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Oben ankommen ist wie heimkommen

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Diese Woche von Niederbipp via Hofbergli auf den Weissenstein (BE/SO)

Den Weissenstein ersteigen wir, mein Grüpplein und ich, jedes Jahr gern aufs Neue. Zahllos sind die Routen durch seine Flanken, die eine dem Mittelland zugeneigt, die andere dem Jura. Der Weissenstein wird lebenslänglich nie langweilig.

Diesmal starten wir in Niederbipp. Hinüber nach Oberbipp übertun wir uns nicht, die Strecke ist perfekt zum Einlaufen, ein wenig Sicht auf das breite Tal der Aare bekommen wir auch schon. In Oberbipp leisten wir uns einen kurzen Abstecher von der Wandertraverse am oberen Dorfrand hinab zur Kirche. Auf dem Kirchhof gibt es ein vor wenigen Jahren in der Nähe ausgegrabenes, an diesen Ort überführtes Dolmengrab zu besichtigen. Eine aus grossen Steinen geschaffene, höhlenartige Grabstätte der Vorgeschichte.

Feuer in der Bettlerküche

Nun beginnt die eigentliche Strapaze, wobei sich coupierte Abschnitte mit eher flachen abwechseln. Wir passieren im Steilhang die Ruine Bipp, kommen nach Rumisberg, erreichen hernach Farnern. Wer die Wanderung abkürzen will, gelangt mit dem Bus in dieses Dorf und braucht bis zum Weissenstein statt fünfeinhalb nur dreieinviertel Stunden; dies nebenbei bemerkt.

Im Restaurant Jura trinken wir etwas. Hernach attackieren wir die bewaldete Kalkkrete vor uns. Oben sind wir begeistert, nachdem uns der Name «Bettlerküche» die letzten zwei Stunden bereits fasziniert und ins Spekulieren gebracht hat. Die Bettlerküche stellt sich als charismatischer Waldplatz zwischen hohen Felsen heraus und mag einst dem fahrenden Volk als Lagerplatz gedient haben; die Obrigkeit mochte wohl auch nicht jeden Tag so hoch hinauf ausrücken und die Leute verscheuchen.

An unserem Tag brennt in einer Mulde tatsächlich ein Lagerfeuer. Die Bettlerküche lebt. Junge Kletterer haben das Feuer entfacht, der Tag ist kühl, sie wärmen sich zwischen den Klettergängen auf.

An der Krete ziehen wir vorwärts, bis zum Einschnitt beim Hochchrüz haben wir zur Linken eine abrupte Kante, doch zwingt uns der Weg nicht ganz nah an sie heran; in die Tiefe schauen ist freiwillig. Bald darauf sind wir beim Hinteren Hofbergli, treten ein, freuen uns; was für ein heimeliges Lokal. Und der Hackbraten in der einfachen Wirtschaft ist grandios.

Kinderkreischen in den Bäumen

Nach dem Zmittag müssen wir wieder steigen, wir nehmen sogar freiwillig den kleinen Hügelspitz beim Niederwiler Stierenberg mit. Die Sicht ist umfassend, reicht bis zu den Alpen. Einkehren könnten wir auch wieder, sind bloss immer noch satt. Bis zum Balmberg ist uns nun eine eher lockere Passage gegönnt. Dort kommen wir am Seilpark vorbei. Kinderkreischen zwischen den Bäumen; wer eine Familie hat, kann die Attraktion gleich ins Wanderprogramm einbauen. Und übrigens gibt es auch vom Balmberg Busse talwärts.

Wir selber wollen höher hinaus, auf den Weissenstein eben. Freilich verzichten wir auf die strengste Variante via Röti, wie vorgelagert der höchste Punkt des Solothurner Hausberges heisst. Rechterhand umgehen wir die Röti und erreichen unser Schlussziel, das Kurhaus mit der Gondel-Bergstation, auf einem breiten Forststrässchen, einer ebenmässigen Rampe.

Oben ankommen ist dann wie heimkommen. Endlich wieder auf dem Weissenstein! So soll es auch die nächsten Jahre weitergehen mit uns und diesem schönen Berg.

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Route: Niederbipp, Bahnhof – Chapf – Oberbipp, kleiner Umweg zum Dolmengrab auf dem Kirchhof – Ruine Bipp – Rumisberg – Farnern – Wüestrüti – Bettlerküche – Hochchrüz – Hinteres Hofbergli, Restaurant – kleiner Umweg zum Niederwiler Stierenberg (Restaurant) – Oberbalmberg – Kurhaus Weissenstein, Bahn.

Wanderzeit: 5 1/2 Stunden.

Höhendifferenz: 1118 Meter auf-, 305 abwärts.

Kürzer: Man kann auch erst in Oberbipp starten, dann braucht man eine Stunde weniger. Substanzieller verkürzt sich die Route, wenn man erst in Farnern (Busstation) startet; minus 2 1/4 Stunden, 440 Höhenmeter weniger im Aufstieg und 93 weniger im Abstieg.

Wanderkarte: 223 T Delémont, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Gondelbahn vom Weissenstein zur Bahnstation Oberdorf (direkter Zug nach Solothurn SBB).

Charakter: Anstrengend, flache Passagen und coupierte Abschnitte im Wechsel. Aussichtsreich. Besonders schön an einsameren Tagen.

Höhepunkte: Das prähistorische Dolmengrab auf dem Kirchhof Oberbipp. Der markante Platz Bettlerküche. Die Einkehr im Hofbergli. Der Rundblick von der Kurhaus-Terrasse auf dem Weissenstein.

Kinder: Gut machbar. Eventuell kombinierbar mit dem Besuch des Seilparks auf dem Balmberg.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Hofbergli (hinteres Hofbergli), Mo/Di Ruhetag. Niederwiler Stierenberg, Fr Ruhetag. Daneben gibt es weitere Wirtschaften in den Dörfern (Farnern: Restaurant Jura, Mi Ruhetag). Und natürlich auf dem Weissenstein.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Beitrag Oben ankommen ist wie heimkommen erschien zuerst auf Outdoor.


Dörferhüpfen auf der Strada Alta

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Diese Woche das oberste Drittel der Strada Alta ab Airolo (TI)


Tessiner Dörfer sind schon durch ihre Namen Poesie. Madrano, Brugnasco, Altanca, Cresta di Sopra, Ronco, Deggio, Lurengo, Freggio, Osco, Mairengo: Klingt das nicht unnachahmlich?

Ich kam durch diese Flecken an meinem Tag auf dem obersten Abschnitt der Strada Alta. Jeder war ein wenig anders, und doch hatten sie vieles gemein: eine Portion Trautheit durch die Gedrängtheit ihrer Häuser am Hang. Eine ebenso grosse Portion Traurigkeit oder doch Wehmut angesichts des Schwundes an Menschen und Leben in den letzten Jahrzehnten. Weitsicht das Tal hinab und auf die schneebedeckten Berge. Und immer wieder passierte ich ein Kirchlein aus kristallinem Stein.

45 Kilometer Panoramaweg

Strada Alta, so nennt sich der ostseitige Höhenweg die Leventina hinab; er beginnt in Airolo und zieht sich, immer in pfleglichem Abstand zum geschäftigen Talgrund mit Bahn und Strasse, bis Biasca. 45 Kilometer sind das. Manche Abschnitte verlaufen auf Hartbelag, andere muten wild und atemberaubend an; als Ganzes stimmt die Dramaturgie.

Ich machte das erste Drittel der Strada letztes Jahr im fortgeschrittenen November und ging damals ernsthaft davon aus, ich könnte die Route gleich anschliessend in der Zeitung bringen. Doch in derselben Woche kam mit Macht ein Temperatursturz, und so musste ich das Schreiben verschieben.

Nun ist wieder Strada-Alta-Saison, ich möchte in den nächsten Monaten alle drei Etappen einzeln präsentieren. Heute also Etappe eins. Sie begann in Airolo bei blitzendem Morgenlicht. Ich hielt aus dem Dorf, kam nach Valle; von links oben, aus dem Val Canaria, zog sich ein Tobel hinab. Es war das erste, das zu queren war; schwierig war das nicht. Bald darauf gönnte ich mir in Brugnasco einen Kaffee. «Tazza grande?», wurde ich wie jeder Deutschschweizer gefragt. «Ja», nickte ich, denn ich wollte keinen Espresso, der bei den Tessinern bekanntlich lapidar «caffè» heisst.

Nach der Rast ging das Dörferhüpfen weiter, es würde keinen Sinn ergeben, davon linear zu erzählen. Sagen wir zusammenfassend, dass bis Lurengo alles gesittet verlief: Da war etwas viel Hartbelag, aber gleichzeitig sah ich weit in den Süden und auf die verschneiten Berge. Und es gab auch Abschnitte im Wald und durch Wiesen. Ab und zu sah ich unten die Autobahn und dachte: Arme Raser, ihr verpasst bei eurer Geschwindigkeit das Wesentliche.

Schauerliche Flühe

Nach Lurengo änderte sich alles. Die nächste halbe Stunde war Abenteuer. Der Weg zog in den Bosco d’Öss, einen verzauberten Wald. Steinplatten führten den Steilhang hinab, ich freute mich, dass der Boden trocken, also nicht rutschig war, und kam – stets in gutem Abstand – an schauerlichen Senkrechtflühen vorbei.

In Freggio beruhigte sich alles. Ich stieg, wieder auf einem Strässchen, nach Osco auf, Ende der eigentlichen Tagesetappe. Allerdings war ich zu freudig erregt von der Unternehmung, um anderthalb Stunden auf den Bus zu warten. Ich beschloss, bald wieder nach Osco zu kommen für die zweite Etappe, und stieg in weniger als einer Stunde ab ins verschattete Faido. So war das letzten Herbst auf der Strada Alta.

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Route: Airolo, Bahnhof – Valle – Madrano – Brugnasco – Altanca – Cresta di Sopra – Ronco – Deggio – Lurengo – Bosco d’Öss – Freggio – Osco – Mairengo – Faido Bahnhof.

Wanderzeit: 6 Stunden.

Höhendifferenz: 754 Meter auf-, 1079 abwärts.

Kürzer: Wer in Osco aufhört und das Postauto nach Faido nimmt, braucht 45 Minuten weniger und spart 400 Abwärtsmeter.

Wanderkarte: 266 T Valle Leventina, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Längere Abschnitte auf Hartbelag. Im Kontrast ein wildes Stück nach Lurengo im Bosco d’Öss auf Steinplatten im Steilwald. Aussichts- und abwechslungsreich mit charaktervollen Kirchen.

Höhepunkte: Die Unterquerung der ultrasteilen Ritom-Standseilbahn kurz vor Altanca. Das fulminante Wegstück durch den steilen Bosco d’Öss. Die Rast in Osco.

Kinder: Keine Probleme. Doch Vorsicht im Bosco d’Öss! Der Pfad ist nicht ausgesetzt, führt aber an senkrechten Flühen vorbei.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: In einigen Dörfern. Zum Beispiel: Bar Sole in Brugnasco. Osteria Altanca in Altanca. La Campagnola in Deggio. Osteria Salzi und Ristorante Marti in Osco.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

Neuerscheinung: Ausflugsführer «Schweizer Wunder» von Thomas Widmer mit Ausflügen zu 184 staunenswerten und kuriosen Dingen im Land. Echtzeit-Verlag, 27 Franken.

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Der Beitrag Dörferhüpfen auf der
Strada Alta
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Wir waren dem Himmel näher als gewöhnlich

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Diese Woche von Bazenheid nach Tufertschwil und Degersheim (SG)

Eine Wanderbeschreibung muss den Charakter der Route einfangen, nicht nur deren krude Fakten, finde ich. Im Fall unserer Ostschweizer Unternehmung möchte ich dies als prägend festhalten: Wir gingen die meiste Zeit über die Hügel, wir waren dem Himmel näher als gewöhnlich. Damit war eine Leichtigkeit des Seins und Fühlens verbunden.

Ein Bild, das mir von jenem Tag auch bleibt: Ronja öffnete irgendwann der Sonne wegen ihren Regenschirm. Ich sehe sie vor mir, weit vorn auf der Krete, schwarzweiss im Gegenlicht, ein Scherenschnitt: Frau mit Schirm.

Faule Berufsleute

In Bazenheid im unteren Toggenburg, einem geschäftigen Dorf, starteten wir. Erstes Ziel war Tufertschwil. Wir querten die Thur, passierten das Haslen-Beizli, bogen vor Lütisburg links ab. Oben bei der Steig ein jäher Tiefblick hinab zum Necker auf seinem letzten Kilometer.

Wir gingen nun auf dem Windrädliweg. Bei jeder Station steht ein Windrädli, das mit einer Berufsfigur bestückt ist. Weht der Wind, so serviert der Servierer, rührt der Koch in der Pfanne, hobelt der Schreiner. An unserem Tag gab es keinen Wind. Die Berufsleute waren Faulenzer.

In Tufertschwil zog uns das ehrwürdige Rössli an, doch für die Einkehr war es zu früh. Gegenüber fiel uns ein noch viel älteres Haus auf, gebaut 1654. Typisch Toggenburg die Klebdächer, wie man die schräg gestellten Schutzdächer über den Fenstern nennt. Sie waren auf der Unterseite mit Sternchen bemalt.

Jetzt kamen wir richtig in die Hügel, doch muss ich an dieser Stelle die Romantik kurz unterbrechen: Kürzlich beschwerte sich ein Leser, weil ich bei einer Route nicht deutlich genug auf den Hartbelag hingewiesen hatte. Er hatte recht, und daher dies: Auch auf dieser Route geht man immer wieder längere Zeit auf Hartbelag. Uns wars egal, die Sonne berauschte uns. Am Abend allerdings spürte ich meine Schwachstelle unten links, Lendenwirbel und so.

Wir überschritten den Rimensberg, den Winzenberg, den Schauenberg, den Spilberg; die Churfirsten in der Ferne banden den Blick. In meinem Grüpplein kam derweil freilich ein Murren auf. Alle hatten Durst. Doch die Frohe Aussicht auf dem Winzenberg hatte zu. Und irgendwie war da nie ein Brunnen.

Indem wir nah dem Kloster Magdenau einen Schwenker nach Süden vollzogen, leiteten wir die Rettung ein. Wir strebten der Bauernwirtschaft Moosbad zu. Und sie war offen. Wir tranken, nein soffen, bis jede Zelle bewässert war.

