oder doch nicht? Man hätte es wohl nicht überlebt.

Es walzt und klappert in der Halde

Dergleichen seltsame Ideen wälzend, langte ich keuchend beim Eiseesattel an. Das gleichnamige Seelein ganz in der Nähe: Augentrost von überirdischer Sanftheit, es schien mir, wie andere Dinge zuvor, nicht ganz von dieser Welt. Als ich drei viertel Stunden später die Schlusskehren absolviert hatte und auf dem Rothorn stand, spürte ich Erhabenheit.

Das Panorama war göttlich, ich genoss und genoss, bis mich endlich ein seltsames Walzen und Klappern aus der Schwelgerei riss. Das Dampfbähnchen von Brienz. Gleich noch einmal dachte ich, während ich der Seilbahn nach Sörenberg zustrebte: Kann das denn wahr sein, ein Zug auf diesen Wahnsinnsberg? Spinnen wir Schweizer eigentlich? Ist es ein kollektiver Landschaftsrausch, der da wirkt?

++

Route: Bahnhof Brünig-Hasliberg – Engiwald – Schäri/Totzweg – Bruni/Wiler-Vorsess – Alpogli – Fluemeder – Chäseren – Lammbachgraben – In Mederen – Eiseesattel – Brienzer Rothorn (Gipfel) – Brienzer Rothorn (Seilbahn).

Wanderzeit: 5 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: 1524 Meter auf-, 235 abwärts.

Wanderkarte: 254 T Interlaken, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit der Seilbahn nach Sörenberg, Schönenboden; von dort Buslinie nach Schüpfheim Bahnhof. Oder mit der Dampfbahn hinab nach Brienz.

Charakter: Anstrengende, dabei ungeheuer aussichtsreiche Bergwanderung. Schmale Wege, zum Teil leicht exponiert, mit viel Tiefblick. Trittsicherheit und eine durchschnittliche Schwindelresistenz nötig.

Höhepunkte: Jeder Meter ist ein Höhepunkt. Besonders: der erste Anblick des Brienzersees beim Totzweg. Die Rast bei der Alp Chäseren. Das tiefblaue Eiseeli. Die Ankunft auf dem Gipfel, wo einem auch der Blick nach Norden (Sörenberg) zuteil wird.

Kinder: Machbar, doch muss man sie im Auge behalten und anleiten. Kleine Kinder sichert man mit einem Seil.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Brünig und Rothorngipfel.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

Der Beitrag Kann denn so viel Schönheit wahr sein? erschien zuerst auf Outdoor.

Entzückende Randlage

$
0
0

Diese Woche zwei Juragipfel, Dent de Vaulion und Mont Tendre (VD)

Der Lac de Joux passte nicht auf das Landeskartenblatt La Sarraz 1:50’000. Die Gegend wurde separat auf die Hinterseite der Karte gedruckt, was ihre Randlage bestens illustriert. Genau deshalb lohnt sich die Reise in dieses Waadtländer Grenz- und Hochtal. Sie beschert die Empfindung, in einer anderen Welt zu sein, abgetrennt von allem, völlig losgelöst.

An einem grauen Herbsttag fuhr ich nach Vallorbe. Ich hatte zwei freie Tage zur Verfügung, wollte mir zwei Gipfel erobern und dazwischen den Lac de Joux geniessen. Der Plan, um es vorwegzunehmen, ging auf und bescherte mir eine grosse Erholung.

Tag eins: Dent de Vaulion

Tag eins widmete ich der Dent de Vaulion. Ich startete am Bahnhof Vallorbe, hielt hinunter ins Dorf. Vallorbe hat seinen Namen von der Orbe, einem breiten, verschlickten Fluss. Es begann der Aufstieg durch steilen Wald nach Sur le Voué. Menschen sah ich nicht. Ich kam aber, als ich auf dem breiten Bergkamm bereits Richtung Gipfel eingespurt war, an schwelenden Restfeuern vorbei; Waldarbeiter hatten eine Menge Holz verbrannt. Wo waren sie? Und wo war die Sonne? Sie spielte mit mir, tauchte kurz als matte Scheibe im grauen Himmel auf, entzog sich wieder.

Dann doch der Durchbruch ins Helle. Das Glück war immens, im Herbst werden Licht und Wärme Luxusgüter. Und schon war ich oben auf der Dent de Vaulion. Aus dem Nebelmeer ragten nah und fern Berge: der Mont d’Or, der Suchet, der Chasseron, die Hasenmatt. Aber auch die Rigi. Und, quel honneur, der Mont Blanc. Unter mir lag der Lac de Joux als milchig milde blaue Fläche. Mit mir waren auf dem Gipfel ein paar Leute, die meisten davon Autowanderer, die gut 20 Minuten weiter unten bei der Bergbuvette parkiert hatten.

Ich stieg ab auf guten Wegen, erreichte in Le Pont den See, den ich für mich Silbersee nannte, weil er so grandios glitzerte. Letzte-Tage-Stimmung waltete oder auch Kurstimmung: kein Kinderlachen, stattdessen ältere Leute in Mantel und Schal. Die Sonne glomm schwach, der Dunst setzte ihr zu. Ich kehrte ein, trank Tee, ass Kuchen. Ging hernach zum Bahnhof, fuhr elf Minuten Zuckelzug, stieg wieder aus in Le Rocheray. Unten am See hatte ich im Hotel Bellevue ein Zimmer reserviert. Als ich im schwindenden Tageslicht über das Wasser schaute, war die Unwirklichkeit wieder da. Wo war ich? War ich wirklich?

Tag zwei: Mont Tendre

Am nächsten Morgen fuhr ich wieder nach Le Pont, nahm den Bus nach Les Bioux, Ecole. Ein Dörfchen mit Kirche, der Nebel verlieh ihr noch mehr Stil. Der Aufstieg zum Mont Tendre fiel etwas strenger aus, als ich gedacht hatte, die Querung des sumpfig-waldigen Geländes Grand Essert de Bise zog sich hin. Endlich das Chalet de Yens. Einige Zeit später stand ich, diesmal ganz allein, auf meinem Berg des Tages, der seines Zeichens der höchste Schweizer Juraberg ist.

Ich ruhte. Die Sicht war schlechter als am Vortag, allzu weit sah ich nicht. Und die Sonne hatte diesmal bloss halbbatzige Präsenz, sie versprach viel, hielt es aber nicht. Kein Problem, so ist der Herbst, er ist geprägt vom Sehnen, vom Wissen um das Ende des Sommers, von der Spannung zwischen warm und kalt. Bald darauf, nach dem Abstieg in das fleissig-industrielle Le Sentier, fuhr ich heim. Im lauten Lausanne schien mir all das Erlebte schon unendlich weit weg.
++
Route Tag eins: Vallorbe Bahnhof – Vallorbe, Dorf – Les Revinnoz – Sur le Voué – La Mâche – Dent de Vaulion – Buvette Dent de Vaulion – La Petite Dent – La Dent – Sagne-Vuagnard – Le Pont – Le Pont, Station.

Wanderzeit: 4 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: 763 Meter auf-, 562 abwärts.

Route Tag zwei: Les Bioux, Ecole ( an der Buslinie Le Pont – Le Sentier/Le Brassus) – Pièce à Ferdinand – Grand Essert de Bise – Bois de la Rippe – Chalet de Yens – Mont Tendre – Cabane du Servan – Croset au Boucher – Couvert du Chef – Chalet du Chef – Sur le Crêt – Le Sentier-Orient, Bahnhof.

Wanderzeit: 5 Stunden.

Höhendifferenz:  707 Meter auf-, 721 abwärts.

Wanderkarte: 251 T La Sarraz, 1:50 000.

GPX-Dateien Tag eins und Tag zwei: Hier und hier downloaden.

Retour: Per Zug nach Lausanne.

Charakter: Zwei Tage mit zwei nicht allzu anstrengenden, dabei aussichtsreichen Juragipfeln. Bei Nässe ist das Kalkgelände glitschig. Dazwischen Erholung an einem der schönsten Schweizer Seen, dem Lac de Joux.