Didgeridoo in Degersheim

Für das Essen wollten wir noch warten. Steil stiegen wir ab zum Ruerbach, stiegen steil wieder auf. Unsere Belohnung: das Restaurant auf dem Wolfensberg. Herrlich der Baumschatten des Gartens, in dem wir – sehr gut! – assen.

Eine Überraschung später auf der letzten halben Wanderstunde: das Anwesen von Oliver Lüttin, das man an zwei entrindeten Riesenbäumen erkennt, die als drohende Stummel gen Himmel ragen. Es sind Sequoias. Künstler Lüttin baut aus Holz Klanginstrumente: Trommeln, Hammerklaviere oder auch Didgeridoos, die aussehen wie kleine Alphörner; auf Klangarena.ch findet man mehr zu seiner Arbeit.

Am Bahnhof Degersheim endete unsere Högertour bald danach. Oder anders gesagt: Ronja klappte ihren Schirm zu.
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Route: Bazenheid – Mühlau – Haslen – Steig – Tufertschwil – Rimensberg – Winzenberg – Unter Schauenberg – Alenschwanden – Spilberg – Eich – Moosbad – Moos – Ruermüli – Stutz – Wolfensberg – Taa – Degersheim.

Wanderzeit: 5 Stunden.

Höhendifferenz: 690 Meter auf-, 490 abwärts.

Wanderkarte: 226T Rapperswil und 227T Appenzell, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Kürzer: Wer in Tufertschwil startet, braucht eine Stunde weniger.

Charakter: Unbekannte Ostschweiz mit vielen Hügeln. Aussichtsreich, überraschend, rührend. Längere Stücke Hartbelag auch ausserhalb der Siedlungen.

Höhepunkte: Tufertschwil mit ein paar alten Häusern. Der Blick vom Winzenberg Richtung Churfirsten. Der Zmittag auf dem Wolfensberg im Baumschatten.

Kinder: Keine Probleme.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Am Anfang und am Schluss. Plus: Haslen-Beizli zwischen Bazenheid und Lütisburg bzw. Tufertschwil. Freitag ab 16 Uhr, Samstag ab 14 Uhr, Sonntag ab 10 Uhr. – Landgasthof Rössli, Tufertschwil, durchgehend offen. – Frohe Aussicht auf dem Winzenberg. Di Ruhetag. – Moosbad, Mi, Do Ruhetag. – Restaurant und Hotel Wolfensberg, Wolfensberg oberhalb Degersheim, durchgehend offen.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

Neuerscheinung: «Schweizer Wunder – Ausflüge zu kuriosen und staunenswerten Dingen». Echtzeit-Verlag, 27 Franken.

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Das Phantom von Oberwald

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Diese Woche von Huttwil auf die Fritzenfluh und retour (BE)

Nach Huttwil fahre ich gern, das Städtchen ist für mich der Inbegriff von Geborgenheit. Diesmal ist Huttwil nicht so gemütlich. Wenigstens nicht der Bahnhof. Er wird totalsaniert. Bei der Planung des 50-Millionen-Projektes vergass man übrigens die Toilettenanlagen, habe ich gelesen. Dies, weil für die Toiletten des Bahnunternehmens BLS nicht dieses selbst zuständig ist, sondern die jeweilige Gemeinde. Und die wusste in diesem Fall davon offenbar nichts.

Wir ziehen los, erstes Ziel ist Oberwald. Bis Neuhus folgen wir der Strasse, alsbald schwenkt der Wanderweg ins Grüne. Wobei, um etwas Wichtiges gleich zu Beginn zu deponieren: Immer wieder mal geht man auf dieser Wanderung auf Hartbelag. Wir queren die Wyssachen auf einem Steg, gewinnen Höhe, erblicken links vorn das gleichnamige Dorf. Unsere Wanderung ist eine Umrundung von Wyssachen; wir werden dieses aus allen Winkeln immer neu sehen in seinem Kessel.

Sie tranken und sie tanzten

Stetig, doch die meiste Zeit sanft, steigt der Weg. Im Hohlweg im Wald kommt uns ein irrer Biker entgegen, wir springen zur Seite, das Phantom rast vorbei. Und schon sind wir bei der Wirtschaft Oberwald, Zweitname Hirschen. Oder umgekehrt. Schon für das 17. Jahrhundert ist belegt, dass sich an diesem abseitigen Ort das einfache Volk zu Trunk und Tanz traf. Ohne den Segen der Obrigkeit.

Wir kehren ein, das Wetter ist nicht besonders, ein Kaffee wird uns guttun. Drinnen kommen Erinnerungen auf. Ich war schon einmal da, im Winter. Der Berner Wanderautor René P. Moor veranstaltete mit mir im Säli eine Doppellesung. Es gab Sauerkraut, das ich eigentlich nicht vertrage. Doch eine Primarschulkollegin von mir, Annemarie, war auch gekommen. Sie holte später aus ihrem Rucksack eine Flasche Kirsch vom eigenen Hof im Schwarzbubenland. Der Schnaps brannte der Ware in meinem Bauch jeden Gärwillen aus.

Wir ziehen weiter, unser Höhenweg böte Aussicht übers Emmental und zu den Alpen, wenn der Himmel klar wäre. Ein Mundartgedicht die Punkte, die wir passieren: Bärhegechnübeli, Freudigenegg, Gitzichnübeli. Die Hornbachegg ist, etwas über 1000 Meter hoch, der Kulminationspunkt unserer Route.

Der Pfad senkt sich, ein stotziges Stück an der Geländekante ist mit einem Geländer gesichert. Wir langen bei der Fritzenfluh an, einem Strassenpass von Sumiswald und Wasen nach Eriswil und Huttwil. Etwas unterhalb liegt das Restaurant Fritzenfluh. Draussen vor dem dunklen Haus stehen Motorräder und Autos, drinnen wartet unser reservierter Tisch.

So was von entspannt

Sehr gut das Essen; mein Schweinssteak macht mich im Verbund mit zwei Glas Cornalin glücklich. Als wir nach dem Zmittag ins Freie kommen, ist der Himmel heller. Die Hügel reihen sich, immer wieder mal gabeln sich an einem Hof die Wege, es ist ein leichtes Geradeaus- und Abwärtsgehen durch Äcker, Wiesen und Wald.

Unten in Huttwil wieder der verstellte Bahnhof mit Gruben, parkierten Riesenmaschinen, Abschrankungen und Umleitungen. Anders als am Morgen, als wir starteten, ist mir die Hässlichkeit egal. Wandern entspannt wie nichts anderes.

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Route: Huttwil, Bahnhof – Schwarzenbach, Sportzentrum – Steg über die Wyssachen – Baumgarten – Möösli – Oberzelg – Oberwald – Schaber – Bärhegechnübeli – Gitzichnübeli – Hornbachegg – Fritzenfluh – Fritzenfluh, Restaurant – Ölichnubel – Hohfuhren – Moos – Huttwil, Bahnhof.

Wanderzeit: 5½ Stunden.

Höhendifferenz: Je 640 Meter auf- und abwärts.

Wanderkarte: 234 T Willisau, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Kürzer: Nach halbem Abstieg rechts hinab nach Eriswil. So dauert die ganze Wanderung nur vier Stunden.

Charakter: Viel schönes Hügelland mit grandioser Sicht. Einige Abschnitte auf Hartbelag. Mittlere Anstrengung.

Höhepunkte: Die Einkehr im rustikalen Restaurant Oberwald. Der Eggenweg zwischen Oberwald und der Fritzenfluh. Der kurz mal abenteuerliche, seilgesicherte Abstieg in den Einschnitt der Fritzenfluh. Der Zmittag im Restaurant Fritzenfluh.

Kinder: Geht gut. Vorsicht vor und nach der Fritzenfluh, Fluhkante und rutschige Passagen.

Hund: Alles bestens.

Einkehr: Restaurant Oberwald. Mo/Di Ruhetag. Mi bis Fr ab 13 Uhr. Sa ab 11 Uhr. So ab 9.30 Uhr. Restaurant Fritzenfluh. Mo Ruhetag. Reservieren!

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Jakob, Beatus und die grosse Lakshmi

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Diese Woche der Jakobsweg Interlaken – St.-Beatus-Höhlen – Beatenbucht (BE)


Kürzlich war auch ich ein Jakobspilger. Allerdings nur für einen Tag. Meine Pilgerei begann am Bahnhof Interlaken-West und zielte auf die Höhlen des Heiligen Beatus.

Vorerst war mein Ambiente neuzeitlich und nicht spirituell: die Hotelkästen Interlakens und Unterseens. Ich querte am Bahnhof Interlaken-West die Schienen, mein erstes Ziel war die Weissenau. Es gab zwei Varianten. Die eine führt entlang des Schifffahrtskanals, die andere via die Tschingeley-Holzbrücke parallel dazu entlang der begradigten Aare. Diese Variante nahm ich, die nächsten zwei Kilometer waren zufriedenes Einlaufen.

Der Pilger kaut am Ovo-Stängel

Bei der Weissenau praktisch am Thunersee ein Rechtsknick. Kaum hatte ich ihn vollzogen, sah ich rechter Hand ganz nah die Ruine jener Feste, von der aus im Mittelalter der Schiffsverkehr kontrolliert wurde. Anschliessend wanderte ich im Naturschutzgebiet. Ingeniös die Wegführung mit Holzstegen, auch war da ein erhöhtes Holzhäuschen für Vogelbeobachter. Mal sah ich nur Ried, Bäume, Moorwasser, dann wieder durfte der Blick weit über den See zum Niesen gleiten.

Beim Neuhaus kam ich ins Reich der Camper; im Hotel Neuhaus und im Lombach-Bistro hätte ich einkehren können. Aber als Jakobspilger übte ich Bescheidenheit: Ich kaute an einem Ovo-Stängel, während ich am Camping Manor-Farm vorbeizog.

Am Hang über dem Nordufer des Thunersees endete das flache Terrain. Auf schmalem Pfad stieg ich in die Höhe und war beglückt über meine perfekte Seesicht. Bei Gelbenbrunnen musste ich schon wieder hinab. Der Weg senkte sich zum Delta von Sundlauenen, einem Weiler am Wasser mit der Schiffstation Beatushöhlen/Sundlauene. Und schon ging es wieder aufwärts, bei der Bushaltestelle Pilgerweg über die – stark befahrene – Strasse und auf einem perfekt hergerichteten Treppenweg Richtung St.-Beatus-Höhlen.

Dann die Höhlen. Ihr Namensgeber haust als umdunkelte Gestalt tief in der Antike. Ein Brite soll er gewesen sein, der in Rom von Petrus persönlich geweiht und zu den Heiden Helvetiens entsandt wurde. In einer Felsfluh über dem Thunersee legte sich Beatus eine Klause an, nachdem er einen Drachen verjagt hatte; er wirkte wohltätig und soll so manchen Kranken geheilt haben.

Das gefiel meinem Jakobsherzen. Weniger mochte ich die vielen Leute, die vor einem Flimmerschriftband auf die nächste Führung warteten. So zog ich weiter, ohne die Tropfsteinhöhlen besucht zu haben, nachdem ich das Ensemble historisierender Häuschen am Fels anerkennend gewürdigt hatte.

Budelbach und Beatenbucht

Ein letzter Anstieg war bald zu bewältigen, vor Merligen musste ich den Balmholz-Steinbruch an der oberen Kante umgehen. Kurz darauf der Steg über den Budelbach. Beim Abzweiger wählte ich schliesslich als Ziel nicht Merligen, weil ich dieses schon kannte. Sondern die Beatenbucht, in der ich nie gewesen war.

Erst nach der Busfahrt von der Beatenbucht nach Thun stillte ich meinen Hunger. Das indische Restaurant beim Bahnhof hiess – das Essen war köstlich – passend zu meinem Pilgertag Maha Lakshmi. Die grosse (maha) Lakshmi ist eine Göttin, die zuständig ist für Liebe, Glück, Schönheit, Fruchtbarkeit, Gesundheit und Wohlstand. Was für ein Portfolio, ich bin nicht sicher, ob Jakob da mithalten kann.

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Route: Startort Bahnhof Interlaken-West. Bis zur Ruine Weissenau gibt es zwei gleichwertige Wege, entweder entlang der Aare oder entlang des parallelen Schifffahrtskanals. Ruine Weissenau – Neuhaus – Manor-Farm – Gelbenbrunnen – Sundlauenen – St.-Beatus-Höhlen – Balmholz – Nase – Beatenbucht, Bus oder Schiff.

Wanderzeit: 3½ Stunden.

Höhendifferenz: Je 410 Meter auf- und abwärts.

Wanderkarte: 254 T Interlaken, 1: 50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Von der Beatenbucht gibt es Busse Richtung Thun und Interlaken sowie Schiffskurse.

Charakter: Zwei Teile. Zuerst Naturschutzgebiet und Wasser. Dann (sehr gute) Pfade durch den Steilhang am Thunersee.

Höhepunkte: Das Naturschutzgebiet Weissenau-Neuhaus. Der erste Blick von oben auf den Thunersee vor Gelbenbrunnen. Die in die Felsfluh gepassten Gebäude der St.-Beatus-Höhlen.

Kinder: Vorsicht in den Steilpartien – auch wenn diese gesichert sind.

Hund: Keine Probleme. Im Naturschutzgebiet anleinen!

Einkehr: Interlaken. Restaurant (und Hotel) Neuhaus, täglich geöffnet. Gleich anschliessend: Lombach-Bistro, Camping Alpenblick, täglich geöffnet. Camping Manor-Farm. Restaurant am Eingang zu den St.-Beatus-Höhlen, täglich geöffnet während des Höhlenbetriebes. Maha Lakshmi in Thun, täglich geöffnet.

St.-Beatus-Höhlen: Täglich von 9.30 bis 17 Uhr bis Ende Oktober. Führungen alle 45 Minuten, Dauer 75 Minuten. Neuerdings kann man die Höhlen auch allein besichtigen.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Trick mit dem Plastikmänteli

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Diese Woche von Bad Ragaz zur Tamina-Thermalquelle und nach Valens (SG)

Das Portugiesenmädchen ging an der Hand des Vaters. Vier oder fünfjährig, nackte nasse Füsse in Sandalen, das Kleidchen klatschnass, die Haare ebenfalls. Es tropfte und strahlte. So war das kürzlich am Drehkreuz zur Taminaschlucht, die Portugiesen kamen heraus, wir wollten hinein.

Unsere Tour hatte gut zwei Stunden zuvor am Bahnhof von Bad Ragaz begonnen, wo wir den Schluchtenbus sahen, wie das Postauto durchs Badtobel zum alten Bad Pfäfers heisst. Wir gingen zu Fuss, Ehrensache. Auf dem Weg nach Bad Ragaz hinein erblickten wir die Jesusstatue auf dem Guschakopf. Eine Kopie derjenigen von Rio de Janeiro, elf Meter hoch, aufgestellt für eine Kunstaktion. Bleiben darf der Jesus nicht; möglicherweise kommt er aber ins nahe Pfäfers.

Geologiekino Badtobel

Wir betraten das Badtobel, den Schlitz der Tamina. Auf dem Natursträsschen flanierte es sich herrlich, eine Art Geologiekino war das mit turmhohen Fluhen. Irgendwann unterquerten wir die neue, noch nicht ganz fertiggestellte Autobrücke von Pfäfers nach Valens. Derzeit führt die Strasse zum Kurort Valens noch durch einen prekären Rutschhang.

Endlich das alte Bad Pfäfers, ein restaurierter Barockbau. Statt in den Selbstbedienungskiosk gingen wir in den Speisesaal und bestellten Kaffee und Kuchen. Von den Wänden schauten Dichter, Naturforscher, Staatsmänner auf uns herab. Alles ehemalige Badegäste. Rainer Maria Rilke sagte einst über den Ort: «Hiersein ist herrlich.»

Nach der Einkehr besichtigten wir das Haus, das mit seinen Steinfluren und der Kapelle an ein Kloster gemahnt. Im Untergeschoss Badewannen des 19. Jahrhunderts, in den Boden eingetieft, die Fliesen abgewetzt.

Dann zwei Gehminuten entfernt die Taminaschlucht. Am Drehkreuz warfen wir jeder einen Fünfliber ein. Traten ein. Zogen die Gratis-Plastikmänteli über, die wir uns am Kiosk besorgt hatten; die Portugiesen hatten das wohl versäumt.

Tosendes, rasendes, schiessendes Wasser. Stege und Stollen und ab und zu ein verirrter Sonnenstrahl: So war die Schlucht. Irgendwann wurde es wärmer – die Thermalquelle. Meine Brillengläser waren totalbeschlagen. Ich nahm die Brille ab, beschaute mir das aus dem Berg kommende Wasser. Bei dem ausgestellten Holzteil handelte es sich um ein Stück der ersten Leitung von 1840, durch die das Wasser hinab nach Ragaz geführt wurde, das zum europaweit gefeierten Kurort aufstieg und sich zu «Bad Ragaz» umtaufte.

Todesangst in der Schlucht

Wieder draussen, nahmen wir vom Bad den Weg hinauf nach Valens. Ein Stück weiter oben machten wir einen Abstecher praktisch der Höhenlinie entlang zur Naturbrücke und nahmen gleich ein älteres  amerikanisches Touristenpaar mit. Die Naturbrücke über der Thermalquelle entstand wohl, indem Felsbrocken die Schlucht verschütteten. Eine Illustration zeigte, wie im Mittelalter Mönche des Klosters Pfäfers Badegäste mit Seilzügen abseilten. Die Gäste litten Todesangst.

Indem wir vollends nach Valens aufstiegen, entkamen wir dem Schattenreich. Die Sonne beschien uns grosszügig, die Berge gleissten, der Ausflug ins Dunkel schien nunmehr wie ein Traum. Ein schöner Traum, versteht sich.

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Route: Bad Ragaz, SBB – Bad Ragaz, Dorf – Badtobel – Altes Bad Pfäfers – Thermalquelle (Eingang 100 Meter nach dem Alten Bad, Drehkreuz) – Altes Bad Pfäfers – Weg nach Valens – Abstecher zur Naturbrücke und retour – Valens, Dorf – Valens, Post.

Wanderzeit: 3 Stunden samt Besichtigung der Thermalquelle.

Höhendifferenz: 590 Meter auf-, 170 abwärts.

Wanderkarte: 237 T Walenstadt und 247 T Sardona, 1:50’000

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Mit dem Bus von Valens, Post nach Bad Ragaz, Dorf und Bad Ragaz, SBB.

Kürzer: Nach der Besichtigung der Tamina-Thermalquelle per Schluchtenbus vom alten Bad Pfäfers hinab nach Bad Ragaz. Eine Stunde weniger.

Charakter: Kurz und spektakulär, ein Feuerwerk der Sinneseindrücke. Hartbelag nur am Anfang und am Schluss. Schön auch bei Regen.

Höhepunkte: Der Eintritt ins Badtobel. Die alten Badewannen im Boden im Untergeschoss des alten Bades Pfäfers. Die gewaltige Taminaschlucht. Die Thermalquelle.

Kinder: Perfekt. In der Taminaschlucht muss man sie aber beaufsichtigen.

Hund: Ab dem Drehkreuz sind in der Taminaschlucht Hunde verboten.

Einkehr: Bad Ragaz und Valens. Im alten Bad Pfäfers kann man gediegen tafeln, es gibt aber auch einen Selbstbedienungskiosk mit zugehöriger Gartenterrasse. Täglich geöffnet.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Unterwegs im Rettungssektor X3

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Diese Woche von Bargen zur Wutach und nach Schleitheim (SH/D)

Immer wieder gut, über den Randen zu wandern, den Schaffhauser Jura. Circa ab Merishausen hat man im Bus das Gefühl, man werde der Normalität entrückt. Alles so abgelegen, so ruhig und für sich da hinten – eine eigene Welt.

Bargen, der Bus wendet, Ende der Fahrt. Einst stieg ich an diesem Ort im Winter aus, wanderte via Schwedenschanze nach Beggingen; ich stürzte im Abstieg dreimal im Schneeregen, und am Schluss in Beggingen stürzte sich ein Höllenhund auf mich, worauf ich den Regenschirm zückte, in den er sich verbiss. Schirm kaputt, Widmer intakt.

In die Wutachflühen

Aber das ist lange her. Und diesmal ist es nicht kalt, sondern heiss. Wir wandern zu dritt los, Ronja und Svenja und ich. Die anderen vom Grüppli haben gekniffen oder waren anderweitig verplant.

Wir halten hinein ins Mülitäli, biegen bald rechts ab, wir wollen auf den Hoh Hengst. Der Waldweg wird steil, oben schwitzen wir gehörig, ich klatsche eine Bremse flach, die aber schon zugestochen hat.

Kurze Rast und Betrachtung des Wegweisers. Fützen ist angegeben, fünf Kilometer sind es dorthin, zu den Schweizer gesellen sich jetzt deutsche Wandermarkierungen.

Denn per sofort wandern wir in Deutschland. Freilich leitet uns weiterhin die Schweizer Wanderkarte 1:50’000 «Schaffhausen / Stein am Rhein». Beim Randenhof zweigen wir links ab in den Waldhang, der Pfad wird schmaler. Wir verlaufen uns kurz, kein Problem, wir haben die Orientierung, wissen recht genau, wo Fützen ist.

Wir durchqueren Fützen auf dem Weg zur Wutach, stattlich, diese Ortschaft inmitten von Äckern und Waldstücken. Die Gaststätte Zum Kranz hat offen. Schön kalt die Getränke, sie tun not. Dann ziehen wir weiter, halten rechts vorbei am Hügel Hartbuck, treten ein in den Wald der Wutach.

Wutachflühen heisst der Abschnitt, den wir im Folgenden laufen. «Flühen» gleich steile Wände. Kühl ist es im Schluchtwald, der Weg zieht in einiger Entfernung zum Fluss in etwa der Höhenlinie entlang vorwärts, manche Partien sind glitschig, andere wurzelbepackt. An einer Stelle ist ein Riesenstein mit «Mannheimer Felsen» beschriftet.

In derselben Gegend passieren wir ein Schild, das informiert: Dies ist die Grenze zwischen Rettungssektor X2 und Rettungssektor X3. Darunter die Nummer 112. Wenn man ausrutscht und sich den Fuss bricht oder so, kann man der Bergwacht Schwarzwald am Handy gleich sagen, wo man in etwa abzuholen wäre.

Schlussbier in Schlaate

Ist das nicht etwas dramatisch, witzeln wir, während wir, nunmehr hart am Trassee der Wutachtalbahn, bekannter als «Sauschwänzlebahn», nach Grimmelshofen hineinhalten. Bergwacht? Rettungssektor? Die Wutachschlucht ist hübsch, aber unser Abschnitt war etwa so gefährlich wie, sagen wir, das Meilemer Tobel über dem Zürichsee oder die Twannbachschlucht über dem Bielersee. Alles eine Frage der Perspektive, als Schweizer ist man Gröberes gewohnt.

Ende der Flühen, wir sind in Grimmelshofen. Ein älterer Mann sitzt vor seinem Haus. Schweizer, fragt er? Er habe, erzählt er, sicher 30-mal den Altmann erstiegen, den zweithöchsten, nur in leichter Kletterei erreichbaren Gipfel des Alpsteins. Seine Sehnsucht, noch einmal jung zu sein und Hand an den Fels zu legen, ist spürbar.

Weiterhin folgen wir ab Grimmelshofen der nunmehr total gemässigten Wutach, um dann – womit wir wieder Schweizer Boden betreten – nach Holeneich und Ländli aufzusteigen. Wo kein Wald ist, brennt uns die Sonne brutal auf die Köpfe. Endlich erscheint zu unseren Füssen Schleitheim, das von seinen Bewohner «Schlaate» genannt wird. Wieder ein sehr apart gelegenes Schaffhauser Dorf, wieder diese Aura von Losgelöstheit.

Vor der Brauerei, einer klassischen Dorfknelle, stossen wir einige Zeit später im Schatten auf die Wanderung an: viel gesehen – und viel geschwitzt.
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Route: Bargen, Dorf (Bus ab Schaffhausen) – Müli – Hoh Hengst – Randenhof (auch: Klausenhof) – Fützen – Hart – Wutachflühen – Pfaffenholz – Grimmelshofen – Kuhhalde – Holeneich – Ländli – Stauffenberg – Schleitheim (Bus nach Schaffhausen).

Wanderzeit: 5 Stunden.

Höhendifferenz: 545 Meter auf-, 675 abwärts.

Wanderkarte: 405 T Schaffhausen / Stein am Rhein, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Bus von Schleitheim nach Schaffhausen Bahnhof.

Charakter: Am Anfang und am Schluss Randen, also Jura. Dazwischen ein Bachtobel-Weg. Mittlere Anstrengung. Die Wanderung verläuft teilweise in Deutschland, ID oder Pass und Euro mitnehmen.

Höhepunkte: Kalte Getränke in Fützen. Die kühlen Wutachflühen. Schleitheim von oben.

Kinder: keine Probleme.

Hund: keine Probleme.

Einkehr: In Bargen und Schleitheim. In Fützen: Zum Kranz, Mo Ruhetag. Di ab 16 Uhr,  Mi ab 10 Uhr, Do 10 bis 14 Uhr und wieder ab 16.30 Uhr, Fr bis So ab 10 Uhr.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Berg, der mich zum Narren hielt

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Diese Woche von Schwarzenberg aufs Mittaggüpfi mit Abstieg ins Eigental (LU)


Eines strahlenden Sommermorgens stieg ich in Schwarzenberg, einem Dorf oberhalb von Malters, aus dem Bus. Ich nahm ein paar Züge Champagnerluft, und dann zog ich los, dem Stäfeli entgegen; so heisst die Alpwirtschaft zwei Gehstunden entfernt. Sie ist sozusagen das Basislager der Mittaggüpfi-Besteiger. Und aufs Mittaggüpfi wollte ich.

Stetig gewann ich Höhe, ein langes Stück verlief auf Hartbelag, ansonsten viel Natur: Wollgras-Teppiche und Knabenkraut, sumpfig der Boden.

Ich ass ein Hufeisen

Kurz vor dem Stäfeli ereignete sich etwas, was man vielleicht mythologisch erklären kann. Berge galten die längste Zeit als Sitz der Götter. Und diese sind bekanntlich launisch. Jedenfalls begann sich der Berg meines Begehrens, das Mittaggüpfi eben, vor meinen Augen in Dunst zu hüllen.

Ich nahm in der Alpwirtschaft Platz und trank einen Kafi. Dazu ass ich mein Hufeisen, jenes süsse Gebäckstück, das ich im Luzerner Bahnhof beim Bachmann gekauft hatte. Confiture hält die Laune stabil, so ist das bei mir.

Im Nebel, der sich ausgebreitet hatte, ging ich weiter und erkannte anhand des Wetterdienstes auf meinem Handy, dass der Rest der Schweiz Sonne hatte. Im Wald kam der Abzweiger in ein feuchtes, verkrautetes, brutal steiles Hangstück; der Aufstieg begann. Kehre um Kehre arbeitete ich mich aufwärts, die Stöcke zur Hand. Der Wald blieb irgendwann zurück, die Steilheit nahm eher noch zu, der Weg wurde geröllig. Glitschig war er auch. Eine Frau kam mir rutschend von oben entgegen, sie sagte, sie kehre um, mit ihren Turnschuhen sei ihr das zu gefährlich.

Endlich sah ich im Grau das Gipfelkreuz. Oben war ich nicht allein. Ein paar schweigsame Männer sassen da, zudringliche Dohlen umkreisten sie. Ich setzte mich dazu, genoss das Schauspiel des treibenden Nebels, zwischendurch riss er auf, und wir sahen weit ins Mittelland hinaus und erblickten Richtung Alpen schneebedeckte Gipfel. War der eine das Brienzer Rothorn? Schwupp, schon zog sich der Vorhang wieder zu.

Untoter Jesusrichter

Der Abstieg war leichter, ruppig zwar ebenfalls, aber nicht ganz so stotzig. Weiter unten beschloss ich, nicht in die Mulde der Oberalp zu halten, sondern weiter nördlich an der Kante zu gehen, wo die Alp durch eine fast senkrechte hohe Wand aus erodierendem Gestein begrenzt ist. Der Pfad durch die Alpenrosenbüsche verlief nah am Abgrund, tief unten sah ich den obersten Teil des Eigentals. Zur Rechten wusste ich im moorigen Alpboden die Wanne des längst versickerten Pilatusseeleins; im Mittelalter glaubten sie, dass im Seelein der untote Jesusrichter Pilatus hause; man durfte auf keinen Fall Steine ins Wasser werfen, sonst drohte ein Unwetter.

Abwärts, abwärts, abwärts ging es mit mir, der letzte Teil in Form eines Kehrenweges durch den Schwändeliwald. Die Sonne kam mit Macht zurück, schwitzend und durstig langte ich im Eigental an. Der Rest war Auslaufen, genussvoll, abgesehen von einigem Hartbelag.