Höhepunkte: Der Ort Vallorbe irgendwo im Nirgendwo. Der Blick von der Dent de Vaulion auf den Lac de Joux. Die Schmalseite des Lac de Joux bei Le Pont im melancholischen Herbstlicht mit der Engelsstatue im See. Die Trockenmäuerchen am Mont Tendre.

Kinder: keine grossen Probleme. Im Gipfelbereich der Dent de Vaulion muss man sie beaufsichtigen, senkrechte Fluh zur einen Seite!

Hund: bestens.

Einkehr unterwegs: Am ersten Tag die Buvette de la Dent de Vaulion nach dem Gipfel, circa 20 Minuten unterhalb. Bis Ende Oktober offen.

Hotel: Am Lac de Joux gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel das Bellevue in Le Rocheray, 11 Bahnminuten ab Le Pont; es liegt schön am See, gute Küche. Allgemein empfiehlt es sich am Lac de Joux, früh zu reservieren. Allenfalls weicht man nach Vallorbe aus.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Entzückende Randlage erschien zuerst auf Outdoor.

Julien, 11 Jahre, Schluchtspezialist

$
0
0

Diese Woche von Thun via Heiligenschwendi auf den Blueme (BE)

Vor einiger Zeit bekam ich ein E-Mail aus dem Kanton Bern: «Hallo, ich heisse Julien und bin elf Jahre alt, kommen Sie mit mir wandern? Ich hätte Freude und Sie bestimmt auch.»

Obwohl ich bei solchen Anfragen meist Nein sage, sagte ich in diesem Fall Ja. Ich schrieb Julien, der in Münsingen wohnt, er dürfe auch noch jemanden mitbringen.

Wochen später vor dem Bahnhof Thun. Julien und sein Grossvater Heinz stehen da und winken, wir begrüssen uns und wandern gleich los, die Route haben wir vorher per Mail abgemacht. Auf den ersten Metern schon merke ich: Doch, das haut hin! Am Vortag hatte ich gedacht: Viele Kinder sind schüchtern. Wenn es ernst gilt und sie sich plötzlich mit einer fremden Person kombiniert finden, machen sie zu.

Er mustert mich und grinst

Julien ist nicht so. Er mustert mich immer wieder ernsthaft von der Seite, grinst dann, fragt mich nach meinen Routen und erzählt, dass Wandern sein Totalhobby sei. Und dass er demnächst in ein Wanderlager gehe, im Münstertal. Wir haben viel Gesprächsstoff.

Wir überqueren die Aare und halten entlang des Kanals Richtung Thunersee. Die Eleganz von Schloss Schadau wirkt französisch, man fühlt sich wie an der Loire. Bei der Schifflände Hünibach drehen wir in den Hang. Jetzt kommt die Cholerenschlucht. Wild ist dieser Geländeschlitz mit turmhohen Nagelfluhwänden. Julien freut sich. Er ist Schluchtspezialist und kennt mehr Schluchten im Land als ich. Diese, die Cholerenschlucht, könnte jederzeit den Drehort für einen Indianerfilm abgeben. Aber gibt es noch Indianerfilme?

Nach der Schlucht, einem kurzen Stück entlang einer Strasse und der Querung des Cholerengrabens auf einem schmalen Steg kommen wir in ein Gebiet der reizenden Hügel. Gegenüber die stattliche Ansiedlung sei Goldiwil, erklärt mir Heinz, auch er ein angenehmer Wanderpartner. Mit seinem Enkel zieht er fast jede Woche los, sie arbeiten eine Liste mit Ideen ab.

Wir leisten uns einen Abstecher zum evangelisch-methodistischen Kirchlein und zum Schulhaus Heiligenschwendi, neben dem ein Boot in der Wiese steht; Julien schaut sich mal kurz an Bord um. Wenig später sind wir in Schwendi, wie der eine Ortsteil der Gemeinde Heiligenschwendi offenbar heisst; kompliziert, diese Namenssache, als Nichtberner begreife ich sie nicht richtig. Im Alpenblick setzen wir uns draussen auf die Terrasse, die Aussicht ist grandios. Julien und Heinz picknicken in der Regel. Aber mir zuliebe machen sie eine Ausnahme.

Was der alles kennt!

Nach dem Essen – sehr gut! – steigen wir durch den Wald auf den Blueme. Zuerst erobern wir uns den westlich vorgelagerten Schwendiblueme, haben zu unseren Füssen das Rehazentrum Heiligenschwendi, das wir passierten. Und den Thunersee. Noch mehr Sicht bekommen wir etwas später vom Blueme-Aussichtsturm, Julien kommt gar nicht nach mit dem Benennen von Bergen, Hügeln, Dörfern. Was der alles kennt!

Ein kurzes Steilstück, dann sind wir auf einem Forststrässchen durch den Cheerwald, ein Spektakel sind die klaffenden Nagelfluh-Aufschlüsse. Bei der Säge von Schwanden endet die Unternehmung; wir freuen uns, dass das öffentliche WC offen ist, das Hahnenwasser ist angenehm kalt. Bald kommt der Bus hinab nach Sigriswil. Unten in Thun sind wir uns einig, dass wir wieder zusammen wandern wollen und werden. Wir stossen an auf unsere junge Wanderfreundschaft. Prost Julien, Prost Heinz, es war toll mit euch!

++
Wandern Thun Schwanden-01
Route: Bahnhof Thun – Holzbrücke über die Aare – Aare-Kanalweg, dann Seeuferweg bis Schifflände Hünibach – Cholerenschlucht – Sägerei – Steg über den Cholerengraben – Dörfli – Schulhaus Heiligenschwendi mit Kirchlein (kurzer Abstecher) – Schwendi – Rehazentrum – Wolfgrube – Schwendiblueme – Blueme, Turm – Cheerwald – Schwanden, Säge (Bus nach Sigriswil).

Wanderzeit: 4 3/4 Stunden.

Höhendifferenz: 900 Meter auf-, 380 abwärts.

Wanderkarte: 253 T Gantrisch und 254 T Interlaken, 1:50 000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Von Schwanden, Säge per Bus nach Thun mit Umsteigen in Sigriswil, Dorf.

Kürzer: Nur die erste Hälfte der Tour bis Heiligenschwendi. Das dauert 2 3/4 Stunden. 600 Meter aufwärts, 50 abwärts.

Charakter: Zuerst Flanieren am Wasser, dann eine Schluchtroute, dann Wandern im coupierten Hügelland mit viel Aussicht. Mittlere Anstrengung.

Höhepunkte: Schloss Schadau an der kanalisierten Aare. Die wilde Cholerenschlucht. Die Aussicht vom Blueme-Turm.

Kinder: Gut machbar. In der Schlucht auf dem Weg bleiben!

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Alpenblick, Schwendi. Sieben Tage die Woche offen, gute Küche. Am Schluss gibt es bei der Haltestelle Schwanden, Säge ein Atelier, das auch ein Café ist. Offen je nachdem.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Julien, 11 Jahre, Schluchtspezialist erschien zuerst auf Outdoor.

Die Bergparade

$
0
0

Diese Woche ein Abstieg – vom Moléson nach Les Rosalys (FR)

Was sind wir dieses Jahr aufgestiegen, was machten wir dabei Höhenmeter! Wir keuchten und schnauften uns aufs Brienzer Rothorn, aufs Mattjisch Horn, auf die Dôle, wir schwitzten und stöhnten uns zum Chrüzlipass und zur Geltenhütte und zur Chasseralkrete. Die Bergsaison war lang und streng, gönnen wir uns gegen ihr Ende doch einen reinen Abstieg. Eine easy Sache, neudeutsch gesagt.