In der Alpwirtschaft Unterlauelen hätte ich einkehren können. Aber ich hielt durch bis zum Schluss. Auf der Terrasse des Eigenthalerhofs gönnte ich mir, während ich auf den Bus nach Luzern wartete, ein Bier. Ich blickte hinauf zum Mittaggüpfi – da war nicht der geringste Nebelfetzen. «Oh du mein Götterberg», dachte ich, «du hast mich heute zum Narren gehalten!»

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Route: Schwarzenberg, Rössli (Bus ab Bahnhof Malters) – Bömmerebrugg – Wassermoos – Schwändi – Unterstäfeli (Wirtschaft Stäfeli) – Mittaggüpfi – Goldwang – Schwändeliwald – Unterlauelen (Wirtschaft) – Eigenthalerhof (Bus nach Luzern).

Wanderzeit: 6½ Stunden. Die Route ist nicht kürzbar, wenn man mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs ist.

Höhendifferenz: 1280 Meter auf-, 1090 abwärts.

Wanderkarte: 235 T Rotkreuz und 245 T Stans, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Direkter Bus vom Eigental (Haltestelle vor dem Eigenthalerhof) nach Luzern.

Charakter: Happig und stotzig, nicht ganz ungefährlich, eine echte Bergwanderung, die gute Schuhe und Kondition braucht. Sehr schön sind die zwei Alpwirtschaften platziert. Einiger Hartbelag am Anfang und am Ende.

Höhepunkte: Die Einkehr im Stäfeli, bevor es richtig an den Berg geht. Die schlau angelegten Wege in den gerölligen Halden am Mittaggüpfi. Die Ankunft beim Gipfelkreuz. Der wunderbare Tiefblick weiter unten hart an der Kante zum Eigental.

Kinder: Ab einem gewissen Alter möglich. Auf den gefährlichen Stellen muss man sie beaufsichtigen!

Hund: Machbar, wenn der Vierbeiner fit ist.

Einkehr: Alpwirtschaft Stäfeli (Karte: Unterstäfeli) exakt zwei Stunden nach dem Start. Ruhetag Di, Mi ab 12, andere Tage ab 9 Uhr. – Alpwirtschaft Unterlauelen gut eine Stunde vor Wanderschluss. Mo, Di Ruhetag. – Eigenthalerhof ganz zum Schluss. Schöne Terrasse. Mo, Di Ruhetag (Bushaltestelle vor dem Haus).

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Schwups, schon ist man oben

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Diese Woche Fahrt mit der neu lancierten Palfries-Seilbahn (Sarganserland, SG)

Ich weiss noch, wie ich vor zehn Jahren auf dem Weg zum Alvier die liebliche Hochebene Palfries erreichte. Vom Melser Ortsteil Heiligkreuz war ich 1200 Höhenmeter aufgestiegen durch einen bewaldeten, von Bächen zerfurchten, einsamen Steilhang. Oben war ich irritiert: Autos. Vom St. Galler Rheintal führt eine Strasse nach Palfries. Irgendwie entwertete das meine Strapaze, fand ich.

Die zivilisierte Bahn

Für Wehrmänner gab es über Jahrzehnte noch eine Möglichkeit, Palfries zu erreichen: die militäreigene, 1941 lancierte und dem Festungswerk Sargans zudienende Seilbahn ab Heiligkreuz-Ragnatsch. Die gute Nachricht: Seit kurzem ist diese Seilbahn, die gegen das Jahr 2000 sozusagen ausgemustert wurde, wieder aktiv. Eine Genossenschaft hat nach langem Hin und Her die Bewilligung für den zivilen Betrieb in der warmen Jahreszeit erhalten.

Das ist gut. Denn erstens ist das Palfries-Plateau wunderschön: diese moorigen Farben vor der Mauer der Alvierkette. Zweitens sieht man weit Richtung Ringelspitz, Flumserberg und Walensee. Und drittens kann man von der Bergstation aus diverse Wanderungen unternehmen. Ohne vorher zwei Stunden aufgestiegen zu sein; aber auch ohne Autofahrt.

Mit Markus Walser, Präsident der Bahngenossenschaft, fahre ich eines halbsonnigen Tages bergwärts. Wir haben reserviert, was schlau ist, denn man hat so seinen Platz auf sicher. Die Kapazität der Bahn ist beschränkt, sie trägt jede Viertelstunde je acht Personen hinauf und hinab.

Walser erzählt: von seinen eigenen Touren im Gebiet. Von der Festung Sargans. Und vom einstigen soldatischen Betrieb. Ein lustiges Detail: Zu acht füllen wir die kleine rote Kabine ziemlich gut aus. Die Soldaten mussten, schildert Walser, zu zehnt in die Kabine, samt ihren Packungen. Während wir noch schmunzeln, ist wieder Gegenwart angesagt: Umwerfend der Anblick des Wasserfalls des Ragnatscher Baches direkt unter uns.

Drei schöne Routen

Und damit zu drei Wanderungen ab Palfries.

  • Rundtour West: Bergstation – Berghaus Palfries – Wanderweg zum Alvier bis Abzweiger bei In de Stei und weiter zum Punkt 1755 m auf der Wanderkarte. Das nächste Stück führt hinab via Stelli bis Luegboden. Unten Abstecher zum Restaurant Strahlrüfi und auf dem direkten Wanderweg zurück zu Berghaus und Bahn. 2 Stunden, je 280 Meter auf- und abwärts; diese Route wird von der Seilbahn empfohlen.
  • Gonzen: Von Palfries via Rieterhütten auf den Sarganser Hausberg Gonzen und retour. Angenehme Steigung, nichts Brutales. Beim Gipfelkreuz muss man aber aufpassen, es geht 1300 Meter bolzengerade in die Tiefe. 2 1/2 Stunden, je 390 Meter auf- und abwärts.
  • Alvier: Von der Bergstation zum Berghaus Palfries. Auf dem Bergweg durch ein Couloir mit Treppenleiter leicht ausgesetzt auf den Gipfel. Hinab über die Schaner Alp und via Stofel und Buchboden zum Malanserholz. Von dort im Self-Service-Seilbähnchen des Hotels Alvier hinab nach Oberschan zum Bus. 4 1/2 Stunden. 670 Meter auf- und 1400 abwärts.

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Wanderkarte: 237 T Walenstadt, 1:50’000.

Seilbahn: Vom Bahnhof Sargans gibt es Direktbusse nach Ragnatsch; online im SBB-Fahrplan heisst die Haltestelle «Heiligkreuz (Mels), Ragnatsch». Die Bahn fährt bis circa Mitte November täglich von 8.30 bis 12 und von 13 bis 17 Uhr, für die Zeit von 17 bis 19 Uhr muss man vorher reservieren. Die genauen Bestimmungen findet man auf der Homepage. Ohnehin lohnt sich reservieren, Leute mit Reservation haben Vorrang. Pro Stunde können in vierstelstündlichen 8-Personen-Schüben 32 Personen hochbefördert werden, für die Gegenkabine und die Talfahrt gilt natürlich dasselbe.

Rundtour West: Hier das GPX-File zur ersten Tour.

Gonzen: Hier das GPX-File zur Tour auf den Gonzen.

Alvier: Hier das File zur dritten Route.

Einkehr: Berghaus Palfries, fünf Gehminuten von der Bergstation, durchgehend geöffnet. Alvierhütte auf dem Gipfel, bei gutem Wetter in der Regel offen. Strahlrüfi, durchgehend offen. Hotel Alvier, Ruhetag des Restaurants: Mo.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Die Gelenkprüfung

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Diese Woche auf die Silberen im Pragelpass-Gebiet (SZ/GL)


Man muss auf der Silberen, dieser berühmten Kalkwüste, gewesen sein, doch stellt sie Leute ohne Auto vor ein Problem: Optimaler Startpunkt für die anstrengende Tour ist die Pragelpasshöhe. Ein Postauto dort hinauf gibt es nicht.

Die Lösung heisst Heinz Schelbert und stand mit dem Kleinbus in Muotathal bereit, als wir ankamen. Schelberts Pragel-Garage bietet Taxifahrten auf den Pass an. Wir unterhielten uns gut, während wir hinaufkurvten; unser Chauffeur erzählte von den strengen Wintern, vom Urwald der Bödmeren und von den Kindern, die er zur Schule fährt.

Vorsicht, Löcher

Ein tiefblauer Himmel empfing uns auf dem Pass, wir strahlen gleich selber. Die Hochfläche der Silberen hatten wir nun direkt vor uns. Unser Plan war es, sie in einem weiten Bogen von hinten zu erobern. Via Chalberloch, Zingel, Ruch-Tritt gewannen wir Höhe, der Kalk wurde immer dominanter. Der zerfurchte, zerklüftete, durchlöcherte Grund setzte uns zu: Bei jedem Schritt muss man Vorsicht üben.

Weiter gegen den Gipfel zu wurde es besser, mancherorts bildete der Kalk komfortable Platten. Dann waren wir oben auf 2318 Metern. Die Silberen, eine weite Kuppe, ist ein perfekter Lagerplatz für müde Leute. Rundum hatte es Berge, wir fühlten uns wie Adler. Dazu passte das Greifvogel-Denkmal einer Fliegerstaffel, dessen Sinn ich allerdings nicht ganz begriff.

Der Abstieg war hart. Gegen Butzen hinab war der Kalk in den verfarnten Passagen feucht und glitschig. Mich haute es einmal auf den Hintern, Peider ebenfalls; keine Ahnung, wie sich Ronja weiter vorne hielt, sie war mit ihrer unmenschlichen Fitness wieder einmal davongeeilt.

Beim Alpgebäude von Butzen tranken wir Wasser und ruhten. Mit einem 30-minütigen Effort hinüber zum Ausgangspunkt hätten wir die Unternehmung beenden können. Bloss hatten wir uns bei Herrn Schelbert abgemeldet. Auch fanden wir den Tag zu schön, um Schluss zu machen. Wir entschieden, hinüber und hinab zur Richisau weiterzuwandern.

Glückliche Sau

Via Biet zogen wir vorwärts, es ging wieder aufwärts. Schliesslich das Alpeli. Der Älpler hatte einen Gästetisch. Vier Deutsche sassen da, tranken Kafi mit Schnaps, die Flasche stand zur Selbstbedienung auf dem Tisch. Auch wir griffen zu, gsprächleten, schauten den Sauen zu, die frei herumliefen; die eine hatte sich im Dreck eingegraben, nur die Schnauze schaute heraus. Was für ein zufriedenes Vieh.

Der Senn hatte uns noch gewarnt, nicht die Direttissima via Ober Gampel zu nehmen, sondern via Chälen zu gehen. Wir wussten es besser. Bald fanden wir uns in einem Steilhang, er war unglaublich ruppig, der Kalk noch rutschiger als zuvor; an einigen Stellen war der Weg total überwachsen. Diese 600 Höhenmeter abwärts: etwas vom Heikelsten, was ich in den letzten Jahren gemacht habe. Eine Gelenkprüfung. Ein paar Hochlandrinder beglotzten uns. Sicher dachten sie: Idioten!

Unten bei der Richisau zitterten uns die Beine. Es reichte grad für ein Schlussbier, schon kam der letzte Bus hinab nach Glarus. Auf der Fahrt empfand ich weniger Glück als vielmehr Erleichterung. Wir hatten alle die Silberen überstanden, wir waren alle heil.

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Route: Pragelpass, Passhöhe – Chalberloch – Zingel – Ruch Tritt – Twärenen – Silberen, Gipfel – Ochsenstrich – Butzen – Biet – Alpeli – Ober Gampel – Unter Gampel – Richisau.

Sicherheit: Der Wanderweg vom Alpeli in der Direttissima via Ober Gampel zur Pragelstrasse ist brutal steil, glitschig und nicht gut unterhalten. Nur für Leute mit guten Knien und viel Trittkontrolle. Alternative ab Alpeli: Via Chälen zur Pragelstrasse; das ist weiter, aber einfacher. Kürzere Variante ohne Alpeli siehe weiter unten.

Pragel-Taxi: Zum Pragelpass hinauf kommt man mit einem privaten Transporteur, Pragel-Taxi in Muotathal. Rechtzeitig reservieren auf 041 830 11 81. Busse bis 15 Plätze, auch Hunde und Velos werden befördert. Preis je nach Fahrzeug und Passagierzahl. Beispiel: Bei 5 Leuten ab Muotathal bis zur Passhöhe zahlt jeder 13 Franken. Wichtig: Am Wochenende kann das Taxi nicht hinab zur Richisau GL fahren, da die Glarner ihr Stück Passstrasse Sa/So sperren. Jederzeit fahrbar ist der Passabschnitt Richtung Muotathal, also Kanton Schwyz.

Wanderzeit: 6 Stunden.

Höhendifferenz: 968 Meter auf-, 1409 abwärts.

Wanderkarte: 246 T Klausenpass, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Bus von der Richisau (Restaurant) zum Bahnhof Glarus.

Kürzer: Ab Butzen in einer halben Stunde zum Pragelpass. Mit dem Pragel-Taxi wieder hinab nach Muotathal. Diese Variante braucht 4 1/2 Stunden (je 880 Meter auf und ab).

Charakter: Spektakuläres und strapaziöses Wandern im Schrattenkalk. Vielerorts ist die Unterlage Kalk, der keine ebenen Trittflächen bietet, sondern gerundete Oberflächen mit Löchern dazwischen. Ohne gute Schuhe und Kondition geht gar nichts. Aussichtsreich in der Höhe, wild, grosse Vegetation. Ein Klassiker.

Höhepunkte: Die Ankunft auf dem Pragelpass. Das Gipfelkreuz der Silberen mit dem Rundumpanorama, die Rast auf dem weiten Plateau. Der Anblick des Klöntalersees vom Alpeli.

Kinder: Muss man beaufsichtigen!

Hund: Der scharfe Schrattenkalk macht Hundepfoten zu schaffen.

Einkehr: Am Anfang (Alpwirtschaft auf dem Pass, im Sommer täglich offen) und am Schluss (Richisau, bis Saisonende täglich offen; hier kann man auch übernachten). Sonst nur im Alpeli, wenn der Älpler da ist.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Schweizer Monsun

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Diese Woche eine Dörferrunde im Zürcher Oberland

Tämbrig? Ich sehe den lang gezogenen Hügel nordöstlich des Pfäffikersees auf meiner Karte und stelle fest, dass er etwas über 800 Meter hoch ist und mehrere Gipfel hat. Eine Besteigung lohne sich nicht wirklich, lese ich im Internet. Der Tämbrig, dessen Name von «Tannenberg» kommt, ist dicht bewaldet. Aussicht hat man offenbar von ihm nicht.

Umrunden wir den Tämbrig stattdessen, beschliesse ich auf dem Sofa. Einige Tage später starten ich und meine Gruppe, die offiziell «Fähnlein Fieselschweif» heisst, von mir aber bisweilen auch «D Chlifamilie» genannt wird, am Bahnhof Pfäffikon. Schnell sind wir den Ort los, kommen in den Wald und in ein Tobel. Die Passage hinüber nach Wallikon: eins a. Da ist der dunkle Tobelweiher, fast ein kleiner See. Da sind Nagelfluhwände, an einer Stelle verengt sich der Weg zum Abenteuerpfad. Da ist zudem ein Giessen, wie man Wasserfälle im Zürcher Oberland nennt.

Das war nah!

Wallikon ist ein Dorfweiler mit einem alten Schulhaus und einem Restaurant, der Alpenrose. Leider es ist zu früh zum Einkehren. An der Flanke des Tämbrig ziehen wir vorwärts, der Himmel ist nun weit. Aber auch düster, Wolken ballen sich; im Radio haben sie am Morgen gesagt, das Tageswetter sei wechselhaft. Tatsächlich beginnt es zu tröpfeln. Wir sind an dieser Stelle übrigens nur noch zu viert. Eine überfitte Dreierfraktion hat sich zwischenzeitlich abgesetzt, sie will doch auf den Tämbrig.

Wieder ein Weiler, einer mit Flarzhäusern und einem turmbewehrten Spritzenhäuschen: Gündisau. Anschliessend steigt der Weg, es beginnt zu prasseln, eine Art Schweizer Monsun ist das. Kein Problem, wir sind bald in Hermatswil, wo wir zu Mittag essen wollen. Oder doch ein Problem? 300 Meter vor Hermatswil ein scharfer Blitz und krachender Donner. Das war nah.

In der Eintracht warten die Tämbrig-Helden schon. Oben hätten sie wirklich nicht viel gesehen, berichten sie. Ausser ein Reh und extrem viele Schnecken. Alsbald widmet sich alles der Menükarte. Die Eintracht ist eine Dorfwirtschaft in Holz mit einem Kachelofen, als Tagesspezialität wird das Cordon bleu empfohlen. Nehmen wir gern. Ronja und Svenja entscheiden sich für Münchner Weisswürste. Sie schwimmen in einem stilecht blau-weiss karierten Topf, zum Schöpfen wird eine exakt auf Weisswurstgrösse formatierte Kelle gereicht.

Himmelsregatta

Als wir weiterziehen, hat sich der Regen verzogen. Das Wasser macht das Gras und die Baumblätter und Tannen glänzend grün, am Himmel segeln dramatisch die Wolkenschiffe, wir steigen auf zum Reservoir über dem Ort und steigen ein letztes Mal ab Richtung Hittnau. Zuvor kommt aber das Dorf Isikon. Der Wegweiser führt uns zum Jakob-Stutz-Gedenkbrunnen. Der Dichter, geboren 1801, wird heute vor allem aus volkskundlichem Interesse gelesen; man erfährt aus seinen Schriften viel über das Landleben im 19. Jahrhundert.

Drückend plötzlich die Luft. Eine kurze Passage den Schwarzenbach entlang, dann biegen wir links ab und visieren das Dorf Hittnau an, das uns nach Wallikon, Gündisau und Hermatswil gross und eher ungemütlich vorkommt. Die Wirtschaft Sonne freilich, in der wir ein Bier trinken, mögen wir sehr, sie spendet Geborgenheit. Draussen beginnt es wieder zu regnen, nicht sanft, sondern aggressiv, wild, laut. Diese Wanderung bot uns eine tolle Landschaft. Und grosses Wetterkino.

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Route: Bahnhof Pfäffikon ZH – Tobel – Wallikon – Gündisau – Niederfeld – Hermatswil – Reservoir – Grossholz – Isikon – Sonnenhof – Weg am Schwarzenbach – Hittnau.

Wanderzeit: 3 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: 356 Meter auf-, 266 abwärts.

Wanderkarte: 226 T Rapperswil, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Bus von Hittnau zum Bahnhof Pfäffikon.

Charakter: Idyllische Landschaft, Tobel, Wald und weite Horizonte im Mix. Etwas für die ganze Familie und für jedes Wetter.

Höhepunkte: Die Engpassage einer Nagelfluhwand entlang im Tobel gleich nach Pfäffikon und der Giessen. Die Weite der Landschaft vor Gündisau. Ankunft und Einkehr in Hermatswil. Der Anblick des Pfäffikersees von oberhalb Isikon.

Kinder: Perfekt.

Hund: Ebenfalls perfekt.

Einkehr: Wallikon, Alpenrösli, Mo Ruhetag. Hermatswil, Eintracht, Mo, Di, Mi Ruhetag. Do erst ab 16 Uhr. Hermatswil, Besenbeiz Lotharstube, Mi, Do, Sa Ruhetag. Mo, Di, Fr ab 16 Uhr, So ab 11 Uhr. Isikon, Zur Frohen Aussicht, Mo, Di Ruhetag. Mi bis Fr am Nachmittag zu. Sa ab 18 Uhr. Hittnau, Sonne, Mi Ruhetag. Sa erst ab 15 Uhr.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Die Begehung der Crema Catalana

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Diese Woche vom Scex Rouge/Glacier 3000 via Teufelskegel zum Sanetsch-Stausee (VD/VS)

Man kann in und um den Waadtländer Ferienort Les Diablerets wunderbar wandern. Da ist der Wildbachweg zum Wasserfall Cascade du Dar. Der Aussichtsberg La Palette und der Lac Retaud unterhalb. Oder auch die Passage vom Col de la Croix vorbei an den Gipspyramidchen zum Lac de Bretaye.

Habe ich alles gemacht, war alles schön. Noch mehr Begeisterung löste die folgende Route aus – sie führt über einen Gletscher, dessen Kruste unter den Füssen knackt, als gehe man auf einer Crema Catalana. Ein Teufelskegel am Rand eines Abgrundes wird besucht. Zudem wandern wir über Felsen so glatt wie riesige Fischbäuche zu einem alpinen Stausee. Und das Beste: Das ist alles normales Bergwanderterrain – wir brauchen weder Helm noch Seil, weder Pickel noch Steigeisen.

Ecclestone mischt mit

Von der Bushaltestelle auf dem Col du Pillon nehmen wir die Seilbahn, nehmen eine zweite Seilbahn, erreichen den Scex Rouge auf knapp 3000 Metern. «Glacier 3000» wurde der Berg samt Anlagen von den Marketingleuten getauft; Formel-Eins-Tycoon Bernie Ecclestone ist einer der Investoren. Die Gruselhängebrücke Peak Walk by Tissot führt luftig zu einem Nebengipfelchen als Mutprobe für Turnschuhträger. Das Panoramarestaurant hat Mario Botta entworfen. In den Hang gebaut ist die Rodelbahn auf Schienen namens Alpine Coaster. Wie ein vorsintflutliches Monster überwacht all diese Dinge das Oldenhorn, das aussieht wie aus Kohle gebacken.

Bequem wie wir sind, nehmen wir die Sesselbahn den Coaster entlang abwärts. Unten beginnt die Tour über den Glacier de Tsanfleuron. Das Eis füllt die Hochebene und ist eher schmutzbraun als blauweiss. An manchen Stellen der brüchig-spröden Oberfläche sammelt sich in den Fussabdrücken Schmelzwasser. Bei alledem ist der Weg glitschig. Vor Spalten braucht man sich nicht zu fürchten, Stangen markieren den sicheren Pfad, dies ist eine Familienroute.

Endlich, wir sind nun im Wallis, La Quille du Diable, der Teufelskegel, ein schwarzer Zahn, der die Geländekante markiert. Wir treten vor und linsen hinab. Fast 1000 Meter tiefer ein Kessel in Grün, darin das Seelein von Derborence. Im Refuge l’Espace können wir den Tiefblick mit einem Tee oder so kombinieren. Die Single Malts kommen diesmal nicht infrage.

Den rot-weissen Markierungen nach beginnt der Abstieg über die vom entschwundenen Gletscher glattgeschliffenen Felsen mit eingelagerten Tümpeln. Die Rundsicht bleibt grandios, wie wir überhaupt auf dieser Wanderung Gipfel sonder Zahl sehen, solche der Romandie und Frankreichs, aber auch bernische und freiburgische.

Voilà ein Ferienziel!

In der Hütte von Prarochet ist wieder Gelegenheit einzukehren. Danach geht es weiter abwärts, irgendwann endet das Reich der Schmirgelfelsen, die mit Schleifspuren verziert sind. Die Sanetsch-Passstrasse kommt in Sicht und hernach der Stausee, an dem wir vorwärts halten bis zur Staumauer, der Auberge du Sanetsch und der Seilbahn. Sie trägt uns hinab nach Gsteig. Nun, nicht ganz, unten müssen wir eine Viertelstunde laufen, bis wir im Ort sind. Komfortable Sache: Von Gsteig gibt es Busse hinauf zum Col du Pillon, wo wir starteten, und nach Les Diablerets.

Erstaunlich – kaum vier Stunden unterwegs gewesen und doch so viel gesehen wie auf mehreren Wanderungen zusammen! Wie gesagt, Les Diablerets lohnt den Besuch. Wer noch kein Ferienziel hat, voilà!

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Route: Bergstation Scex Rouge/ Glacier 3000 (zwei Seilbahn-Sektionen ab Col du Pillon, dorthin gelangt man per Bus von Les Diablerets oder Gsteig) – (fakultativer Ausflug über den Peak Walk by Tissot zu einem Nebengipfelchen und retour) – Talstation Alpine Coaster (diesen kurzen Abstieg kann man sich sparen, indem man die Sesselbahn parallel zum Coaster nimmt) – markierter Weg zum Quille du Diable/Teufelskegel (Zweitname: Tour St-Martin) – Bergweg hinab zur Cabane de Prarochet – Sanetsch-Strasse – Stausee – Auberge du Sanetsch – Seilbähnlein hinab Richtung Gsteig. Von der Talstation muss man bis ins Dorf noch einmal 15 Minuten gehen.

Wanderzeit: 3 3/4 Stunden plus 15 Minuten von der Sanetsch-Seilbahn-Talstation nach Gsteig hinein.

Höhendifferenz: 95 Meter auf-, 850 abwärts.

Wanderkarte: 272 T Saint-Maurice, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden. Wichtig: Die Strecke vom Alpine Coaster über den Gletscher zum Quille du Diable variiert. Sie wird vor Ort von Leuten ausgesteckt, die auf Spalten achten; hält man sich an diese Markierungen, ist das sicher. Man ziehe also nicht die GPX-Route heran, sie ist für diesen Abschnitt nicht verlässlich.

Retour: Busse von Gsteig über den Col du Pillon nach Les Diablerets oder nach Gstaad.

Kürzer: Wer vom Alpine Coaster zum Quille du Diable (Restaurant) und retour geht, braucht dafür bloss knappe zwei Stunden. Kaum Höhendifferenz. Aber grosse Gletscherwelt. Wegen des nässenden Gletschereises braucht es doch gute Schuhe, manche Partien sind glitschig und sehr feucht.

Charakter: Zuerst easy über einen flachen Gletscher. Danach normale Bergwanderung. Keine ausgesetzten Stellen. Grossartige Bergwanderung, Abenteuerflair.

Höhepunkte: Der Gang über den Gletscher. Der Tiefblick vom Quille du Diable auf den grünen Talboden von Derborence. Der Abstieg zur Cabane de Prarochet über glattgeschliffene Felsen.

Kinder: Normale Anforderung einer Bergwanderung. Vorsicht bei der ungesicherten Kante beim Quille du Diable; das Herantreten an den Abgrund ist aber fakultativ.

Hund: Mag der Hund Gletschereis unter den Pfoten? Wenn ja, alles gut.

Einkehr: Restaurant Botta auf Glacier 3000. Refuge l’Espace bei der Quille du Diable. Cabane de Prarochet. Auberge du Sanetsch, 12 Gault-Millau-Punkte.

Seilbahn am Ende: Die Sanetsch-Seilbahn ist bisweilen überlastet, dann muss man warten.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Beitrag Die Begehung der Crema Catalana erschien zuerst auf Outdoor.

Ab nach Felsenarsch

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Diese Woche zu den unterirdischen Mühlen bei Le Locle und nach Les Brenets (NE)

Man stellt sich die Müllerei als fröhliches und lichtes Handwerk vor, so kennt man sie aus den Märchen, dick und satt steht der Müller vor seiner Mühle. Mit Col des Roches verhält es sich ein wenig anders: Es handelt sich um unterirdische Mühlen. Die Männer, die einst in ihnen arbeiteten, waren wohl eher hohlwangig und bleich.

Wir können mit dem Postauto vom Bahnhof Le Locle nach Col des Roches am südwestlichen Rand des Hochtals von Le Locle fahren. Wenn wir die halbe Stunde zu Fuss gehen, erkennen wir gleich die Beschaffenheit der Landschaft.

Feuchte Unterwelt

Nämlich: Gegen Col des Roches zu verengt sich das Tal, bis knapp vor der Grenze zu Frankreich ein Felsriegel es abschliesst. Das träge Talflüsslein Bied versickert an dieser Stelle, legt unter Tag entscheidend an Geschwindigkeit zu und hat eine Serie von Kavernen geschaffen. Im 17. Jahrhundert erkannten findige Leute, dass man den Bied auf diesem Abschnitt als Treiber von Wasserrädern, Dreschwerken, Ölpreissen nutzen kann. So entstanden die unterirdischen Mühlen, die bis Ende des 19. Jahrhunderts im Betrieb waren, um in unserer Neuzeit als Museum aufzuerstehen.

Wir zahlen am Schalter des Museumsgebäudes unseren Eintritt, zu Gruppen gesellt sich ein Führer, Einzelreisende fassen einen Audioguide, eine Ausstellung ist zu besichtigen. Und dann geht es die Treppe hinab in die Unterwelt, feucht ist es, es rieselt, gute Schuhe sind vonnöten. Ebenso faszinierend wie der Anblick des riesigen Holzrades, all der zudienenden Geräte, der immer neuen Hohlräume und Schächte und Stege und Stiegen sind die Töne und Klänge. Es rieselt, die Schritte hallen, das Mühlerad klappert.