Der Moléson, Hausberg der Freiburgerinnen und Freiburger, nicht besonders hoch, aber mit einem ungeheuren Panorama begnadet, eignet sich dafür bestens. Die Anreise ist das Abenteuer vor dem Abenteuer. Wir müssen ein ums andere Mal umsteigen. Von Bern aus geht es nach Freiburg, Bulle, Gruyères. Dort haben wir unseren Gipfel vor Augen. Wir nehmen den Bus zum Feriendörfchen Moléson-sur-Gruyères, wechseln zur Standseilbahn mit ihren Schienen auf Stelzen, erreichen in Plan-Francey die Seilbahn und gondeln nun direkt auf die gewaltige Wand des Moléson zu. Was für ein klotziger Kerl.

Oben ist nicht ganz oben

Oben sind wir noch nicht ganz oben. Der höchste Punkt ist von der Station fünf Gehminuten entfernt. Für diese kleine Mühe – ein Aufstieg ist das nicht wirklich – werden wir belohnt mit einer umfassenden und unfassbaren Sicht auf Gipfel rundum. Einer Bergparade. Der Moléson ist ein Balkon aus Kalk.

Sind wir wieder bei der Bergstation, beginnt unsere Unternehmung richtig. Die erste Wegpassage auf den Moléson-Nachbarn Teysachaux zu wirkt von weitem exponiert, ein Weg auf einer begrünten Gratschneide. Aus der Nähe besehen, erweist sich der geschickt angelegte Weg als unbedenklich; ausgesetzt ist man nirgendwo. Und so kommt der Teysachaux näher und näher. Vergnüglich, diese erste halbe Gehstunde. Und weiterhin freut sich das Auge über all die Zacken rundum. Aber nicht die Grundregel jeder Bergwanderung missachten: zum Schauen stehenbleiben!

Dann, bevor die Kraxelei zum Teysachaux begänne, biegen wir rechts ab. Es geht hinab zum Alpboden von Tremetta und weiter hinab nach Villard-Dessus, einem kleinen Pass; sehr schön der Direktblick hinüber zum Niremont gegenüber, welchen Sanftberg diese Kolumne auch schon empfahl.

Kontinuierlicher Niveauverlust

Wir bauen im Folgenden kontinuierlich Höhe ab, imposant der Abschnitt direkt unter den gerölligen Ausläufern des Tesaychaux. Mal auf Asphalt, mal auf Wiesen, mal im Wald, mal auf einem Holzschnitzelweg durch morastiges Gelände verlieren wir, man erlaube mir das Wortspiel, mehr und mehr an Niveau. Orte mit lustigen Namen wie Chalet Incrota, La Pudze, Les Pueys ziehen vorbei; manche der Namen künden davon, dass dies ein Gebiet des dialektalen Französischen ist, des Freiburger Patois. Man sagt, dass ein Pariser, wenn er solch raue Sätze hören würde, in Ohnmacht fiele. Gehört er der Académie Française an, erwacht er vielleicht gar nicht mehr, so wild ist die Aussprache, so entlegen die Grammatik dahinter, so gross also das Entsetzen des Hochsprachlers.

In Les Rosalys am Westrand der Feriensiedlung Les Paccots sehen wir gleich als Erstes die Bushaltestelle; der Bus fährt zum Bahnhof von Châtel-St-Denis. Ihn nehmen? Ja, aber später! Ich schlage vor, dass wir zuerst essen. Das heisst: Wir investieren fünf Minuten in eine Ministrapaze und steigen doch noch ein bisschen auf, ein Strässchen führt durch allerlei Chalets zum Restaurant Les Rosalys. Dort gibt es, zum Beispiel, ausgezeichnetes Wild. Auch abwärtslaufen macht Hunger, en Guete.

++
Route: Moléson Bergstation (- kurzer Abstecher zum Gipfel und retour in 15 Minuten) – Crête du Moléson – Tremetta – Le Villard-Dessus – Chalet Incrota – La Pudze – Les Pueys – Les Rosalys (westlicher Teil von Les Paccots).

Wanderzeit: 2 3/4 Stunden.

Höhendifferenz: 80 Meter auf-, 920 abwärts.

Wanderkarte: 262 T Rochers de Naye, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Bus von Les Rosalys zum Bahnhof Châtel-St-Denis.

Charakter: Kurz und herrlich. Ungeheuer aussichtsreich. Keine besonderen Schwierigkeiten, der Gratweg Richtung Teysachaux ist in diesem Abschnitt ungefährlich und nicht ausgesetzt.

Höhepunkte: Der Rundblick vom Moléson. Der schöne Gratweg im ersten Teil. Die charaktervollen Alphütten der Gegend.

Kinder: normale Anforderungen eines Bergweges.

Hund: keine Probleme.

Einkehr: Auf dem Moléson. Sehr schön ist am Schluss in Les Rosalys das Restaurant Les Rosalys fünf Gehminuten oberhalb der Bushaltestelle. Donnerstag Ruhetag.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Die Bergparade erschien zuerst auf Outdoor.

Die Radiowanderung Beromünster

$
0
0

Diese Woche von Sursee auf den Blosenberg und nach Beromünster (LU)

Vom Bahnhof Sursee schlendern wir in die Altstadt. Vor dem Rathaus, einem Prunkbau, mit dem das Landstädtchen früh Selbstbewusstsein zeigte, steht eine Frau. Sie sagt: «Sind Sie die Gruppe, die gebucht hat? Ich wäre die Führerin.»

Wir müssen die Frau enttäuschen. Eindruck macht uns der frühneuzeitliche Pranger hinter ihr an der Fassade des Rathauses, schweizweit eine Seltenheit. Bis ins 18. Jahrhundert war er in Betrieb. Wer in der leicht erhöhten Mauernische angekettet stand, war dem Spott und der Verachtung seiner Mitmenschen ausgesetzt.

Die sehr hohe Berghütte

Wir lassen Sursee hinter uns, erfreuen uns am Anblick des Sempachersees, überqueren die Autobahn, kommen nach Schenkon und Greuel; ein paar Neubauten passen zum Ortsnamen. Dann der Chäseriwald. Steil. Auf dem Grüt eine moderne Kapelle von 1961. Wir kommen mit einem alten Bauern ins Gespräch. Er erzählt, er sei früher viel in den Bergen gewesen, habe in Italiens höchster Berghütte auf 6700 Metern übernachtet. Wir widersprechen nicht.

Bald kommt auf dem Blosenberg – 8000, Pardon, 800 Meter über Meer – ein gewaltiger, dabei wunderbar filigraner Turm in Sicht: der Sendeturm des einstigen Landessenders Beromünster, 217 Meter hoch. Bevor wir ihm huldigen, biegen wir freilich, als wir auf dem Berg sind, rechts ab zur Kuppe mit dem Wasserreservoir. Ein rot lackierter Kasten auf einer Säule steht da mit einem Lautsprecher. Und unsere Wanderung verwandelt sich in eine Radiowanderung.

In und um Beromünster gibt es seit einiger Zeit einen «Radioweg». Die Säule ist eine Hörstation, die Nummer sieben von sieben solchen Stationen. Wir treten näher, drehen das Ding an, eine Stimme erzählt uns, wie damals im Jahr 83 die ersten privaten Lokalradios kamen. Wir finden das alle informativ und lustig. Einzig unser professioneller Medienjournalist mault. Er kennt das alles zu gut.

Bevor wir nun auf dem Radioweg hinab nach Beromünster halten, von Station sieben bis Station eins, bevor wir also zurück in die 1930er-Jahre reisen, begeben wir uns zum Sendeturm. Er ist mit einem Drahtzaun geschützt und macht in seinen Dimensionen noch mehr Eindruck als von fern.