Erstaunlich, dass Col des Roches in der Deutschschweiz nicht bekannter ist. Übrigens: Der Ort hiess zunächst Cul des Roches, Felsenarsch; den Namen zog er sich durch seine Abgelegenheit zu.

Nun wird gewandert, besonders anstrengend ist der Weg zur nächsten Sehenswürdigkeit nicht, dem Jürgensen-Turm. Wir gehen durch den Autotunnel, kommen zu einem Kriegsdenkmal, drehen gleich rechts, ein zweiter kleiner Tunnel ist zu nehmen. Nah einem Druckrohr geht es hinab zum ziemlich verschmutzten Grenzfluss Rançonnière, wieder aufwärts zur Bahnlinie nach Les Brenets und via Les Combolles zum Punkt Caroline. Herrlich dort der Blick auf Les Brenets mit dem gleichnamigen Lac des Brenets, dem verdickten Doubs.

Zum Schluss aufs Schiff

Weiter oben ist die Sicht noch schöner. Dort steht unser Turm, der mit seinen zackigen Zinnen aussieht wie ein normannisches Jagdschlösschen. Wieder sehen wir Les Brenets und den See und französisches Land. Erbaut hat das surreale Turmding, das Mittelalter spielt, der dänisch-schweizerische, mit der Houriet-­Dynastie verbandelte Uhrenpionier Jules Jürgensen in den 1870er-Jahren.

Wenn wir uns sattgesehen haben, gehen wir weiter. Der Abstieg nach Les Brenets ist schnell vollzogen, er führt wieder zum Gutteil durch schattigen Wald. Unten im Grenzort empfiehlt sich, bevor wir mit dem Schmalspurzüglein nach Le Locle zuckeln, eine Schifffahrt. Regelmässig verkehren Boote zum Saut du Doubs, einem imposanten Wasserfall; auch ihn muss man gesehen haben. Hernach wird man sagen: Doch, eine ergiebige Wanderung, drei Sehenswürdigkeiten auf einen Streich.

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Route: Le Locle, Bahnhof – Col des Roches, unterirdische Mühlen (Besichtigung) – La Rançonnière – Caroline – Jürgensen-Turm – Caroline – Les Brenets, Bahnhof.

Wanderzeit: 2 1/2 Stunden ohne Besichtigung der Mühlen.

Höhendifferenz: 320 Meter auf-, 390 abwärts.

Kürzer: Mit dem Bus (381, Richtung La Brévine) vom Bahnhof Le Locle nach Col des Roches (die Haltestelle heisst «Le Locle, Moulins Souterrains»). Das spart eine halbe Stunde Gehzeit.

Wanderkarte: 231 T Le Locle, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Unterirdische Mühlen: Die Mühlen sind, abgesehen von kurzen Weihnachtsferien, das ganze Jahr offen. Öffnungszeiten bis Oktober: jeweils von 10 bis 17 Uhr. Man kann sie allein besichtigen, die Information kommt dann von einem tragbaren Gerät. Für Führungen konsultiere man die Website. Wichtig: Warme Kleider mitbringen, es ist kühl.

Charakter: Ziemlich leichte Wanderung. Weil einige kurze Stücke leicht coupiert sind oder im Wald (Wurzelwerk) verlaufen, braucht es doch Wanderschuhe. Faszinierend gerade für Familien wegen der Mühlen und des Turmes; die Wanderung ist sehr abwechslungsreich.

Höhepunkte: Die unterirdischen Mühlen. Der Weitblick vom Jürgensen-Turm. Das herzige Bähnli von Les Brenets nach Le Locle.

Kinder: empfehlenswert.

Hund: Er darf nicht mit in die Mühlen.

Einkehr: Am Anfang und am Schluss.

Saut du Doubs: Toll ist die Schifffahrt von Les Brenets auf dem Lac des Brenets zum Saut du Doubs (Wasserfall) und retour. Fahrzeit hin und retour je 20 Minuten. Zum Fahrplan.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Achterbahn im Gebirge

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Diese Woche eine Wanderung linksseitig hoch über dem Reusstal (UR)


Als wir eine knappe halbe Stunde nach dem Start auf der Alp Honegg etwas trinken, darf die Wanderung bereits als gelungen bezeichnet werden – wir sind beglückt. Hinter uns hockt wie ein übermächtiger Wächter der Gitschen. Vor uns stürzt das Gelände zur Reuss in die Tiefe. Dahinter eine Vielzahl von Bergen, der Rophaien zum Beispiel. Freundlicherweise hat man uns ein Tischset mit dem Bergpanorama gebracht.

Eine knappe Stunde zuvor sind wir fast 1000 Meter tiefer in Seedorf auf der Turmmatt dem Bus entstiegen, der uns von Altdorf hertrug. Drei Gebäude gilt es an dieser Stelle zu erwähnen. Erstens das Schloss derer von A Pro. Das Geschlecht wanderte einst aus der Leventina ein, verdingte sich dem französischen König und baute ein Schloss, das zum Teil noch gotische Züge trägt.

Gebäude zwei ist das Mineralienmuseum, das gerade zu hat; offen ist es Donnerstag, Samstag, Sonntag jeweils nachmittags. Gebäude drei wiederum ist unsere Bahn-Talstation. Das Kabinli kommt, wir steigen ein, fahren los, mit uns reisen zwei Säcke mit altem Brot, die ein Mann eingeladen hat. Der Urnersee wird immer kleiner und immer blauer.

Vorsicht, hochgiftig!

Oben die Bergstation ist ein Minigehütt auf Stelzen. Im nahen Wohnhaus zahlen wir. Die Alp Honegg, wo wir bald darauf einkehren, habe ich erwähnt. Immer den Gitschen samt seinen gerölligen Ausläufern und Fluhen zur Rechten, ziehen wir nach der Rast weiter, kommen in den Wald, passieren eine Hütte mit Bildstock. Der Weg wird schmal. Schon erblicken wir vor uns einen Bergkessel, den Gitschitaler Boden. Die Familie, die das Alphaus bewohnt, steht in den Wiesen und heut.

Vom Gitschitaler Boden geht es wieder aufwärts, wir passieren die Hütte bei der Distleren und kommen in einen feuchten, krautigen Hang, dieses Stück ist mühsam. Überall Blauer Eisenhut, eine extrem giftige Pflanze, die man nicht einmal anrühren soll. Oben auf dem Grat, der schlicht «Grat» heisst, wieder Sonne. Etwas unterhalb erscheint die Alp Grat. Wieder kehren wir ein, essen etwas Kleines. Ein kleiner blonder Nackedei flitzt vorbei. Sein Schwesterlein trägt ein Kleid und schleppt eine Puppe, die deutlich grösser ist als es. Sommerkinder auf der Alp.

Gefahr in den Chräienhöreli

Wir sehen nun direkt ins Reusstal hinab, haben den bolzengerade kanalisierten Unterlauf des Schächen zu Füssen. Was folgt, ist eine Art Achterbahn von Bergweg: Der Pfad durch die Chräienhöreli sinkt ab und steigt hernach in Form einer steilen Treppe direkt auf den einen der begrasten Felshoger. Gut, ist das Stück gesichert. An einer Stelle ein Jesusbild. Es erinnert daran, dass ein Biker hier in den Tod stürzte.

Rasch ist die Passage überwunden, die Teil des Zubringers zum Surenenpass ist. Unten auf der Terrasse des Berghauses Z’Graggen treffen wir Leute, die die Surenen von Engelberg her gerade hinter sich haben und schwärmen. Einige Zeit später gondeln wir mit dem Brüsti-Seilbähnli nach Attinghausen hinab. Unsere Unternehmung war eine der mittleren Anstrengung. Punkto Aussicht und Abwechslung kann sie sich mit doppelt so langen und harten Strecken messen.

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Anreise: Mit dem Bus von Altdorf zur Haltestelle «Seedorf, Schloss A Pro» und zur Turmmatt, so der Name der Talstation der Gitschenberg-Seilbahn.

Route: Gitschenberg – Honegg – Chohleren – Gitschitaler Boden – Distleren – Grat – Alp Grat – Chräienhöreli – Berghaus Z’Graggen – Bergstation Brüsti-Seilbahn (Talfahrt nach Attinghausen).

Wanderzeit: 3 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: 675 Meter auf-, 508 abwärts.

Wanderkarte: 245 T Stans, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Mittellange Bergwanderung, grossartig durch ihre Abwechslung, mal wandert man im Kessel unter dem Gitschen, mal hat man Sicht ins Reusstal und in die Weite. Gute Schuhe nötig, einige Abschnitte sind schmal und/oder ruppig. Im Abschnitt Chräienhöreli ist der Pfad ziemlich luftig, aber nicht eigentlich ausgesetzt (und sehr gut gesichert).

Höhepunkte: Die Bergfahrt mit der Seilbahn und der Tiefblick auf den Urnersee. Der Anblick der mächtigen Gitschenkette direkt über einem vom Gitschitalerboden aus. Die wilden Chräienhöreli und der Pfad, der an einer Stelle an die Treppe der Chinesischen Mauer erinnert.

Kinder: Machbar, wenn man sie an den heiklen Stellen beaufsichtigt.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Am Anfang auf dem Gitschenberg. Gleich danach auf der Honegg. Auf der Alp Grat. Berghaus Z’Graggen.

Interessant: Urner Mineralienmuseum, Seedorf.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Guten Flug!

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Diese Woche eine Abwärtswanderung vom Weissfluhjoch nach Langwies (GR)

Weissfluhjoch, fast 2700 Meter über Meer. Die Standseilbahnfahrt ab Davos Dorf in zwei Sektionen war atemberaubend gewesen. Zwei Dinge frappierten mich oben: erstens die geschmacklose Präsenz des Wintertourismus, überall Skiliftmasten und Werbeschilder und dergleichen.

Zweitens die Landschaft. Grauschwarzes Geröll. Ich kam mir vor wie auf dem Mond.

Ich ging los und… nein, halt, eine Vorbemerkung. Diese Route ist dem Stamm der Gern-abwärts-Geher gewidmet. Bis zur Bahn unten in Langwies an der Linie Chur–Arosa geht man nur 40 Meter aufwärts, aber 1382 Meter abwärts. Ich finde, es liegt darin etwas Wunderbares, wenn nur die Knie mitmachen; natürlich kann man sie mit Stöcken ein Stück weit entlasten.

Man hat, wenn man absteigt, stets sein Ziel oder Zwischenziel vor Augen und visiert es an wie ein Pilot die Landepiste. Ja, ich war an jenem Tag ein Flugzeug.

Spektakel Felsenweg

Das erste Ziel in diesem Fall war der Strelapass. Es dauerte, bis ich auf der Totalp die Skivorrichtungen los war. Die Sicht, übrigens, war fantastisch, die grauen Bastionen des Rätikon sah ich nun zwar nicht mehr, blickte dafür weit Richtung Süden: Gipfel, Gipfel, Gipfel.

Alsbald fesselte mich etwas Nahes: Mein Weg, Felsenweg genannt, führte durch die Westflanke des Gross Schiahorns. Galerien machten es in der heikelsten Partie möglich, überhaupt die Flanke wandernd queren zu können. Wo ich kein Dach über dem Kopf hatte, ging ich schnell, Steinschlaggefahr. Mit ihr muss der Wanderer in dieser Passage leben.

Beim Strelapass gab es ein Restaurant. Aber nun lockte mich das Grün weiter unten im Haupter Tälli respektive Sapün, wie der grüne Einschnitt gegen Langwies zu heisst; ich stieg gleich weiter ab. Dieser Abschnitt war nicht mehr extraterrestrisch, hatte es aber in sich, weil der Passweg steil war und ungemein rutschig.

Endlich fand ich mich in sanfter Lage: ein Fahrweg, Gaden, Weiden mit Kühen. Beim Gasthaus Heimeli im Jatz (so heisst der Weiler) ankommen fühlte sich an wie heimkommen. Über die Jahre bin ich dort immer wieder gewesen, vor allem winters, die Wirtsleute pfaden das Strässchen hinab nach Langwies. Einst, als ich von unten kam, gumpte mir eine Wollsau fröhlich grunzend entgegen; sie nahm eine Abkürzung durch den Schnee und wälzte sich.

Zorn eines Mädchens

Ich kehrte ein, ass, genoss, mir fiel wieder ein, dass sich der Name des Sapün vom lateinischen «symphonium», gleich Kuhglocke, ableitet. Schliesslich zog ich weiter, vorbei an der Walsersiedlung Dörfji aus geschwärzten Gehütten, die heute vor allem zu Ferienzwecken genutzt werden.

Kurz vor Langwies wieder ein alter Bekannter, der Sapüner Steg. Die gedeckte Holzbrücke hat ein berühmtes Walserlied inspiriert, die zornige Klage eines Mädchens darüber, dass sein Liebster es wegen eines reichen Mädchens verlässt. Der Text beginnt so: «Mis Büeli gäid über Sapüner Steg i/ I wünschä-mä Wassär in d Schuä.»

Der Rest: Auslaufen ins Dorf. Ein Kurzbesuch in der Kirche mit ihren uralten Fresken. Und ein letzter kleiner Abstieg hinab zur Station. Dort befand ich, dass es ein fantastischer Flug gewesen war.
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Route: Weissfluhjoch, Bergstation (Standseilbahn in zwei Sektionen ab Davos Dorf) – Totalp – Felsenweg – Strelapass
– Jatz/ Restaurant Heimeli – Chüpfen – Dörfji – Langwies, Dorf – Langwies, Station.

Wanderzeit: 3¼ Stunden.

Höhendifferenz: 40 Meter auf-, 1380 abwärts.

Wanderkarte: 248 T Prättigau, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Langwies (Station) liegt an der Bahnlinie Arosa–Chur.

Charakter: Herrliche Unterschiede, oben grau, unten grün. Viel Höhendifferenz, der Abstieg geht in die Beine. Keine ausgesetzten Stellen, trittsicher muss man aber sein.

Höhepunkte: Die Fahrt aufs Weissfluhjoch. Die Mondlandschaft oben. Der abenteuerliche Felsenweg (Steinschlaggebiet). Das liebliche Hochtal von Sapün mit der alten Walsersiedlung.

Kinder: Wenn sie fit sind und beaufsichtigt werden, kein Problem.

Hund: Ja.

Einkehr: Auf dem Weissfluhjoch. Auf dem Strelapass (bei gutem Wetter immer offen bis circa Mitte Oktober). Berggasthaus Heimeli (Di Ruhetag). In Langwies.