Tabakschüür und Waldkathedrale

Hernach geht es abwärts mit uns, wobei wir bei jeder Hörstation innehalten und zuhören. Zudem schauen wir in der Huebe in die Tabakschüür, eine Besenbeiz, von deren Decke tatsächlich Tabakblätter baumeln. Es ist unsere viertletzte Attraktion. Die drittletzte, das ist die Waldkathedrale im Schlössliwald. Um 1790 errichtete man an erhöhter Stelle über Beromünster eine Art englischen Garten mit Rabatten, Kieswegen, halbhohen Hecken und Bäumen, wobei der Grundriss in allen Einzelheiten den einer Kathedrale nachahmte. In ihr durften die Chorherren des nahen Stifts lustwandeln. Heute erahnt man die einstige Herrlichkeit zwar noch, doch ist die Anlage aus der Form gewuchert und gewachsen. Die Bäume sind viel zu hoch.

Die zweitletzte Attraktion ist kurz darauf das Stift, ein Ensemble von Gebäuden und Prunkhäusern um die Kirche mit ihren Kunstschätzen. Beromünster war einst eine Klerikerrepublik, eine besonders stolze Ausformung des hiesigen Katholizismus. Wir Banausen finden freilich die letzte Attraktion noch interessanter. Im Hirschen, dem 500-jährigen Gasthof mit der roten Treppengiebelfassade, schlagen wir Radiowanderer uns den Bauch voll mit den allerherrlichsten Speisen.

++
Route: Sursee Bahnhof – Altstadt – Schenkon/Greuel – Chäseriwald – Grüt – Blosenberg, Wasserreservoir, Punkt 805 m. Ab hier (Hörstation 7) folgen wir dem Beromünster Radioweg (wir gehen ihn umgekehrt, von 7 nach 1): Blosenberg 783 m – kurzer Abstecher zum Sendeturm auf 797 m und retour – Oberlosen – Erlosen – Huebe/Besenbeiz Tabakschüür – Schlössliwald/Waldkathedrale – Stift – Beromünster, Flecken (Bus).

Wanderzeit: 2 3/4 Stunden. Nicht inbegriffen ist die knappe Stunde Hörzeit an den Hörstationen.

Höhendifferenz: 320 Meter aufwärts, 186 abwärts.

Wanderkarte: 234 T Willisau und 235 T Rotkreuz, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mehrere Buslinien ab Beromünster, eine führt nach Sursee.

Radioweg: Den Prospekt kann man auch als PDF downloaden.

Waldkathedrale: Hier und hier gibt es Informationen.

Charakter: Allerhöchstens mittlere Anstrengung. Viel Aussicht vom Blosenberg. Amüsante Radioreminiszenzen an den sieben Hörstationen.

Höhepunkte: Sursees Altstadt, immer wieder schön. Der Rundblick vom Blosenberg. Die Waldkathedrale, Architektur in der Natur. Der Blick auf Beromünster vom Schlössliwald. Das Essen im Hirschen Beromünster.

Kinder: Perfekt.

Hund: Perfekt.

Einkehr: In Sursee und Schenkon. In der Besenbeiz Tabakschüür in der Huebe kurz vor Beromünster muss man sich anmelden (oder man spekuliert), 079 712 00 59. Der Hirschen in Beromünster (sehr gute Küche) hat am Mo/Di Ruhetag und schliesst leider jeweils von 14 bis 17 Uhr. Im Ort gibt es weitere Lokale.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Die Radiowanderung Beromünster erschien zuerst auf Outdoor.

Zu Besuch bei den Ammelern

$
0
0

Diese Woche von Gelterkinden nach Anwil (BL)

Wir fahren in Gelterkinden ein, und mir fallen zwei Dinge ein. Erstens ist in Gelterkinden der Sänger Baschi geboren und aufgewachsen. Und zweitens zogen wir von Gelterkinden einst auf die Sissacherfluh. Das war schön.

Diesmal wollen wir uns der anderen Seite des Ergolztals widmen, dem südlichen Hang. Wir ziehen also los; dabei ist endlich wieder einmal unser geliebter St. Galler, der Hund Emil, natürlich begleitet von seinem ebenso geliebten Herrn, dem Hürzi.

Im Wald des Bettenbergs wird es kurz steil. Gut so. Es herbstelt gewaltig, der Morgen ist kühl, man will daher gern ein wenig arbeiten und sich erwärmen. Oben überrascht uns die Abruptheit der Thürnerfluh. Wir treten nach vorn, schauen über das Geländer, 200 Meter unter uns liegt Thürnen und fliesst der Homburgerbach.

Honig, was da wohl ist?

Die nächsten Kilometer sind leicht. Lange laufen wir im Wald und passieren dabei den Chüebrunnen; ganz nahe läge der Punkt Honig, was da wohl ist? Als wir wieder freies Land erreichen, ist auch das Dorf Rünenberg auf seinem Plateau nicht mehr weit. Wir durchqueren es, landen wieder im Wald, es geht abwärts, wir kommen ins Eital. Und dann geht es aufwärts und wir bekommen die zweite Überraschung serviert. Sie heisst Bettstigi. Ein schmaler Pfad zickzackt sich nach Art eines Alpenpasses die krasse Halde hinauf. Bis zu 70 Meter hoch sind die Fluhen rundum. Auch eine offene Höhle mit Feuerstelle und Bänkli sehen wir. Emil gibt den Höhlenforscher, verschwindet schnüffelnd im Dunkeln, taucht Gott sei Dank bald wieder auf.

Wir rasten, ich schaue ins Internet und lese ein wenig über die Geologie des Gebietes. Die Gesteinsart Hauptrogenstein prägt es. Es handelt sich um winzige Kügelchen – daher der Name «Rogen» – aus Muschelkalk, Sand und Kalzitkristallen, die an den Grund des damaligen tropischen Flachmeeres absanken und sich später im Kalkzement verfestigten.

In Wenslingen sind wir bald darauf reif für einen Kaffee und freuen uns, dass er möglich ist; das Dorfbeizli, das auch so heisst, ist offen. Gemütlich. Wir bestellen und lauschen dem Dialekt der Einheimischen. Allzu lange bleiben wir nicht. Im nächsten Dorf ist reserviert, wir wollen dort mittagessen. Doch zuvor geht es noch einmal in eine Niederung, die der Ergolz; sie, der Hauptfluss des Kantons Basel-Landschaft, ist an dieser Stelle zu Weihern gestaut. Naturfreunde freuen sich am Hirschzungenfarn und anderen Gewächsen, die in der feuchten Senke gedeihen.

Berühmtes Minidorf

Als wir einige Zeit später Anwil vor uns haben, erkläre ich meinem Grüppchen zwei Dinge. Zum einen müssen sie wissen, dass Anwil «Ammel» ausgesprochen wird. Die Einwohner sind nicht etwa Ammler, das sind die Leute von Amden im St. Gallischen. Sondern sie nennen sich Ammeler. Und zum anderen ist dieses Minidorf mit seinen knapp 600 Einwohnern berühmt, weil es im Baselbieterlied, der Kantonshymne, gleich zu Beginn vorkommt: «Vo Schönebuech bis Ammel, vom Bölche bis an Rhy.»

Meine Leute nicken beflissen. Doch mich beschleicht der Verdacht, dass sie dies weniger interessiert als das gleichzeitig vor uns sich zeigende Restaurant Jägerstübli – man beschleunigt den Schritt und setzt sich von mir ab. Die Einkehr im Lokal ist dann sehr befriedigend. Doch, die Ammeler wissen zu kochen und zu wirten; eine hervorragende Schweinsbratwurst beschliesst die abwechslungsreiche Unternehmung.

++
Route: Gelterkinden – Bettenberg – Thürnerfluh – Chüebrunnen – Runenberg – Hinterholz – Eital – Bettstigi – Wenslingen – Leimenhof – Stückligen – Tal (Weiher der Ergolz) – Anwil.

Wanderzeit: 4 Stunden.

Höhendifferenz: 568 Meter auf-, 366 abwärts.

Wanderkarte: 214 T Liestal und 224 T Olten, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Postauto von Anwil zum Ausgangspunkt Gelterkinden.

Charakter: Mittlere Anstrengung. Abwechslungsreich: weite Felder, Waldstücke, abenteuerliche Passagen im Wechsel. In der Bettstigi sieht es nach Steinschlag aus.

Höhepunkte: Der Tiefblick und Weitblick von der Thürnerfluh (schöne Grillstelle). Die Bettstigi vor Wenslingen, ein coupierter Zickzackweg unter Fluhen und an einer Höhle vorbei (wieder schöne Grillstelle, geschützt vor Regen).

Kinder: Punkto Distanz gut machbar. Auf der Thürnerfluh muss man auf Kinder aufpassen (trotz eines Geländers).

Hund: Perfekt.

Einkehr: Mehrere Möglichkeiten. Gemütliches Dorfbeizli, das auch so heisst, in Wenslingen (Do Ruhetag). Jägerstübli in Anwil, sehr gut! Mo/Di Ruhetag.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
++

Der Beitrag Zu Besuch bei den Ammelern erschien zuerst auf Outdoor.


Hoch über der Schlucht

$
0
0

Diese Woche von Vallorbe die Orbe hinab nach Orbe (VD)

Wir fahren früh los, um acht gibt es einen Direktbus von Yverdon nach Vallorbe. Unser Zug kommt, leicht verspätet, um zwei vor acht in Yverdon an. Die Busperrons vor dem Bahnhof wimmeln von Schülern, wir müssen uns durchwühlen, knapp schaffen wir es auf den Bus, uff!

Vallorbe ist charmant verschlafen. Vom Bahnhof ziehen wir hinab ins Dorf und treffen auf die verschlickte Orbe, den Hauptfluss der Gegend. Beim Eisen- und Eisenbahnmuseum gefällt uns eine Serie nostalgisierender Wasserräder. Als wir aus dem Ort sind, sehen wir weit vorn eine Bahnbrücke; der Viaduc du Day ist aus Stein und ersetzte 1870 als Teil der stolzen Linie Lausanne–Vallorbe–Paris ein Metallmodell, das schwerere Loks nicht tragen konnte.

Der Fischer klönt

Nach dem Viadukt – den wir nicht überqueren! – steigen wir ab in die rutschige Welt der Orbe. Nach dem Stauwerk wird die Sache kurz abenteuerlich: steile Stufen, ein schmales Weglein, riesige Felsbrocken und hohe Flühe, Steinschlaggefahr. Zur Rechten hat der Fluss Schwemmholz angehäuft, weiter unten stürzt er über eine Rampe, den Saut du Day.

Später wandern wir geradeaus an einem Kanal, den scherzeshalber ein Strassenschild als Rue des Pêcheurs bezeichnet, «Strasse der Fischer». Beim Steg der Usine de l’Ile treffe ich einen solchen Fischer. Er klönt: Man zahle dem Staat Pacht fürs Fischen, was ungerecht sei, da man extrem viel Gratisarbeit für den Unterhalt der Wege und Anlagen leiste. Ich nicke teilnehmend und gehe weiter.

Gleich nach dem Steg eine Überraschung. Ein Schild warnt vor Einsturzgefahr, gemeint sind wohl die Befestigungen des folgenden Wegabschnittes. Wanderer müssen eine Umleitung nehmen, die auf einer Karte sauber erklärt ist. Anstrengend geht es im Hang aufwärts, parallel zum Uferweg vorwärts, wieder abwärts zum angestammten Weg.

Vor Les Clées gefallen uns die Eisengeländer und kleinen Tunnel. Dann das Örtchen. Winziger kann ein Dorf gar nicht sein, es hat 162 Einwohner. Von einer grossen Vergangenheit kündet der Bergfried auf der Kuppe. Wir kehren ein im Restaurant de la Croix Blanche, werden nett empfangen, ärgern uns, dass wir so früh dran sind: Die Essenskarte sieht toll aus. Man wird wiederkommen müssen.

Die zweite Hälfte der Wanderung beginnt öd mit einem Forststrässchen. Anschliessend aber laufen wir auf einem Hangweg hoch über der Orbe-Schlucht. Der Fluss ist uns entrückt und strömt in einem schummrigen Schlitz, ab und zu erhaschen wir ein Stück von ihm. Grossartig die Wegführung mit gesicherten Stücken, schwindelerregend ist das nicht, aber atemberaubend.

Wo sind die Höhlen?

Das viereckige Staubecken von Montcherand kommt in Sicht. Einen Wegweiser zu den nahen Grotten zur Rechten, die auf der Karte eingezeichnet sind, entdecken wir nicht. Haben wir ihn übersehen? Kein Problem. Wir gehen zu der gesicherten Geländekante, ein Weglein führt etwas hinab zu einer Art unterer Terrasse, und wir finden zwei Höhlen. Die grosse ist mit Betonpfeilern befestigt wie eine Tiefgarage.

Entlang der Druckrohre des Staubeckens wandern wir vorwärts, langen bei einem Elektrizitätswerk an. Der Rest ist leicht, und nach gut viereinhalb Stunden sind wir in Orbe. Das Mittelalterstädtchen mit seiner Festung will erkundet sein, wir spazieren ausgiebig und sind uns wieder einmal einig: Wir Deutschschweizer müssen mehr in die Romandie. Gerade das Waadtland birgt enormen Reichtum; arm, wer es nicht kennt.

++

Route: Vallorbe, Bahnhof – Vallorbe, Dorf – Bahnviadukt (wir bleiben auf der rechten Seite der Orbe, nehmen also nicht den Weg über den Viadukt) – Barrage du Day – Saut du Day – Usine de l’Ile – Umleitung höher im Hang – Chemin Neuf – Les Clées – Vieille Morte – Staubecken Montcherand – (Abstecher zu den Grotten, fünf Minuten hin und zurück) – Le Chalet – Orbe, Post und Bahnhof.

Wanderzeit: 4 3/4 Stunden.

Höhendifferenz: 312 Meter auf-, 648 abwärts.

Wanderkarte: 251 T La Sarraz, 1:50 000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Eine gute Herbstwanderung, freilich können Teile des Weges feucht und rutschig sein, gute Schuhe tun not, ein Stock hilft. Abwechslungsreich mit atemberaubenden Tiefblicken in die Schlucht der Orbe, anderswo kommt man dem Fluss ganz nah. Zum Schluss eine historische Stadt, die man erkunden muss.

Höhepunkte: Vallorbe, wo die Zeit so langsam fliesst wie die Orbe. Der Wasserfall Saut du Day. Die Ankunft im winzigen Dorf Les Clées. Die Passage danach hoch über der Orbeschlucht.

Sicherheit: An manchen Orten auf dem Wanderweg muss man mit Steinschlag rechnen.

Kinder: Gut machbar, aber man muss sie manchenorts beaufsichtigen.

Hund: Eine tolle Vier-Pfoten-Route.

Einkehr: In Vallorbe und Orbe. Sowie in der Mitte der Wanderung in Les Clées, Restaurant de la Croix Blanche. Besonders gemütliches Lokal, nette Leute. Mo Ruhetag. Reservieren! 024 441 91 71.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Hoch über der Schlucht erschien zuerst auf Outdoor.

Als seien wir Heugabeldiebe

$
0
0

Diese Woche von Herisau via Stein und Haslen nach Appenzell (AR/AI)

Unser Samstagsplan ist klar und simpel. Wir wollen von Herisau nach Appenzell wandern, vom Ausserrhoder zum Innerrhoder Hauptort.

Stopp, halt! Fehler. Appenzell Ausserrhoden hat streng genommen keinen Hauptort. Klar, faktisch ist Herisau als Sitz der Regierung und des Kantonsrates das politische Zentrum. In der Vergangenheit aber war Trogen, wo die Justiz angesiedelt ist, eine Zeit lang der Hauptort. Herisau wehrte sich heftig gegen den Landsgemeinde-Beschluss von 1597 und schaffte es, dass die Sache wieder unklar wurde. Irgendwann war man der Sache müde, und so ist seit gut 180 Jahren Ausserrhoden hauptortlos. Weder die Kantonsverfassung noch ein Gesetz bezeichnen einen Hauptort.