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Kamor hat nichts mit Camorra zu tun

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Diese Woche von Brülisau auf den Kamor und hinab nach Rüthi (AI/SG)

Hat es Sonne auf dem Kamor? Die Frage plagt uns, als wir im Innerrhoder Dörfchen Brülisau im Nebel starten. Die Webcam auf dem bekannten, geringfügig höheren Nachbarberg des Kamors, dem Hohen Kasten, motiviert uns: Dort hat es Sonne.

Saftig steigt der Hang vor uns an, Kühe glotzen verdutzt, wenn wir quasi aus dem Nichts vor ihnen auftauchen; dann senken sie wieder die Köpfe und fressen weiter. Schnell sind wir auf dem Rossberg, schnell danach beim Ruhesitz, exakt eine Stunde hat das gedauert.

Wir treten ein, alles so schön Holz im Restaurant Ruhesitz, diesem Stützpunkt der Gemütlichkeit. Ich mampfe natürlich einen Nussgipfel, Ronja findet das natürlich absonderlich. Mein Bauch frohlockt.

Der Gemütsschalter

Draussen immer noch Nebel. Wir gelangen in die Fluh unterhalb des Kastensattels, unser Felspfad ist glitschig von der feuchten Luft, aber Gott sei Dank breit. Was wir nicht haben, ist Tiefblick; der eine, sehr schwindelanfällige Wanderkollege ist froh darüber.

Immer wieder erstaunlich, was in einem passiert, wenn es hell wird. Eine Art gemütsinterner Schalter wird gekippt, Freude schiesst ein. Unterhalb des Kastensattels deutet sich die Sonne an und wird mit jedem Schritt aufwärts stärker.

Auf dem Sattel sind wir ganz im Licht. Unter uns ein Nebelmeer, das Rheintal ist wattiert, die hohen Berge im Vorarlbergischen aber, im Liechtensteinischen und zum Bündnerland hin, die sehen wir. Ganz in der Nähe ist die Antenne des Hohen Kastens markant; eben fährt dort die Schwebebahn in die Bergstation ein.

Der Kamor ist schnell erobert. Etwas befremdlich das Strässchen bis fast auf den Gipfel, Teil einer Militäranlage. Der Gipfelspitz selber ist unversehrt und sieht so aus, wie man sich einen Gipfelspitz vorstellt. Ein Grasgupf mit Dohlen und Felsen. Vorsicht mit Kindern! Der Abgrund Richtung Norden birgt Gefahr!

Wir tanken Sonne, strecken uns aus, dösen. Als wir doch wieder aufstehen, sind wir dankbar; adieu Kamor, du warst gut zu uns. Der Bergname, nebenbei gesagt, hat nichts mit der Camorra zu tun. Er setzt sich zusammen aus «ganda» und «mora» und bedeutet schwarze Geröllhalde.

Weiter unten wieder Nebel. Durch kupierte Weiden halten wir abwärts, passieren den Stofel und den Zapfen. Schliesslich das Gasthaus Montlinger Schwamm, gleich gibt es Zmittag. Bei dem Wetter in eine Wirtschaft einzutreten, ist eine Lust. Und das Essen mundet.

Winnetous Lagerplatz

700 Höhenmeter liegen noch zwischen uns und dem St. Galler Rheintal. Vorerst gehen wir im Bereich der kurvenreichen Strasse, wobei der Wanderweg immer wieder die Direttissima nimmt. Nach dem Brunnenberg kommen wir in eine Schlucht, gehen unter einem Felsband, überall liegen Blöcke, es hat Geröll auf dem Pfad, an einigen Stellen ist das Felsband überhängend. Winnetou würde an dieser Stelle sagen: «Hier wollen wir lagern, tapfere Apachen.»

Unsereins muss weiter und langt endlich in Rüthi und am Rhein an. Nein, halt, das träge Gewässer ist ein Seitenkanal. Einige Zeit später sind wir beim Bahnhof Rüthi. Das nahe Hotel hat zu, Ruhetag Samstag. Schade, es wäre perfekt für einen Schlusstrunk, bei dem man noch einmal des besonnten Berges gedenken könnte; es heisst Kamor.

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Route: Brülisau (erreichbar in kurzer Busfahrt ab der Bahnstation Weissbad der Appenzeller Bahnen) – Brand – Rossberg – Ruhesitz – Kastensattel – Kamor – Stofel – Zapfen – Montlinger Schwamm – Schönenboden – Brunnenberg – Schlattenbrand – Planggi – Moolen – Rüthi, Dorf – Rüthi, Bahnstation.

Wanderzeit: 5½ Stunden.

Höhendifferenz: 895 Meter auf-, 1394 abwärts.

Wanderkarte: 227 T Appenzell, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Per Zug nach Sargans oder St. Gallen.

Kürzer: Dank der Seilbahn von Brülisau auf den Hohen Kasten kann man die Wanderung kürzer gestalten. Zuerst von Brülisau auf den Kamor wie im Text. Dann retour zum Kastensattel und auf den Hohen Kasten. Diese Variante dauert nur 3 Stunden.

Charakter: Ab Ruhesitz bis Kastensattel eine Bergwanderung, schmaler Pfad, gute Schuhe zwingend! Ansonsten eine voralpine Route mit einem guten Fünftel Hartbelag. Einige Abschnitte steil und ruppig, auch deswegen braucht es die guten Schuhe. Sehr aussichtsreich.

Höhepunkte: Die Einkehr im Ruhesitz. Der Anblick der Kasten-Seilbahn vom Kastensattel aus. Der Gipfelspitz des Kamors und der Tiefblick übers Appenzellerland Richtung Bodensee und darüber hinaus. Die Planggi-Passage mit der gewaltigen Fluh, unter der man geht.

Kinder: Man muss sie beaufsichtigen wie bei jeder Bergwanderung, an einigen Orten lauert Gefahr, z. B. unter dem Kastensattel oder auf dem Gipfel.

Hund: Keine besonderen Probleme.

Einkehr: Am Anfang (Brülisau) und Ende (Rüthi). Unterwegs der Ruhesitz (Mi Ruhetag) und das Restaurant Montlinger Schwamm (kein Ruhetag).

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Meine Tschingelei

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Diese Woche von der Tschinglen-Alp auf dem Schluchtweg hinab nach Elm (GL)

Elm bezaubert mich immer wieder. Die jahrhundertealten geschwärzten Blockhäuser. Das Kirchlein, gedrungen und selbstbewusst, und vom Kirchhof der Blick hinauf zum Martinsloch. Die Erinnerung an den Generalissismus Suworow, der 1799 durchzog samt seinen Kosaken und in Elm nächtigte; seither gibt es im Dorf ein Suworowhaus.

Rundum aber schliessen sich die Berge zum Kreis – die Pässe, über die man aus dem Kessel kommt, habe ich alle mehrmals gemacht; Foo, Panixer, Richetli, Wildmadfurggeli. Und den Segnes hinüber nach Flims; man kommt dabei den Tschingelhörnern nah, die mich schon beim ersten Anblick vor Jahrzehnten an Hexenhüte gemahnten.

Der Horrorschlitz

Als ich diesmal nach Elm reise, habe ich in der Tat die Tschingelhörner im Visier. Aber nur als Hintergrund, ich will nicht hinauf zu ihnen und hinüber ins Bündnerland gehen, das wäre tagfüllend, und ich bin gerade erkältet und nicht so fit. Eine Leichtroute tut not.

Von der Bushaltestelle «Station», deren Name daran erinnert, dass bis 1969 die Sernftalbahn von Schwanden hinauf nach Elm fuhr, folge ich den Schildern zur Tschinglenbahn. Das dauert eine Viertelstunde und spielt sich auf einem Nebensträsschen ab. Das blaue Kabinchen düst grad ab, als ich ankomme, und ich freue mich über den Fortschritt. Das letzte Mal, als ich vorbeikam, verkehrte eine offene Holzkiste.

Schon sind wir dran, ich und drei andere füllen die Kabine, ab gehts. Acht Minuten dauert die Fahrt und ist ein Spektakel: unter uns ein Gruselschlitz, die Tschinglenschlucht.

Oben Lieblichkeit: ein Bergkessel, senkrechte Wände, Blumen, Sprudelbäche. So stellt man sich eine Alp vor. Aber wo ist das Restaurant der Tschinglen-Alp? Es liegt versteckt in der Senke unterhalb. Fünf Minuten dauert der sanfte Abstieg, ein Hüttenweiler zeigt sich mit einem guten Dutzend Knusperhäuschen; es sind Ferienhäuschen der Einheimischen oder auch Jägerunterkünfte.

Vor der Miniwirtschaft lasse ich mich nieder, bestelle einen Kafi. Und ein Käsesandwich. Es ist nicht mini, sondern maxi. Und sehr gut.

Ahnung des Schreckens

Nun wird gewandert. Die satte Stunde hinab nach Elm ist ein Abenteuer im Kleinen. Wäre der Bergweg durch die Tschinglenschlucht Literatur, so eine Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe, dem Meister der gepflegten Gruselei. Im Mittelteil zieht sich der Pfad – schön breit ist er übrigens – nah am Abgrund. Ein Geländer gibt es nicht, doch sind die heikleren Abschnitte mit Ketten versehen. Ich bin froh darum, der Boden ist feucht, bröckelig, rutschig. Der Grund der Schlucht mit dem Tschinglenbach ist zum guten Teil nicht sichtbar, was auf das Gemüt des Wanderers wirkt: Die Ahnung des Schreckens ist schrecklicher als dessen direkte Präsenz.

Beim roten Bänkli endet die Schluchtpassage, doch noch ist einige Höhe zu vernichten. Wieder unten bei der Talstation habe ich die Wahl, ob ich retour zur Station halten will oder links abbiege zum Dorf. Wahl? Ein Besuch in Elm ist zwingend. Meine Visite endet auf der Terrasse der Sonne, wo ich meine Erlebnisse Revue passieren lasse. Doch, die Tschingelei war grossartig.

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Route: Tschinglen-Alp, Bergstation der Seilbahn – Tschinglen-Alp, Wirtschaft – Tschinglenschlucht – Abzweiger vor der Seilbahn-Talstation. Hier hat man die Wahl: kürzer in gut 10 Minuten zur Busstation «Elm, Station» oder leicht länger ins Dorf Elm (dort verkehrt derselbe Bus Richtung Schwanden SBB).

Wanderzeit: Knapp 1 1/2 Stunden für die leicht längere Variante.

Höhendifferenz: 580 Meter abwärts, 37 abwärts.

Wanderkarte: 247 T Sardona, 1:50’000.

Anreise: Mit dem Bus von Schwanden SBB nach «Elm, Station». Von dort in 15 Minuten zu Fuss zur Talstation der Tschinglenbahn und mit dieser auf die Tschinglen-Alp.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Von Elm-Dorf oder von der Station Elm wieder nach Schwanden SBB.

Charakter: Kurze Wanderung. Lieblichkeit auf der Tschinglen-Alp, herrliche Einkehr. Auf der Alp können Familien gut spazieren. Unter- und oberhalb aber definitiv kein Turnschuhgelände. Der Tschinglenschlucht-Weg ist (je nach Definition) knapp noch nicht oder sehr leicht ausgesetzt, er ist stellenweise steil und glitschig. Ketten helfen. Vorsicht mit Kindern, bei und nach Regen meiden.

Höhepunkte: Das Schweben im Bähnli über der Tschinglenschlucht. Die Einkehr im idyllischen Alp-Wirtschäftchen. Der Anblick der Felsbastionen rundum. Das Abenteuer Tschinglenschlucht. Und immer wieder: Elm.

Kinder: In der Schlucht muss man sie unbedingt beaufsichtigen!

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Mehrere Möglichkeiten in Elm. Auf der Tschinglen-Alp das Alp-Wirtschäftchen. Es hat auch ein Massenlager.

Länger wandern: Viele Möglichkeiten sind denkbar. Gute Beratung bietet die Website der Seilbahn.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Acid-Swing in der Alphütte

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Diese Woche von der Leventina über den Nara-Pass ins Bleniotal (TI)

Als ich mit Ronja in Faido aus dem Zug steige, denken wir beide: Das wird ein anstrengender Tag. Dass es auch ein schöner Tag wird, davon gehen wir ebenfalls aus. Allein das Wetter: sonnig, doch nicht zu heiss. Perfekt für unsere Monumentalunternehmung.

Das Monument ist in diesem Fall die Bassa di Nara, zu Deutsch «Nara-Niederung» oder «Nara-Pass». Ein historisch bedeutender Übergang, über den in alten Zeiten Säumer Waren aus dem Bleniotal in die Gotthardgegend führten.

Bevor gewandert wird, wird gefahren. Ein Kleinbus kurvt von Faido die Bergflanke hinauf, die Leventina bleibt unter uns zurück, wir durchqueren Minidorf um Minidorf. Endlich «Molare, paese», unsere Haltestelle.

Wie Glenn Miller auf Amphetaminen

Im Freien entfalten wir uns wieder zu voller Höhe und ziehen los. Der Anfang ist, wie man ihn sich wünscht, wir wandern einige Zeit noch geradeaus, zuerst auf einem gemähten breiten Wiesenpfad. Nach gut 25 Minuten markiert der Bergbach Ri di Stou das Ende der Komfortzone, nun geht es aufwärts. Steil, steil, steil der Weg zur Alpe Nara.

In der Alphütte auf der Alpe Nara läuft eine Musik, die ich spontan «Acid-Swing» taufe, es klingt wie Glenn Miller auf Amphetaminen. Der Senn winkt. Wir winken zurück und nehmen den Rest des Aufstiegs in Angriff, der Pass liegt bereits als freundliche Kretensenke vor uns.

Ronja ist zuerst oben, das ist immer so. Bald habe auch ich es geschafft. Wir lassen uns im Gras nieder, schauen ins Weite, unter uns zieht sich das Bleniotal, dahinter eine Kette hoher Berge, von denen ich – ehrlich gesagt – keinen kenne.

Der Abstieg auf die Terrasse von Pro Marsgial ist leicht, wir vollziehen eine weite Rechtsschleife, da sind Bikerpisten, Holzstege im kupierten Gelände. Der Sessellift über unseren Köpfen ruht; im Hochsommer würde er fahren, bringe ich später in Erfahrung. Unten in Pro Marsgial nehmen wir nicht den Weg nach Cancori und Leontica, sondern schwenken erst in Piede del Sasso talwärts. Wir gehen Richtung Prugiasco und Acquarossa. So werden wir die Bahnmasten los.

Brutal, wie das abwärts geht. Einmal passieren wir ein Ferienhaus, vor dem auf feinen Metallstäben Bierdosen aufgepflanzt sind. Feldschlösschen. Die Dosen sind an den Seiten mit Längsschlitzen versehen, die Schlitze nach aussen gefalzt wie Flügel. Es sind moderne Windrädchen.