Der Mord im Tobel

Via den Herisauer Gutsbetrieb Kreckel, das Kinderparadies Sedel mit Bahnen und Schaukeln, die Egg und den Churzenberg erreichen wir die gedeckte Holzbrücke von 1778 über die Urnäsch. Als sie zwei Jahre alt war, erlebte sie, wie zwei Einheimische bei ihr einen Zürcher Oberländer Viehhändler töteten und sein Geld an sich nahmen; später beseitigten die Mörder einen Mitwisser. Der historische Roman «Mit einem Schlag» von Walter Züst erzählt die wahre Geschichte nach.

Kaum dem sinistren Tobel entkommen, biegen wir unterhalb des Dorfes Hundwil beim Moos nach links ab und betreten das nächste Tobel, das des Sonderbaches, den ein schmaler Steg quert. Über Wilen und die Haltenweid halten wir anschliessend hinauf nach Stein – und nun wird es für mich kurz sehr persönlich: Ich bin Bürger von Stein und in Stein aufgewachsen; mein Elternhaus steht hier. Im Dorf zeige ich den anderen das Haus meiner Grosseltern beim Brunnen. Es ist längst verkauft und heute ein B&B.

Bei der Schaukäserei kehren wir ein, trinken etwas, kaufen Appenzeller Käse, die anderen rässen, ich milden. Toll der Besuch im angrenzenden Appenzeller Volkskunde-Museum, das die Welt der Sennen und der Textilheimarbeiter zeigt und dazu alte und neue Bauernmalerei. Eine Malerei von 1598 zeigt eine Eule, der andere Vögel zusetzen; gross und flehend sind die Eulenaugen, sie gehen mir die nächsten Stunden nicht aus dem Kopf (wer meine Kolumne im Internet anschaut, findet in der Bildstrecke ein Foto).

Ekliger Niederflurhund

Nächstes Ziel ist Haslen. Zuvor müssen wir über die Sitter, wieder ein Tobel, wieder ein Steg; der Fluss ist die Kantonsgrenze. Oben in Haslen, jetzt also in Innerrhoden, erinnern wir uns an eine frühere Wanderung, auf der wir im Dorf zu Mittag assen. Diesmal laufen wir durch, unsere Vision ist es, erst am Schluss in Appenzell zuzuschlagen. Die Route verschafft uns weiter viel einsames Bauernland: unteres Nördli, Büel, Rüti sind Orte, an denen wir durchkommen. Ein Kläffblässli setzt uns bei dem einen Hof zu. Das Niederflurtier bellt uns um die Fersen, als seien wir Heugabeldiebe.

Nach dem Anker müssen wir ein Stück auf der Strasse von Haslen nach Appenzell laufen – diese Art Wanderweg mögen wir gar nicht. Alsbald sind wir vollends im Talkessel von Appenzell und gleichzeitig auf einem Kapellenweg. Als wir dann ankommen im, jawohl, Hauptort der Innerrhoder, sind wir froh. Uff, das war wieder einmal eine lange Wanderung. Und jetzt? Suchen wir uns ein Restaurant, wo es Siedwurst gibt und einen guten Roten dazu.

++
Route: Herisau Bahnhof – Kreckel – Sedel – Egg – Churzenberg – Ufem Tobel – Alte Tobelbrücke – Moos – Sonderbachsteg – Wilen – Haltenweid – Stein, Dorf – Stein, Schaukäserei und Appenzeller Volkskunde-Museum – Auf Stein – Horgenbühl – Würzen – Sittersteg – Haslen – Unteres Nördli – Honegg – Büel – Rüti – Sägibachsteg – Lankerholz – Anker – Sitterbrücke – Franzistlis – Mettlen – Appenzell – Appenzell Bahnhof.

Wanderzeit: 6 Stunden.

Höhendifferenz: 860 Meter auf-, 820 abwärts.

Wanderkarte: 227 T Appenzell, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit der Bahn von Appenzell direkt nach Herisau und Gossau oder nach St. Gallen.

Kürzer: Die Teilstücke Herisau – Stein und Stein – Haslen – Appenzell sind annähernd gleich lang. Beide Etappen lohnen sich auch einzeln.

Charakter: Stilles, weitgehend untouristisches Appenzellerland (kleine Ausnahme: Schaukäserei/Volkskunde-Museum in Stein; grosse Ausnahme: Appenzell am Schluss). Wiese und Wald und immer neue kleine und grosse Tobel. Bei Nässe sind einzelne Partien rutschig.

Höhepunkte: Die alte Grubenmannbrücke zwischen Herisau und dem Moos, Hundwil. Die historischen Bauernmalereien im Volkskunde-Museum in Stein. Die Kirche Haslen. Die Siedwurst zum Schluss.

Kinder: Als Ganzes etwas weit. Vorsicht in den Tobeln!

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Diverse Möglichkeiten in allen Dörfern.

Schaukäserei Stein: Man kann zuschauen, wie gekäst wird, Käse kaufen und auch einkehren. Hier der Link.

Appenzeller Volkskunde-Museum Stein: Der Besuch lohnt sich: Sammlungen zu Textilheimarbeit, Sennenkultur, Bauernmalerei. Das Museum liegt gleich neben der Schaukäserei. Grosser Kiosk mit Souvenirs.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Als seien wir Heugabeldiebe erschien zuerst auf Outdoor.

Dieser November ist ein September

$
0
0

Diese Woche vom Weissenstein via Grenchenberg nach Plagne (SO/BE)

Die letzten Wochen waren ein Geschenk. Beharrlicher Hochdruck, gleissende Sonne, das Gelände weit hinauf schneelos, September im Oktober, September im November. Die Glücksmomente reihten sich, letzten Samstag etwa stiegen wir von Urnäsch auf die Hochalp und den Spicher, es war eine der besten Unternehmungen des Jahres.

Kürzlich machten wir auch eine grandiose Weissenstein-Wanderung; um sie soll es hier gehen. Sie begann bei der Bergstation der neuen Gondelbahn. Nebelsuppe unter uns, ein Aquarellhimmel darüber, am Horizont der Alpenkranz, Bergklötzchen an Bergklötzchen gefügt.

Vorsicht, glitschig!

Der Herrlichkeit zuwider ein kurzer Exkurs in die Niederungen des Alltags. Die Weissenstein-Gondelbahn hat ein Problem mit ihrem Zubringer. Um die Talstation in Oberdorf zu erreichen, nimmt man in Solothurn den Zug; das ist eine stimmige Sache. Doch diese Bahnlinie ab Solothurn, die gleich nach Oberdorf in den Tunnel sticht, auf der anderen Seite des Berges in Gänsbrunnen ans Licht kommt und nach Moutier fährt, ist bedroht. Der Tunnel könnte geschlossen werden, weil eine teure Sanierung ansteht und er nicht rentiert; letztlich ist die ganze Bahnlinie infrage gestellt. Bis Ende Jahr läuft eine statistische Erhebung, wie viele Leute durch den Tunnel fahren. Ein Komitee von Gemeindepräsidenten der Gegend fordert die Leute auf, unbedingt durchs Loch zu reisen und so die Frequenzzahlen zu verbessern.

Zurück auf den Berg. Wir gingen los, hielten nach Hinter Weissenstein, entledigten uns fortlaufend irgendwelcher Kleidungsstücke. Sonnencreme wurde aufgetragen oder nachgeschmiert. Die Hasenmatt, ein Ziel in sich, umgingen wir nördlich via Althüsli; auch so würde unser Weg lang werden.

Ein kurzer Aufstieg, und wir waren bei der Stallfluh, die gegen Süden senkrecht abfällt. Unser Pfad hielt sich im Gras abseits der Kante, der Rücken des Bergs war bequem breit, wir konnten den Blick schweifen lassen.

Etwas heikler war die folgende Passage, und ich muss an die Vorsicht der Spätherbstwanderer appellieren: Kalk ist derzeit im Schatten permanent feucht und glitschig. Bei der Küferegg kamen wir zu einer Stelle, wo der Hang zur Rechten abrupt abfiel. Wir mussten unsere Schritte mit Bedacht setzen. Ich war froh über meine guten Schuhe, nahm die Stöcke zur Hilfe. Mein Rat an diejenigen, die sich nicht trauen: nichts riskieren, umkehren und zum Trost die Hasenmatt erklimmen.

Entwarnung und Zmittag

Nach der Küferegg wurde alles leicht, wir hatten den Obergrenchenberg vor uns mit dem riesigen Windrad, in der Wirtschaft sass viel Volk. Der Untergrenchenberg eine halbe Stunde später: wieder eine Bauernwirtschaft. Wir fanden Platz. Mit dem Bestellen und der Auslieferung des Essens dauerte es, kein Wunder bei all den Bikern, Wanderern, Ausflüglern. Ein öffentlicher Bus stand ganz nah bereit. Jeweils Mittwoch, Samstag und Sonntag kann man am Nachmittag zum Bahnhof Grenchen Süd niederfahren.

Wir gaben gerne drei weitere Gehstunden dazu. Stierenberg, Wäsmeli, Montagne de Romont, Les Boveresses: alles herrlich besonnt, das Gemüt frohlockte. Endlich tauchten wir in den Wald hinab nach Plagne ein. Durch die Bäume blitzten uns letzte Sonnenstrahlen ins Gesicht.

Dann waren wir im Nebel, alles wurde kalt und feucht. Es war uns herrlich egal nach dem mit Licht und Wärme vollgepackten Tag.
++
Route: Weissenstein, Bergstation und Kurhaus (ab 23. November ist die Bahn wegen Revision geschlossen) – Hinter Weissenstein – Althüsli – Stallfluh – Küferegg – Obergrenchenberg – Untergrenchenberg – Stierenberg – Wäsmeli – Sur le Châble/Montagne de Romont – Les Boveresses – Plagne.

Anreise: Ab Solothurn SBB mit dem Zug nach Oberdorf zur Weissenstein-Gondelbahn.

Wanderzeit: 6 Stunden.

Höhendifferenz: 580 Meter auf-, 970 abwärts.

Wanderkarte: 223 T Delémont und 233 T Solothurn, 1: 50 000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Bus von Plagne nach Biel SBB.

Kürzer: Man kann nach gut 3 Gehstunden in Untergrenchenberg aufhören und den Bus zum Bahnhof Grenchenberg nehmen. Achtung, dieser Bus fährt nur Mi/Sa/So, 14.45 und 16.45 Uhr.

Charakter: Wunderbar aussichtsreich, ziemlich anstrengend mit coupierten Partien. Herrlicher Jura.

Sicherheit: Im Schatten ist der Kalk derzeit auch glitschig, wenn es an sich trocken ist. Bei der Küferegg gibt es eine Passage, bei der man aufpassen muss; vorsichtig gehen, Stöcke brauchen! Wer sich nicht traut, kehrt um.

Höhepunkte: Die Nebelfreiheit beim Kurhaus Weissenstein. Der Blick zum Alpenkranz. Der weite Rücken über der Stallfluh mit dem Blick zum Chasseral.

Kinder: An sich gut machbar. Siehe den Punkt zur Sicherheit.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Auf dem Weissenstein. Althüsli (Mi/Do Ruhetag). Obergrenchenberg (Mi/Do Ruhetag). Untergrenchenberg (Mo Ruhetag). Stierenberg (Mo/Di Ruhetag). Au Vieux Grenier in Plagne (Mo/Di Ruhetag).

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Dieser November ist ein September erschien zuerst auf Outdoor.

Ein Berg ganz für uns allein

$
0
0

Diese Woche von Eglisau auf den Irchel und nach Dättlikon ZH

Man sagt, es gebe kein schlechtes Wetter, es gebe bloss schlechte Kleidung. Der Spruch fiel mir am Schluss unserer Irchel-Wanderung ein, als ich tropfnass war und Wasser in den Schuhen hatte – ich fragte mich, ob er nicht Blödsinn ist. Jedenfalls gibt es eine Art Regen, vor dem die beste und teuerste Outdoorware kapituliert.

Das war schon speziell. Wir fuhren nach Eglisau und zogen los, es regnete vorerst sanft. Durchaus ein guter Start also. Via den Ortsteil Tössriederen gingen wir Richtung Tössegg, mochten das Gelände und die Art, wie uns der Wanderweg hoch über dem Rhein führte, den wir zur Linken durch die Bäume und Büsche der steilen Uferhalde erblickten.

Die Wirtin hatte Mitleid

Die Tössegg: Ein beliebtes Ausflugsziel, sie ist der Ort, wo die Töss in den Rhein mündet, was man je nach Laune und Gemüt als Paarung oder Selbstaufgabe empfinden kann. Wir hielten uns nicht länger über die Frage auf, denn es regnete jetzt stark. Froh waren wir, dass das Gasthaus uns aufnahm. Eigentlich hatte es um diese Vormittagszeit knapp noch nicht offen, aber die Wirtin hatte wohl Mitleid – sehr nett.

Nach dem Kaffeehalt stiegen wir auf nach Teufen, das Dorf ist schmuck, Riegelbauten sind eine geniale Erfindung – aus ästhetischer Sicht. Und wir stiegen weiter auf zum Irchel. Über diesen Berg habe ich in den letzten Jahren sicher hundert Mal gedacht: typisch Jura. Bloss sieht der Irchel, dieser langgezogene Kamm, nur nach Jura aus. In Wahrheit ist er aus Molasse gebaut und also punkto Geologie Teil des Schweizer Mittellandes.

Steil der letzte Teil vor der Irchel-Hochwacht: Stufen, ein Geländer. Dann waren wir oben, traten an die Kante und sahen gar nichts ausser Nebel. Schwarz vor Nässe die Bänke und Tische, von den Bäumen plitschten fette Tropfen auf uns. Es war der Moment, die Erinnerungsmaschine einzuschalten. Ich war schon zwei Mal an diesem Punkt, die Sicht ist grandios: Erhaben steht man über dem Rhein, an dessen anderem Ufer das Schaffhauser Höhendorf Buchberg auch ein grosses Wanderziel wäre. Und in der Ferne zieht sich in Eglisau der Eisenbahnviadukt über den Fluss.

Eine majestätische Sache, dieser Irchel. Die alten Römer erkannten sein Potenzial als Sperrriegel, bauten eine Wachtstation und integrierten ihn in ihren rheinischen Limes-Abwehrriegel gegen die Germanen. Die Legionäre, die aus Rom nach Helvetien kamen, blieben in der Regel nach der Ausmusterung in der Gegend; sie pflanzten die aus dem Süden mitgebrachten Reben und stifteten so den Weinbau im Weinland.

Lechzend in der Beiz

So sinnierte ich, während meine Wanderschuhe durch den Waldmatsch pflotschten. Und nun bitte ich den Leser und die Leserin, mir zu glauben, dass ich allerbester Laune war. Eben, die Aussicht vom Irchel kannte ich bereits, so dass in mir nicht das Gefühl aufkam, ich würde etwas verpassen. Und vor allem aber war da kein Mensch, wir hatten an diesem kühlen Feuchttag den Berg ganz für uns allein und verspürten Besitzerstolz.

Der Weg führte uns alsbald über den Irchelrücken nach Südosten, die Luft im dichten Wald war feucht zum Greifen – Amazonasfeeling. Auf den kurzen Abstecher zum Aussichtsturm beim Heerenbänkli verzichteten wir: eben, keine Sicht. Einige Zeit später sassen wir unten in Dättlikon in der Traube an der Wärme, tranken Rotwein und blätterten lechzend durch die Speisekarte. Der Herbst ist eine grossartige Jahreszeit durch den Kontrast von Entbehrung und Genuss.

++

Route: Eglisau Bahnhof – Tössriederen – Waldheim – Tössegg – Teufel – Irchel, Hochwacht – Buechemer Irchel – Lochhalden – Tal – Dättlikon.