Uri-Stier mit Menschengesicht

Später, viel weiter unten, zeigt sich ein noch neuer Steg über das Bachtobel zur Rechten. Die Passerella di Negrentino führt vom Dörfchen Leontica zum Kirchlein San Carlo di Negrentino auf unserer Seite und ermöglicht, dass auch alte Leute und Behinderte dieses besuchen können.

San Carlo di Negrentino ist gut 1000 Jahre alt. Die Säumer konnten sich hier für den langen Weg in die Leventina den Segen holen. Der Uri-Stier auf dem Campanile hat ein Menschengesicht mit geweiteten Augen und wulstigen Lippen. Unter dem Urner Wappen sind kleiner die Wappen des Bleniotals und der Leventina aufgemalt mit Schwurfingern. Die beiden Talschaften des Südens mussten dem Kolonialherrn aus dem Norden Treue geloben.

Über den Steg könnten wir nun nach Leontica halten und dort den Bus nach Acquarossa nehmen; bloss, er fährt recht selten. Uns passt das nicht. So steigen wir noch einmal 300 Höhenmeter tiefer. In Acquarossa, bei der Haltestelle des Busses zum Bahnhof Biasca, sind Ronja und ich ausgepumpt. Aber die Sache war es wert – ein grosser Tessiner Pass ist nun unser.

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Route: Bushaltestelle Molare, Paese (Kleinbus ab Faido, SBB) – Fornace – Alpe Nara – Bassa di Nara (Nara-Pass) – Pian Nara – Bosco Negro – Pro Marsgial – Piede del Sasso – Ardèt – Bied – San Carlo di Negrentino – Prugiasco – Acquarossa-Comprovasco.

Wanderzeit: 5½ Stunden.

Höhendifferenz: 660 Meter auf-, 1615 abwärts.

Wanderkarte: 266 T Valle Leventina, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Bus von Acquarossa-Comprovasco (Bleniotal-Linie) zum Bahnhof Biasca.

Kürzer 1: Wenn man wie im Text beschrieben vom Pass via Pro Marsgial und Piede del Sasso usw. absteigt, aber bei San Carlo di Negrentino über den Fussgängersteg nach Leontica hält, braucht man eine halbe Stunde weniger und spart rund 300 Höhenmeter im Abstieg. Wichtig: zuerst Fahrplan konsultieren. Leontica ist mit Bussen nicht gerade verwöhnt.

Kürzer 2: Gleich viel Zeit und Höhenmeter spart man, wenn man von Pro Marsgial via Cancori nach Leontica absteigt.

Kürzer 3: Heuer nicht mehr möglich, aber evtl. in späteren Jahren: Im Hochsommer fährt unter Umständen die eine oder beide Sesselbahnen Pian Nara – Cancori und Cancori – Leontica.

Charakter: Sehr anstrengend. Still und verträumt auf der Leventinaseite, etwas diesseitiger und touristischer mit Skilift- und Sesselbahnmasten auf der Blenioseite. Aussichtsreich.

Höhepunkte: Der Gras-Wald-Weg vom Startpunkt bis Fornace. Der Blick vom Nara-Pass auf all die Berge. Das alte Kirchlein von San Carlo di Negrentino mit dem irren Uri-Stier.

Kinder: Etwas weit, oder?

Hund: Der zähe Hund wird es lieben. Alle anderen nicht.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Die Augenerfrischung

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Diese Woche im Saanenland von Feutersoey zum Arnensee (BE)


Vor vielen Jahren fuhren wir von Les Diablerets mit der Gondel in die Höhe. Ab der Bergstation Isenau hielten wir auf den Berg La Palette, die Aussicht war gewaltig. Tief unter uns lag ein blaues Gewässer. Was das für ein See sei, fragte ich unwissender Ostschweizer. Das sei der Arnensee, sagte mir einer meiner Mitwanderer, der aus der Gegend stammte. Der Arnensee gehöre bereits nicht mehr zum Waadtland, sondern zum Kanton Bern.

Viele Jahre später ist es endlich so weit, es soll zum Arnensee gehen, den ich nie mehr vergessen habe, wie könnte ich auch. Mein Grüpplein und ich, wir starten bei verhangenem Himmel in Feutersoey; das Dorf ist per Postauto von Gstaad erreichbar.

Steil auf den Tuxberg

Der Weg zum See dauert gut zwei Stunden und zerfällt, wie ich feststelle, in drei Teile. Teil eins ist anstrengend, der Weg auf den Tuxberg, mal durch den Wald führend und mal durch Wiesen, ist einigermassen steil. Teil zwei schafft Erleichterung, wir laufen geradeaus und abwärts, leider auf einem Strässchen. Hartbelag, stelle ich wieder einmal fest, tut meinem gealterten Rücken nicht gut. Teil drei ist angenehmer: wieder – schematisch gesagt – Wald und Wiese.

Dann der Arnensee, ein Stausee, wir erreichen ihn linker Hand der 140 Meter langen Dammkrone. So selbstverständlich wie er sich in sein Tal schmiegt, scheint er schon immer da gewesen zu sein. Dass er schön ist, eine Augenerfrischung, scheinen auch andere gemerkt zu haben, der Parkplatz ist ziemlich voll.

Apropos Verkehr: Schade, dass der Arnenseebus nicht mehr fährt wie einst; wer hinaufläuft, muss auch wieder hinunterlaufen. Wobei: Es gibt für den Rückweg durchaus eine Variante. Wir können retour Richtung Tuxberg etwas höher im Hang gehen, via Hindere Walig und Schneeweid; auch so brauchen wir bis Feutersoey wieder zwei Stunden. Oder aber diese Fortsetzung: Wir ziehen am See vorbei, steigen auf zur Alp Seeberg, zum Col de Voré, zum Col des Anderets und landen kurz darauf in Isenau bei besagter Gondelbahn; wer das macht, braucht für die ganze Strecke ab Feutersoey fünf Stunden und steigt mehr als 1000 Meter auf.

Saudische Paradiesfantasie

Fertig Varianten diskutiert, gehen wir zurück in die Gegenwart. Wir sitzen schon bald auf der Terrasse des Restaurants, das leicht erhöht über dem See liegt. Man kann in ihm baden. Man kann vor Ort ein Patent lösen und fischen. Oder man mietet ein Boot. Und wem das alles nicht zusagt, der umrundet ihn auf bequemen Kieswegen in einer Stunde.

Beim Essen ist Gelegenheit, die Gäste zu mustern. Unter ihnen ist eine Familie aus Saudiarabien oder ähnlich, die zwei Frauen sind verschleiert bis auf einen Augenschlitz. Ihre Augen sind die meiste Zeit dem See zugewandt – und mir fällt ein, dass arabische Menschen diesen Ort wohl noch viel schöner finden als wir hiesigen. Der Koran, das heilige Buch des Islams, ist aus der Wüste geboren. Trotzdem oder genau deswegen schildert er das Paradies als grünen Garten mit nie versiegendem Wasser. Der Arnensee samt Umland kommt Paradiesfantasien ziemlich nahe.

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Route: Feutersoey, Dorf (die Haltestelle liegt an der Buslinie Gstaad – Col du Pillon – Les Diablerets) – Tuxberg – Gschwänd – Gritteli – Arnensee, Restaurant.

Wanderzeit: 2 Stunden. 492 Meter aufwärts, 78 abwärts.

Zurück: Retour auf demselben Weg. Oder etwas oberhalb: Restaurant am See – Unders Stüdeli – Hindere Walig – Schneeweid – Tuxberg; ab hier wie auf dem Hinweg. Für diese Variante zurück insgesamt 2 Stunden.

Variante: Zum Arnensee wie oben. Dann weiter: Alp Seeberg – Col de Voré – Châlet Vieux – Col des Anderets, Isenau/La Marnèche (Gondelbahn hinab nach Les Diablerets). Total 5 Stunden, 1035 Meter aufwärts, 400 abwärts. Sehr schön der Blick auf den See von oben.

Wanderkarte: 263 T Wildstrubel und 262 T Rochers de Naye, 1:50’000. Für die Variante nach Les Diablerets zusätzlich 272 T St-Maurice.

GPX-Datei: Hier downloaden. Die Langvariante nach Les Diablerets hier.

Charakter: Die Wanderung zum Arnensee ist nicht anstrengend, gute Schuhe (Wanderschuhe) empfehlen sich trotzdem wegen einiger coupierter, wurzeldurchsetzter Stellen. Idyllisch. Empfehlenswert besonders bei durchzogenem Wetter und unter der Woche, dann hat es am See nicht so viele Leute.

Höhepunkte: Der See. Die Einkehr am See. Das Fussbad am See. Der Rundweg um den See.

Kinder: Keine Probleme.

Hund: Keine Probleme.

Einkehr: Restaurant am Arnensee. Bei gutem Wetter reservieren, Telefon 033 736 30 00. Bis 30. Oktober, Mo/Di ab 17 Uhr geschlossen.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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Der Beitrag Die Augenerfrischung erschien zuerst auf Outdoor.

Wir möchten Bäume küssen und Schnecken segnen

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Diese Woche von Tavannes nach Tramelan im Berner Jura


Tavannes, der Ort im Berner Jura, heisst zu Deutsch «Dachsfelden»; in Basel erinnert an diesen verblichenen Namen noch die Dachsfelderstrasse. So weit zu unserem Startort. Unser Ziel ist Tramlingen. Also Tramelan.

Wir steigen in Tavannes aus dem Zug, orientieren uns am Wegweiser, unser erstes Ziel ist La Tanne. Bald sind wir aus dem Ort, es geht im Folgenden lange aufwärts, aber nie happig. In der Forêt de la Voité müssen wir kurz etwas absteigen, bevor der Weg wieder steigt.

Römerstrasse ohne Römer

Wir wandern alsbald zehn Minuten lang auf der «Route Romaine», der Römerstrasse. Die alte Bezeichnung ist irreführend. Bei den Parallelrinnen im vermoosten Kalkboden, die von Stufen begleitet sind, handelt es sich um eine spätmittelalterliche Vorrichtung. Um eine Geleisestrasse für Ochsenkarren, die tramartig in den Schienen aus Stein die Steilpassage bewältigten. Ein Pendant von wesentlich grösserer Dimension findet man übrigens im Hang zwischen Vuiteboeuf und Sainte-Croix im Waadtländer Jura; dort ist ein Themenweg ausgeschildert.

Das eine oder andere Foto wird gemacht, freilich ist das Licht schwierig, Sonne fällt durch die Bäume, der Boden ist ein Flickenteppich aus hell und dunkel. Oben bei La Tanne, dem Scheitelpunkt der Wanderung, treten wir kurz darauf wieder in die Sonne. Was folgt, ist eine halbe Stunde Herrlichkeit. Die Hochebene vor uns: Der Geist der Freiberge waltet. Durchatmen, Weite inhalieren, alles beruhigt sich, wir Wanderer lächeln selig wie der heilige Franz von Assisi. Wir möchten Bäume küssen, Kräutlein streicheln und Schnecken segnen.

Das Esswunder zu Tramelan

Nach sanftem Abstieg durch die Weiden erreichen wir Tramelan. Dort wird uns, was die Assoziation zum heiligen Franziskus erhärtet, ein Esswunder zuteil. Der Wanderweg leitet zum Hotel-Restaurant Union. Was wir serviert bekommen, macht glücklich. Ich habe ein Poulet jaune, also eine Maispoularde, gebettet in eine Morchelsauce – formidabel.

Nicht einmal zweieinhalb Stunden hat die Wanderung gedauert. Den einen genügt das. Andere mögen fragen: Was nun? Es gibt Möglichkeiten. Erstens: Wir könnten von Tramelan via Le Cernil zum berühmten Moor-Seelein Etang de la Gruère halten, es umrunden und zur Bushaltestelle Moulin de la Gruère gehen. Das dauert 2,5 Stunden. Ebenso viel Zeit braucht, zweitens, der Aufstieg von Tramelan via Bise de Cortébert zum Col du Mont Crosin; auch dort fährt ein Bus.

Jobsharing in der Antike

Drittens könnten wir mit dem Zug von Tramelan retour nach Tavannes fahren. Dort führt ein einstündiger, ab dem Bahnhof signalisierter Spaziergang zur Quelle der Birs, die durch eine Scheibe zu bestaunen ist. Weiter oben am Hang wartet der Römertunnel von Pierre Pertuis.

Der kühne Durchstich ist im Unterschied zum Römerweg bei La Tanne echt antik. Das Loch durch den Felsriegel am Passweg war zwar schon von der Natur angelegt. Dann aber, so verkündet eine Inschrift, kam Marcus Dunius Paternus und liess es erweitern als Teil einer Durchgangsstrasse. Besagter Beamter war, auch das steht auf dem Schild, ein Duumvir. Ein «Zwiemann». Das heisst, dass er einen gleichgestellten Kollegen hatte, was ein bisschen nach Jobsharing klingt.

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Route: Tavannes, Bahnhof – Forêt de la Voité – Rillenweg – La Tanne – Prés Renaud – Tramelan, Bahnhof.

Wanderzeit: 2 ¼ Stunden.

Höhendifferenz: 314 Meter auf-, 180 abwärts.

Wanderkarte: 232 T Vallon de St-Imier und 222 Clos du Doubs, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Kurze Bahnfahrt von Tramelan nach Tavannes.

Charakter: Leichte Route mit historischem Flair. Wunderbare jurassische Hochebene im Mittelteil.

Höhepunkte: Die Rillen von La Tanne. Gleich anschliessend der Blick über die Hochebene. Das Essen im Hotel-Restaurant Union in Tramelan.

Kinder: Geht gut.

Hund: Geht ebenfalls gut.

Einkehr: Hotel-Restaurant Union in Tramelan. So/Mo zu. Reservieren!

Verlängerung: Vieles ist denkbar. 1. Von Tramelan via Le Cernil zum reizenden Moor-Seelein Etang de la Gruère, Umrundung, dann zur Bushaltestelle Moulin de la Gruère. 2,5 Stunden. 2. Von Tramelan via Bise de Cortébert zur Bushaltstelle auf dem Col du Mont Crosin. 2,5 Stunden. 3. Mit dem Zug retour nach Tavannes. Dort kurze Visite bei der Birsquelle (zu sehen hinter einer Scheibe; ausgeschildert ab Bahnhof) und weiter oben zum Römertunnel von Pierre Pertuis. Hin und zurück eine Stunde.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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