Wanderzeit: 4 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: 455 Meter auf-, 412 Meter abwärts.

Wanderkarte: 215 T Baden, 1:50 000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Buslinie Dättlikon–Winterthur

Charakter: Zuerst dominieren zwei Flüsse, der Rhein und die Töss. Dann geht es, nicht allzu streng, auf einen Berg. Bei Nässe rutschige Wege. Bei gutem Wetter grandiose Aussicht vom Irchel; in diesem Fall lohnt sich auch, bevor man nach Dättlikon absteigt, der kurze Abstecher zum Irchel-Turm beim Heerenbänkli über Buch.

Höhepunkte: Die Tössegg, wo die Töss in den Rhein strömt. Der Blick von der Irchel-Hochwacht (bei gutem Wetter) auf den Rhein und hinüber zum Buchberg. Ankunft und Einkehr in Dättlikon.

Kinder: Keine Probleme, einzig bei der Irchel-Hochwacht ist Vorsicht geboten.

Hund: Gute Hunderoute.

Einkehr: In Eglisau und Teufen. Restaurant Tössegg: 7 Tage offen. Traube in Dättlikon: Mo/Di Ruhetag. So durchgehend warme Küche.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

Der Beitrag Ein Berg ganz für uns allein erschien zuerst auf Outdoor.

Im Grenzgebiet

$
0
0

Diese Woche von Engen nach Aach (Baden-Württemberg)

Auch Wochen danach bin ich Christine dankbar für den Tipp und die Begleitung. Dank ihr kann ich heute mit einem Superlativ aufwarten. Der Aachtopf, Wanderziel dieser Kolumne, ist die stärkste Quelle Deutschlands. 24’000 Liter Wasser gibt der Topf in Spitzenmomenten pro Sekunde her.

Christine hatte ich im Sommer kennen gelernt, im Zürcher Weinland. Sie erzählte mir damals, dass sie in Diessenhofen wohne. Dass sie lange Jahre von Winterthur aus Wanderungen geleitet habe. Und dass der Hegau, das Land nördlich von Schaffhausen, eine tolle Wandergegend sei. Wir machten ab, dort mal zu wandern.

Vorbei am McDonald’s

Und dann ist es so weit. Wir starten in Engen; allerleichtestens gelangt man dorthin per Bahn ab Schaffhausen. Vor dem Bahnhof eine Überraschung, mitten in Baden-Württemberg ein Schweizer Wanderwegweiser. Er ist allerdings leicht modifiziert und zeigt statt der Gehzeiten Wegkilometer an. Aber die gelbe Farbe heimelt doch an. Aach ist ebenso aufgeführt wie unser Zwischenziel, der Petersfels.

Wir passieren das Bildungszentrum Engen. Und den McDonald’s. Eine Autobahnunterführung – danach wird es idyllisch. Wir gelangen in das enge, bachlose Brudertal. Zur Rechten zeigt sich als unterhöhlte Minifluh im Grashang der Petersfels, benannt nach einem pensionierten Postfunktionär, der ihn vor bald 100 Jahren erforschte. In der späten Eiszeit hauste in der Felshöhle Jägervolk. Es betrieb im Tal, das nur eine Öffnung hat, Treibjagd, indem es das Wild einkesselte. Heute ist um den uralten Lagerplatz der sogenannte Eiszeitpark eingerichtet. Ein Infoschild zeigt ein Tanzfest der Prähistorie, barbrüstige, mit roten Farbstreifen geschmückte junge Frauen tanzen im Kreis.

Wir kommen zu einem schilfumstandenen Flachweiher, halten hinter dem Schmiedsberg weiter nach Osten, steigen auf den Hügel Eggen. Am Punkt Homberg biegen wir ab nach Auderle, wählen dort die Variante Buchenbühl, steigen vom Buchenbühl auf zur Altstadt von Aach. Zu ihr sind drei Dinge zu sagen. Erstens ist sie winzig, Aach hat nur 2000 Einwohner, von denen ein Bruchteil im alten Kern lebt. Zweitens ist dieser Kern von Neubauten verschandelt. Und drittens kompensieren dies die herrliche Kirche, Teile der Stadtmauer, die Stadttore. Und vor allem die Terrasse, von der aus wir den halben Hegau mit seinen Vulkankegelchen sehen. Schade, ist es dunstig, der Alpenkranz ist nicht auszumachen.

Schoggi-Explosion

Wir verlassen die Altstadt und streben dem Kriegerdenkmal zu, das der Gefallenen zweier Weltkriege gedenkt. Zehn Minuten später langen wir beim Aachtopf an. Ein kleiner Steg überbrückt die Stelle, wo die Radolfzeller Aach entspringt. Im Untergrund machten wir dunkle Stellen aus, eine Art Kalkschlitze. Das im Aachtopf ans Licht kommende Wasser versickert 12 Kilometer entfernt im Boden, es handelt sich um Donauwasser.

Wir haben nun Hunger. Die Jägermühle, das anliegende Ausflugsrestaurant, entpuppt sich als Kuchenparadies, herrlich, so eine Zucker-Rahm-Schoggi-Explosion im Bauch. Zwanzig Meter entfernt nehmen wir einige Zeit später den Bus retour nach Engen. Dort besichtigen wir die Altstadt. Sie ist ein Bijou, das sich mit Schweizer Orten wie Sursee, Burgdorf, Orbe jederzeit messen kann, man muss sie gesehen haben. Bei dieser Wanderung hat einfach alles gestimmt. Und daher, eben, bin ich Christine dankbar.

++
Route: Bahnhof Engen, Wanderwegweiser vor dem Bahnhof – Bildungszentrum Engen – McDonald’s – Autobahn-Fussgängerunterführung – Brudertal – Petersfels – Homberg (Punkt mit Wanderwegweiser auf dem Hügel Eggen) – Auderle – Buchenbühl – Aach, Altstadt – Aach, Kriegerdenkmal beim Schulhaus – Jägermühle (Restaurant) – Aachtopf – Jägermühle.

Wanderzeit: 2 1/2 Stunden.

Höhendifferenz: Circa 150 Meter aufwärts und 170 abwärts (Schätzung).

Wanderkarte: 405 T Schaffhausen/Stein am Rhein, 1:50’000. Die Route liegt am oberen rechten Kartenrand, ein kleines Stück (Petersfels) ist nicht mehr abgebildet; dennoch kann man sich mit der Karte genügend orientieren. Ab Eggen/Homberg weicht unsere Route von der rot eingezeichneten Kartenroute ab, die die Altstadt Aach ignoriert und direkt zum Aachtopf steuert.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Bus. Die Haltestelle befindet sich direkt vor der Jägermühle. Es gibt Busse nach Engen und Singen. Viele Kurse. Man beachte auf dem Fahrplan die Signaturen S (Schulzeit) und F (Ferien).

Charakter: Zuerst Stadt, dann ein ruhiges Tal, dann das Naturwunder Aachtopf. Kurz und sehr abwechslungsreich.

Höhepunkte: Der Petersfels im Brudertal. Die erhöhte Mini-Altstadt von Aach, bei gutem Wetter sieht man die Vulkankegel des Hegaus und den Alpenkranz. Der Aachtopf und gleich danach die Einkehr in der freundlichen Jägermühle.

Tipp: Unbedingt sollte man sich vor oder nach der Wanderung Zeit für die Besichtigung der grossartigen Altstadt von Engen nehmen.

Kinder: Bestens geeignet.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: In Engen und in Aach. Perfekt gelegen ist die Jägermühle (einfache Küche) direkt beim Aachtopf und bei der Bushaltestelle. Jeweils ab 11 Uhr geöffnet, Di Ruhetag.

Hegau: Der Hegau ist ein Wanderparadies. Ideen und Information gibt es hier.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

++

Der Beitrag Im Grenzgebiet erschien zuerst auf Outdoor.

Viewing all 250 articles
Browse latest View live